Eine Böe fegt Wasser ins Schiff
Also kurbelte die Besatzung die Seitenscheiben ihres Speedboots etwas herunter. Die Frischluftzufuhr reichte, um einigermaßen die Sicht durch die Frontscheibe zu gewährleisten.
Eine Böe habe dann allerdings urplötzlich Wasser ins Schiff gebracht: „Der Kleine bekam das meiste ab“, erzählt Pohl. Er rechnete schon mit einem Panikanfall und heftigem Geschrei, doch sein Sohn habe sich nur geschüttelt und strahlend verkündet: „Jetzt bin ich aber richtig nass geworden, Papa!“
Nach einer Dreiviertelstunde erreichten Amphicar und seine Crew wohlbehalten das Ostufer. „Das meine ich: Sie fühlen sich so was von frei“, schwärmt der Niedersachse.
Ärmelkanal zu zweit überquert

Verantwortungslos? Die Seetüchtigkeit des Amphicars hat sich schon während seiner Bauzeit gezeigt. Eine Überquerung des Ärmelkanals geriet in den späten 1960er-Jahren zum PR-Schlager. Werbewirksam wurde der Hamburger Wasserschutzpolizei ein Schwimmwagen übergeben, auch einige Feuerwehren und Wasserretter erhielten ein Spenden-Auto.
Amphicar-Kapitäne schwören auf ihre Unsinkbarkeit – sofern der Stopfen fest ist. Was gern mal vergessen wird. Auch Sebastian Herrmann kennt dazu die passende Anekdote: Bei einem Clubtreffen in Schweden zeltete die Community auf einer Insel im See.
Eine skurrile kleine Fontäne
Die Party tobte, irgendwann war das Bier aus. „Also musste einer aufs Festland und Nachschub holen.“ Offenbar war der Pegel schon recht hoch, denn der Fahrer vergaß die Gedenkminute unterm Wagen.
Auf halber Strecke tauchte sein Amphicar ab, er musste zurückschwimmen. „Am nächsten Tag haben wir seinen Wagen herausgeholt, er lag nicht tief.“ Da es wenig Elektrik und null Elektronik in dem Auto gibt, kann auch nicht viel kaputtgehen. Nach ausgiebiger Trocknung sei der getaufte Amphicar anstandslos angesprungen.

Herrmann wirft einen Blick außerbords und zieht dann an einem Knopf neben dem Tachometer. Unhörbar springt die Bilgepumpe an, aus dem Heck spritzt eine skurrile kleine Fontäne in die Spree.
Manche Besitzer klettern lieber
„Da muss ich demnächst mal ran“, sagt der Besitzer. Offenbar eine kleine Undichtigkeit, alle 20 Minuten ist die Pumpe an der Reihe. Irgendwo drückt es durch, möglicherweise sind es die Türdichtungen.
„Bei Treffen sieht man auch Amphicars, deren Türen mit Klebeband abgeklebt sind“, sagt Herrmann. Manche Besitzer klettern lieber über die geschlossene Tür, als den Defekt zu reparieren.
Jaja, der Amphicar und der Reparaturaufwand – viele Gerüchte ranken sich um die Konstruktion; insbesondere um den Wartungsbedarf. Oft wird erzählt, dass die Vorbereitung auf die Wasserfahrt weit mehr Zeit in Anspruch nimmt als der Törn selbst.
Schmiernippel mit Fett versorgen
Herrmann lacht. So schlimm sei es nicht – 1:1 ist nach seiner Einschätzung etwa das Verhältnis zwischen Präparation und Praxis. Gefürchtet: die Schmiernippel, die vor der Fahrt mit frischem Fett versorgt werden müssen.
Wie viele es sind, darüber widersprechen sich die Quellen. Einige reden von 13, andere von 18. Wer die Arbeit kennt, findet nicht viel dabei.
Das Aufbocken, die Zeit unterm Wagen, die Suche nach Fehlern und Macken – das wird alles entschädigt durch die entspannten Touren auf Straßen, die keinem anderen Auto offen stehen.
Ein Porsche war kaum teurer
Dafür lieben ihn seine Fans. Viele sind es nicht mehr: In Deutschland fahren kaum zwei Dutzend, in den USA noch etwa 200 der schrägen Typen herum.
Allerdings war dem Amphicar schon in seinem ersten Leben nur geringe Verbreitung beschieden. Keine 4000 Stück wurden gebaut, der große Erfolg fand nicht statt. 25.000 Exemplare sollten es ursprünglich werden, doch die Produktion wurde bereits 1964 eingestellt.

Dafür war das Auto, das vielleicht erste Freizeitfahrzeug der Welt, einfach zu teuer: 10.500 Mark kostete es Anfang der 1960er-Jahre. Ein Porsche war nur geringfügig teurer. Der kann zwar nicht schwimmen, hatte aber zu dieser Zeit bereits mindestens 60 PS.
Design im US-Zeitgeschmack
Der Amphicar kommt nur auf 38 PS, damit schafft er an Land mit Mühe 120 km/h. Sportlich ist das ebenso wenig wie das Schwimmtalent. Der schwächlichen Motorisierung lachen die steil aufragenden Heckflossen geradezu Hohn.
Während das Design ganz zeitgemäß ist und sich offenbar direkt an den US-Geschmack richtet, kam die Motorleistung damit nicht recht hinterher.
Der Performance an Land steht diejenige im Wasser nicht nach: Da beide Propeller rechtsdrehend sind, der „Rumpf“ nicht sehr stromlinienförmig ist und ein Ruder fehlt, hat die Manövrierfähigkeit sehr enge Grenzen. Rückwärts in die Box geht praktisch nur mit Paddelhilfe.