Daysailer sind in. Sie sind konzipiert für den kleinen Segelspaß zwischendurch, nicht so sehr für den harten Einsatz im Regattafeld. Nun hat auch J/Boats – der Platzhirsch hierzulande bei vielen sportlichen Segelwettbewerben wie der Segelbundesliga und dem Helga-Cup – mit der J/9 eine neue 28-Fuß-Yacht vorgestellt. Sie ist die Antwort der US-amerikanischen Bootsbauer auf das wachsende Bedürfnis vieler Segler nach einem komfortableren, einfachen und leicht zu bedienenden Tagesboot.
Ein neuer Daysailer
Die Bootsmanufaktur mit Sitz im US-amerikanischen Segel-Hotspot Newport in Rhode Island platziert das neue Modell als Nachfolgerin der J/100. Die 33 Fuß lange und preisgekrönte J/100 gilt nach wie vor als eine der begehrtesten Modelle der Werft. Das in die Jahre gekommene Boot profitiert nicht mehr vom aktuellen Design der J/Boats-Flotte. In den letzten Jahren lag der Schwerpunkt der Entwicklung eher bei den Performance-Cruisern.

Für alle, denen die Marke nur vom Lesen bekannt ist, die aber mitsprechen möchten: „J“ wird amerikanisch, sprich „dschäi“ ausgesprochen. Nun präsentieren die Amerikaner mit der J/9 also einen echten Daysailer. Auf dem soll man nach Werftaussage auch gut ein Wochenende genießen können. Und das möglichst entspannt.
Ein Cockpit zum Chillen
Jeff Johnstone, der zur zweiten Generation der 1977 in einer Garage gegründeten Familienwerft gehört, fasst das Pflichtenheft für das jüngste Projekt so zusammen – und lässt dabei gleich ein paar Buzzwords fallen: „Mit der J/9 haben wir uns vorgenommen, Segeln einfacher, entspannter und inklusiver zu gestalten.“ Johnstone, der das Unternehmen zusammen mit fünf weiteren Cousins und Brüdern führt, lobt das Platzangebot und die Einhandtauglichkeit.
„Mit diesem Boot können Sie in wenigen Minuten allein segeln oder sie können, ohne viel an Platz einzubüßen, die ganze Bande mitnehmen.“ Wen mag der Werftchef damit wohl meinen? Das Cockpit bietet also schon mal ausreichend Platz auch für eine ganze Crew.

Und Jeff Johnstone, der einen Uniabschluss in Musik hat, schwärmt weiter beim Interieur: „Das Cockpit der J/9 hat vier tolle Sitzecken, in die man sich hineinkuscheln und den Tag genießen kann.“ Außerdem sorgt die Badeplattform hinterm Cockpit für den bequemen Einstieg an Bord. Sicher mit einem Augenzwinkern merkt Johnstone noch an, man könne sich beim Segeln vor dem Wind „abkühlen, indem man die Füße ins Wasser steckt“. Doch was steckt im Boot selbst?
Sportlich wird’s mit den Optionen
Im Standard wird die J/Boats J/9 mit Aluminium-Rigg und einem konventionellen Dacron-Segel ausgeliefert. Die Liste der Extras ist lang. Die Selbstwendefock ist sicher eher etwas für Segler, die viel allein unterwegs sind. Sportlichen Seglern wird der fest angebaute Bugspriet aus Kohlefaser für Gennaker oder Code Zero gefallen. Ungewöhnlich ist die vom langen Cockpit halb separierte Badeplattform am Heck.

Simpel und tourentauglich ist der Innenausbau. Bei der neuen J/Boats J/9 geht es unter Deck – dem Konzept entsprechend – zunächst nüchtern und einfach zu. Das ist Standard. Für den Einsatz als Weekender wird das Schiff im Bug mit einer separierten Doppelkoje ausgebaut. Dann lässt sich im Vorschiff auch eine kleine Toilette unterbringen.
Erstmals elektrisch motorisiert
Auch bei den Motoren gibt es Optionen: Besitzer können wählen, ob das Schiff mit einem kleinen Einbaudiesel oder per Elektromotor angetrieben werden soll. Beide Antriebe sind nicht Standard: Es gibt sie nur als Option und für entsprechende Aufpreise.
„Elektro-Außenborder von Torqeedo waren als Nachrüstungen für die J/70 sehr beliebt“, sagt uns Jeff Johnstone. „Aber dies ist das erste Mal, dass wir den Elektro-Pod als Standard-Antriebsoption für neue Boote anbieten.“ Saffier aus den Niederlanden hält es bei der Saffier 27 Leisure genauso: Der Pod kommt aus Bayern. Der Unterschied ist, dass bei den Bootsbauern aus IJmuiden der E-Motor die einzige Antriebsvariante ist – und im Standard enthalten.

Die elektrische Antriebsoption für die J/9 besteht aus dem Torqeedo Cruise 4.0 Pod mit einem zweiflügeligen Faltpropeller. Eine Lithium-Ionen-Batterie des Typs Power 48-5000 sorgt für Energie. Das 650-W-Ladegerät kann direkt an den Landstrom angeschlossen werden. Das elektrische Antriebspaket von Torqeedo ist preislich „etwas günstiger“ als die Variante mit Innenborder-Diesel. Das Gewicht ist um etwa 30 Prozent geringer.
„Nach fast zwei Monaten Demo-Einsatz und störungsfreiem Betrieb haben wir festgestellt, dass das elektrische System von Torqeedo leise, zuverlässig und einfach zu handhaben ist“, so Johnstone. Bei ruhigen Bedingungen beträgt die Reichweite 20 Meilen bei fünf Knoten Speed, etwa 12 Meilen bei sechs Knoten – ohne Besegelung.
America first
Nachdem in den nordamerikanischen Segelbootmarkt in letzter Zeit mehr neue Segelboote importiert werden als im Inland gebaut, versucht die an der Ostküste ansässige Werft diesen Trend mit der J/9 umzukehren. „Made in America“ ist das Programm. Konkret heißt das: Die meisten Schlüsselkomponenten des neuen Bootsmodells liefern nordamerikanische Firmen.
Die Verbundwerkstoffe kommen von Composites One nahe Bristol. Die Glasfasergewebe werden von Vectorply in Phenix City im US-Staat Alabama geliefert. Der Corecell-Kern wird von Gurit im kanadischen Quebec produziert. Die Harze stammen von AOC Resins aus ihren Werken in Tennessee und Ontario. Broomfield & Son aus Rhode Island schließlich sorgt für die J/9-Kiele.
Keep it simple
Amerikaner sind meist praktisch veranlagt. Entsprechend einfach und unkompliziert soll auch das Segeln mit der J/9 sein. Einfach heißt: eine Pinne, eine Schot. Das kommt sportlichen Jollen- und Kielbootseglern entgegen. Jeff Johnstone fordert seine potenziellen Kunden auf, sich auf dem Wasser umzuschauen. „Sie werden feststellen, dass 80 Prozent der Segelboote mit nur einem Segel segeln.“ Nun ja, hier kann man durchaus geteilter Meinung sein. Einfacher ist es mit einem Groß in jedem Fall.


Und selbstbewusst konstatiert Johnstone nach den ersten Probeschlägen: „Der große Unterschied [gegenüber vergleichbaren Modellen] bei der J/9 ist, dass Sie mit einem Segel komfortabler und schneller segeln werden als die meisten anderen mit zwei Segeln.“ Und wenn man dann noch die Fock dazu nimmt, verspricht er den „Turbo“. Das Vorsegel des „leistungsstarken Wohnzimmers im Freien“ verspreche „müheloses, stabiles und ruhiges Segeln“. Damit ist die Zeilrichtung klar: Im Zweifel mehr „for the People“ als Performance. Und das „im besten J/Boots-Cockpit aller Zeiten“.
Und „keep it simple“ gilt auch für das Rollreffsystem der Fock. Das Konzept des J/9-Designs setzt sich auch hier bei der Segelausrüstung fort. So wird auf Fockroller unter Deck verzichtet. Diese sähen zwar gut aus. Aber bei dem hochwertigen Rollreff über Deck (es kommt von Harken) sparten die Konstrukteure Gewicht sowie Kosten. Auch die vereinfachte Wartung und weniger Reibung führt die Werft für ihre Lösung ins Feld.
Vielversprechend im Test
Der Stapellauf des ersten neuen J/9-Daysailers fand in Stanley’s Boatyard in Barrington auf Rhode Island statt. Und inzwischen ist die Neue von der Werft ausführlich getestet worden. Zu erfahren ist, dass das Aufriggen, Anbringen der Blöcke und des laufenden Guts weniger Zeit in Anspruch nahm als das Aufriggen einer J/22.
Das spricht für die Einfachheit des neuesten Designs vom Reißbrett des J-Designteams. Man schien Spaß gehabt zu haben nach den ersten Testschlägen auf der Narragansett Bay Mitte Mai. Mit den Konstrukteuren an Bord starteten die ersten Tests und die Auslieferung von Barrington nach Bristol, das ebenfalls in Rhode Island gelegen ist.
Dabei funktionierte der elektrische Pod-Antrieb von Torqeedo mit Faltpropeller sehr überzeugend und trieb den leichtgängigen Rumpf auf bis zu 6,5 Knoten.

Großsegel und Fock ließen sich effektiv trimmen. Bei etwa 8 bis 10 Knoten Wind war die J/Boats J/9 mit gut 7 Knoten Geschwindigkeit bei Wendewinkeln um 77 Grad unterwegs.
Auch auf ihrem ersten Langstreckentest von Bristol Harbor nach Newport Harbor wusste die J/9 zu überzeugen. In drei Stunden wurde die 16,1 Seemeilen lange Strecke bei durchschnittlich gut 4 Beaufort Wind und gegen eine 0,5 bis 1,0 Knoten starke Strömung bewältigt.
Ein wichtiger Faktor für die hohe Stabilität der J/9 ist der L-förmige Kiel. Mit seinem keilförmigen Wulst besitzt er ein niedriges „VCG“ (Vertical Center of Gravity). Gemeint ist, wie hoch der Schwerpunkt im Kiel selbst ist. Ein Kiel mit mehr Blei weiter unten (wie bei einer Birne) hat – vorausgesetzt, alles andere ist gleich – einen niedrigeren VCG.

Das sorgt – bei mehr Tiefgang im Vergleich zu konventionellen Kielen – für die nötige Stabilität. Im Standard liegt der Tiefgang bei 1,49 Metern, mit dem optionalen Variante, die lediglich 1,19 Meter tief geht, lassen sich noch flachere Gewässer besegeln.
Technische Daten J/Boats J/9
Konstrukteur | R. Alan Johnston | |
Länge | 8,45 m | |
Länge Wasserlinie | 7,75 m | |
Breite | 2,63 m | |
Tiefgang | 1,49 m, alternativ 1,19 m | |
Gewicht | 1,93 Tonnen | |
Segelfläche am Wind (mit Genua) | 41,7 qm | |
Motorisierung (Option) | Pod-Elektromotor von Torqeedo oder Diesel-Innenborder |
Europa muss warten
America first? Das gilt auch für den Vertrieb. Das neue Modell wird zunächst nur in der Werft in den USA gebaut. Das heißt für den europäischen Markt, dass eine Fertigung bei der Lizenzproduktion von J/Boats im Westen Frankreichs aktuell noch nicht vorgesehen ist. Dabei könnten Interessierte gerade jetzt von einem attraktiven Welchselkurs profitieren.
Der gegenwärtig angeführte Grundpreis von 106.000 US-Dollar entspräche einem deutschen Kaufpreis von rund 89.000 Euro – die Mehrwertsteuer inklusive. Die Vertriebspartner von J/Boats in Deutschland bei der Mittelmann’s Werft in Kappeln ermitteln, so heißt es auf Anfrage von float, derzeit die bestmöglichen und günstigsten Transportwege für den Daycruiser von Übersee nach Europa.