Die Sonne scheint hoch, das Wasser ist spiegelglatt und die Havel ist so gut wie leer. Es ist einer der ersten Nachmittage, nachdem die Beschränkungen im Wassersport zumindest reduziert worden sind. Jetzt „unter der Woche“ ist kaum jemand unterwegs auf den Berliner Gewässern.
Zwischen unserem 19-Fuß-Boot, der Ranieri Shadow 19, und dem Ufer dümpeln, in einiger Entfernung, einige Motorboote. Deren kleine Crews haben ihre schwimmende Laube bereits bezogen, direkt neben den Reusenmarkierungen der Fischer. Ein Reiher fliegt vorbei, die ersten Feierabendsegler kreuzen im Fahrwasser.
Für einen Ferientag auf dem Wasser
Eine leichte Brise haucht übers Wasser und weht sanft über unsere Ranieri Shadow 19 Richtung Grundwaldturm. Das Monument steht stumm und schweiget inmitten der frisch ergrünten Bäume, schließlich ist es bereits Mai. Der Motor pluckert, kaum hörbar, im Leerlauf – wird das ein Ferientag auf dem Wasser? Das richtige Boot haben wir dafür schon mal unter unseren vier Buchstaben.
Es könnte herrlich sein, hier einfach liegen zu bleiben – auf dem Vordeck sich auszustrecken und zu sonnen, den an der Steuerbordwand platzsparend verborgenen Holztisch auszuklappen und die Brotzeit auszupacken oder ein gutes Buch zu lesen, gemütlich zusammengerollt auf der gepolsterten Hecksitzbank.
Zur Ausstattung unseres Testboots gehört, was für einen Tag auf dem Wasser gut zu gebrauchen ist: Wasserskihaken und hydraulische Lenkung fürs aktive Vergnügen auf dem Wasser, das Stereo-System mit Bluetooth-Modul für die musikalische Unterhaltung. Dazu gibt es eine Cockpitdusche und den klappbaren Hecktisch fürs Picknick nach dem Schwimmen im See.
Es geht los!
Aber wir haben zu tun, Ausruhen können andere. Und zum Schwimmen ist es auch noch ein bisschen kühl. Also, wieder Platz genommen am aufgeräumten Fahrstand, den Einzelfahrersitz des Sundeck-Modells eingestellt – und los! Der Antritt ist prompt: Nach knapp fünf Sekunden von Null aus sind wir in Gleitfahrt, kaum zehn Sekunden erreicht das Boot – kein Tempolimit vorausgesetzt – das Geschwindigkeitsmaximum. Die Ranieri Shadow 19 zieht mit 140 Pferdestärken am Heck gut durch, vor allem dann, wenn die See voraus unbewegt ist.
Auch wenn es von der guten Marschfahrt bei 4.000 Umdrehungen höher geht bis auf 5.500 U/min, hat der Außenborder des Typ Suzuki DF genügend Reserven, um das Tempo noch einmal zu steigern zu können. Es ist die Maximalmotorisierung. Wir fliegen über den leeren See, trimmen kurz nach und steuern in weitem Bogen Richtung Lindwerder.
Übersetzer zwischen Willen und Wellen
Während wir mit dem kompakten Kajütboot nach Süden Richtung Wannsee unterwegs sind, zeigt sich die Ranieri Shadow 19 ausgesprochen gutmütig und feinfühlig. Feinfühlig deshalb, weil der Suzuki-Steuerhebel sehr gut anspricht und auch der Trimm ein Kinderspiel ist. Nicht mit jedem Standard-Steuerhebel – immerhin der Übersetzer zwischen Willen und Wellen – lässt sich ein kleines schnelles Boot differenziert und punktgenau steuern.
Die Ranieri 19 Shadow im Überblick, gesehen von einer Garmin Virb 360
[wpvr id=“45540″]Auf unserem Testboot stimmt das Mensch-Maschine-Interface, und das ist auch wichtig. Denn gehen wir bei sehr hoher Geschwindigkeit scharf in die Kurve, entwickelt sich doch eine Zentrifugalkraft, die etwas Übung vom Fahrer verlangt. Das erinnert doch ein kleines bisschen an den Ritt auf der Kanonenkugel – und es macht großen Spaß. Aber, wie schon häufig gesagt: Wer macht das schon – außer ein Bootstester?
Die Kunst des Trimms
Apropos „Wer macht das schon“: Die meisten Freizeitkapitäne können nicht richtig trimmen. Das ist etwas, was sich mit diesem kaum sechs Meter langen Boot und dem doch recht starken Motor sehr gut üben lässt: den Motor im richtigen Winkel bringen. Wer es kapiert, bei dem kavitiert auch nix, dreht der Propeller also auch bei enger Kurvenfahrt nicht frei.
Noch einmal nehmen wir uns das Handling vor, ziehen kleine und immer kleinere Kreise. Die Ranieri Shadow 19 dreht wie selbstverständlich auch buchstäblich auf dem Teller. Wir stoppen auf und liegen still, aus der Entfernung sind Kinderstimmen am Ufer zu hören. Was hören wir noch, während der Suzuki DF mit 700 Umdrehungen im Leerlauf läuft?