Wer die neue Quarken 27 Cabin frontal auf sich zufahren sieht, glaubt im ersten Moment an eine Sinnestäuschung: Wie bei einem abstrakten Gemälde erscheint die Symmetrie des Boots leicht verrutscht. Oder neigt der Designer nur besonders dem Ungewöhnlichen zu?
Das Deckshaus befindet sich nämlich nicht in der Mitte, sondern deutlich nach Steuerbord versetzt. Dort endet es bündig mit der Bordwand. „Wir machen manches anders als die Konkurrenz“, erklärt Martin Kortell, Vertriebschef der jungen finnischen Werft, es maximal lakonisch bei unserer Testfahrt im südwest-finnischen Archipel.
Bei dem 2,59 Meter breiten Boot wurde die Steuerkonsole mitsamt der dazugehörigen Bestuhlung und dem Deckshaus nach rechts versetzt, um mehr Platz für das – einzige – Gangbord auf der linken Seite zu schaffen. Darüber schreiten wir nun ganz lässig, ohne seitlich anzuecken, Richtung Cockpit.
Zweckmäßiger Eingriff
Dieser äußerst zweckmäßige Eingriff fällt optisch tatsächlich nur auf, wenn das Boot frontal auf den Betrachter zufährt oder sich schnurgerade entfernt. Das wiederum geht bei Bedarf sehr, sehr schnell: Die Quarken 27 Cabin schafft eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 43 Knoten.
Das optimale Reisetempo verortet das Quarken-Team zwischen 25 und 30 Knoten. Dann liegt der Verbrauch pro Seemeile ungefähr auf demselben Level wie bei 6 Knoten in Verdrängerfahrt. „Es hat also keinen Sinn, langsam zu fahren“, analysiert Martin, ohne die Miene zu verziehen. Und er gibt der Quarken prompt die Sporen.

Innerhalb von Sekunden wird das Boot zum wilden Wohnmobil auf dem Wasser. Tür zu, und der Brummton des mächtigen Yamaha-V6 kommt am Steuer nur noch gedämpft an. Das kleine Wunder der Verbrauchs-Parität ist – ebenso wie das versetzte Deckshaus – übrigens keine Erfindung von Quarken. Bei vielen kleinen Gleitern ist es genauso: Bei Cruising-Tempo und Schnellfahrt hat das Boot annähernd dieselbe Reichweite.
Die Quarken 27 von dem Kvarken
Doch so extrem haben wir es selten gesehen. Und das passt: Die Quarken 27 Cabin ist ihrerseits für die Extreme gemacht. Obwohl sie erst als dritte Variante der jungen Werft auf den Markt kommt, ist sie das Original. Die beiden anderen Modelle sind als offene Tagesboote die Ableitung für warme Gefilde.
Die Cabin-Version dagegen gehört in den hohen Norden. Hier, wo fünf Monate im Jahr die Temperaturen tief im Minus verharren, sind stabile Boote mit beheizbarem Deckshaus lebensnotwendig.

Im Archipel von Turku, rund 400 km weiter südlich, wo wir uns zum Testen verabredet haben, dürfte das Boot sich dagegen wie in der Badewanne fühlen. Hier, wo an einem beschaulichen Sonnentag die See spiegelglatt vor uns liegt, ist nicht das natürliche Habitat des finnischen Daycruisers. Wieso das?
Martin Kortell erzählt, wo sie ihre Boote bauen und testen: Vor Kokkola weicht das Eis spät und die Zeit der stockdunklen Polarnächte fühlt sich endlos an. „Dieses Jahr war der Winter besonders lang – wir sind noch im März mit Schneemobilen über die Bucht gefahren.“ Erst dann schmolz das armdicke Packeis und die Bootsbauer konnten ihren Prototypen Probe fahren.

Dort, wo kurz zuvor noch alles wie für die Ewigkeit starr gefroren war. Es existiert ein Testprotokoll, das für sich spricht: „Außentemperatur: minus 10 Grad“. Oha! Nur die Harten fahr’n mit Quarken, in Ableitung des alten Gartenbauerspruchs.
Das Kvarken ist ein ideales Testgebiet
Mit seinem Heimatrevier hat Quarken also das ideale Testgebiet gleich vor der Haustür. Und es nötigt Respekt ab, dass unter denselben unwirtlichen Bedingungen auch die beiden „südlicheren“ Ableger der Quarken 27 entwickelt und getestet wurden: das offene Motorboot Quarken 27 Open und die Quarken 27 T-Top mit stabilem Sonnenschutz.
Unser Kabinenboot ist jedoch auch gestalterisch die anspruchsvollste Ausführung. Einem Rumpf von nur 8,35 Metern Länge ein Häuschen aufzusetzen, verlangt einiges an designerischem Einfallsreichtum. „Das ist ja die Schwierigkeit bei einem so kleinen Boot“, bestätigt Martin.
Weil das Deckshaus Stehhöhe haben muss, kann ein solcher Kasten auf einem eher filigranen Rumpf klobig wie ein Wolkenkratzer wirken – lächerlich, spielzeughaft. Martin nickt und sagt: „Die Gestaltungsgrenzen sind sehr eng. Ich finde, wir haben das gelöst.“ Tatsächlich sieht die Quarken 27 Cabin so „erwachsen“ aus wie ein zwei Nummern größeres Boot.
Das verdankt die Neuheit im Wesentlichen einem optischen Trick: Während der recht niedrige Rumpf wie bei den offenen Versionen vom Bug zum Heck leicht ansteigt, ist die Dachlinie des Aufbaus waagerecht. Das prägt sich ein. Das Boot sticht unter vielen Modellen hervor.

Dieser Kontrast lässt den vorderen Teil des Aufbaus niedriger erscheinen. So entsteht der Eindruck, als ob das Boot – einem Raubtier gleich – seine Beute vorm Sprung mit halb zugekniffenen Augen anvisiert. In Kombination mit dem aufsteigenden Rumpf wirkt das Ganze kühn und entschlossen. Sogar fest vertäut am Steg sieht die Quarken 27 Cabin rasant aus.
Daycruiser wurde als Weltprodukt angelegt
Den Raubtier-Sprung hat Quarken als Marke übrigens schon absolviert. Das Boot ist ganz bewusst als „Welt-Produkt“ angelegt. Es soll nach dem Willen seiner Schöpfer in kalten ebenso wie in südlichen Gefilden seine Eigner finden. In 20 Ländern baut Quarken derzeit sein Verkaufsnetz auf. Für Deutschland ist Baltic Boats in Neustadt an der Ostsee neu dabei. Sogar in Japan und auf Malta gibt es bereits Quarken-Händler.
Die Variabilität des Produkts spiegelt sich auch in zwei Ausstattungs-Optionen wider: Es gibt die Quarken 27 Cabin sowohl mit Heizung als auch mit Klimaanlage. Bei schlechtem Wetter und rauer See bewährt sich diese Bauweise. Denn das Deckshaus ist hermetisch verschließbar. Wird es zu warm, lassen sich seitlich, hinten und oben große Flächen aufschieben. So umfasst der Aktionsradius nahezu alle Klimazonen.


Auch hat das Designteam das Kunststück vollbracht, das relativ kleine Boot in mehrere Zonen zu unterteilen. Kortell erklärt es, während wir durch das Archipel schippern: „Wir haben Areale geschaffen, damit Familien an Bord nicht immer aufeinander hocken müssen.“ So ein Areal gibt es im Bug in Gestalt der breiten Bank. Mit optionalem Zubehör kann sie in eine große Sonnenliege verwandelt werden. Deren behagliche Bequemlichkeit ist dem verwendeten Material geschuldet.