Festrumpfschlauchboote sind schnell, wendig, robust. Dass viele RIBs etwas schlicht wirken, hat ihre Nutzer nie gestört, den die praktische Brauchbarkeit überlagerte alles. Wer fragt bei einem Dosenöffner schon nach Design? Dass es auch anders geht, zeigt jetzt Zodiac Nautic mit der neuen Zodiac Medline 9: Es ist das erste Festrumpfschlauchboot mit modischem Anstrich – und damit gewissermaßen „RIB Couture“. Wir unterhielten uns mit Produktmanagerin Fanny Revert per Videokonferenz über das neue Konzept.
Zweifarb-Kombinationen
Bereits die Farbgebung des neuen Boots, das wir eigentlich Ende März in Frankreich, vorm allgemeinen Lockdown in Europa, testen wollten, fällt auf: Die klassische Bicolor-Ausführung mit weißen Wülsten und hellgrauem Gelcoat zeigt deutlich, dass es hier nicht allein um Zweckmäßigkeit geht. Es gibt die Schläuche auch in mattschwarz, doch die Zweifarb-Masche hält Zodiac mit Esprit durch. Alle Farb-Kombinationen wirken geschmackvoll und bieten einen echten Aha-Effekt.


Das Design von Deck und Sitzen in zweifarbig abgesetztem „Cayenne“-Rot setzt einen weiteren eleganten Kontrast. Wahlweise können diese Elemente auch in einem blaugrünen Farbton namens „Fjord“, einem hellgrauen „Soft“ und dem cremefarbenem „Lounge“ bestellt werden.
Es ist nicht schwer zu erraten, welche kleine Revolution der französische Hersteller Zodiac Nautic mit diesem Konzept anstrebt: eine dauerhafte Verbindung zwischen Spaß und Vernunft. Neue Zielgruppen rufen! „Wir wollten im Vergleich zu unseren bisherigen Booten einen großen Sprung nach vorn machen“, sagt Produktmanagerin Fanny Revert gegenüber float.
Eine „neue“ Zielgruppe
Dafür hat Zodiac eigens die Agentur DEMS beauftragt, deren Tochter Sarrazin Design in der Yachtbranche als Hausagentur von Beneteau reichlich Erfahrung beim Gestalten von Booten sammelte. Die Experten für Gestaltung haben den gesamten Konstruktionsprozess begleitet.

Natürlich blieb es bei der neuen Zodiac Medline 9 nicht bei ein paar gefälligen Farbkompositionen. Das gesamte Boot, das auf demselben Festrumpf basiert wie die Medline 850, ist im Decksbereich komplett neu gedacht. Dafür hat sich das Unternehmen auf eine relativ neue Kundengruppe konzentriert: Frauen.
Wie jetzt? Dazu sagt Produktmanagerin Fanny Revert: „Wir wollten ein echtes Familienboot anbieten.“ Und da führt kein Weg an weiblichen Kunden vorbei. „Frauen wollen heute selbst fahren, aber sie schätzen auch Sicherheit für sich und die Familie.“ Und sie entscheiden beim Kauf mit, meist haben sie sogar das letzte Wort. Auf den letzten Bootsmessen habe sich das immer deutlicher gezeigt, bestätigt Fanny Revert. Auch die eigene Marktforschung bewegte Zodiac zu diesem Schritt. Sie brachte ein weiteres, gewichtiges Argument: „Frauen legen mehr Wert auf Schönheit und Design.“

Angepasste Cockpit-Höhe
Offenbar legen Frauen auch Wert auf gewisse Details: So hat die Medline 9 besonders viele Haltegriffe für mehr Sicherheit an Bord bekommen. Dazu gibt es zusätzliche Staufächer und weichere Sitze aus dem hochwertigen Batylin-Gewebe des Labels Serge Ferrari. Letzteres soll sehr haltbar sein, auch unter dem gnadenlosen UV-Licht des Südens.
Was macht außerdem den Unterschied? „Schauen Sie mich an“, sagt Fanny Revert. „Ich bin 1,65 Meter groß und habe auf traditionellen Booten Probleme, durch die Frontscheibe zu schauen.“ Also hat Zodiac beim Design der Medline 9 darauf geachtet, dass das Cockpit nicht zu hoch baut.
Sitzgruppe leicht erhöht
Ein weiterer Gewusst-wie-Punkt ist die Sitzgruppe im Heck. Sie wurde leicht erhöht, so dass die Passagiere ohne aufzustehen das Geschehen auf der Bug-Sitzgruppe verfolgen können. Ideal ist das für Eltern, die während der Fahrt ein wachsames Auge auf ihren Nachwuchs werfen wollen, ohne dabei selbst aus dem Gleichgewicht zu geraten.
Weitere Details folgen dem Sicherheits-Gedanken: Die Bug- und die Hecksektion sind ohne Hechtsprünge gut erreichbar. Es gibt, anders als der von uns letztes Jahr getesteten Zodiac Medline 7.5, eine Kabine mit ausbaubarer Koje und einer Nasszelle samt Toilette. So lässt sich auch ein ganzes Wochenende an Bord verbringen. Sogar eine Kochnische (mit optionalem Herd) inklusive Waschbecken ist vorhanden. Zur Grundausstattung gehören außerdem acht Becherhalter und sechs USB-Steckdosen. „Ein Boot für die ganze Familie“, lautet der Zodiac-Claim dazu – auch für die Jugend, die mit sicherer Handy-Stromversorgung gelockt werden kann.

Steuert sich wie von selbst
Das neue Boot, so erzählt Fanny Revert mit leuchtenden Augen, hat bei den letzten Tests in der Biscaya eine hervorragende Contenance gezeigt: „Es steuert sich sozusagen von selbst.“ Durch sein relativ hohes Gewicht liege es hervorragend stabil und ruhig im Wasser. Die neue Medline 9 sei „das komfortabelste Boot, das ich je getestet habe“, so Revert. Die Französin lobt insbesondere die Gutmütigkeit im Handling.
Das Gemütvolle beschränkt sich nicht auf niedrige Geschwindigkeiten: Die Zodiac Medline 9 wurde bei Testfahrten im vergangenen Dezember mit zwei 350-PS-Außenbordern auf bis zu 55 Knoten beschleunigt. Das entspricht rund 100 km/h. „Normalerweise mag ich solches Tempo nicht, aber hier habe ich mich wie in einem Kokon gefühlt“, sagt Fanny Revert. Die Medline 9 sei „sicher wie ein Bunker“.

Sechs Boote pro Monat
Nachdem die Fertigung von Zodiac im französischen Toulouse und in Tunesien über einen Monat geschlossen war, wurde die Produktion jetzt zumindest in Europa wieder aufgenommen. Allerdings sind dort nur maximal 20 Freiwillige tätig, weniger als die Hälfte der Belegschaft. „Es ist im Moment sehr hart für uns: Je weniger Personal, desto weniger können wir produzieren“, sagt Revert. Sechs der knapp neun Meter langen Boote können pro Monat produziert werden, bisher sind 18 Bestellungen aufgelaufen. Die Lieferfähigkeit für diese Saison ist also noch gegeben.
In welche Richtung die Reise für das Traditionsunternehmen gehen soll, signalisiert auch die an Autohersteller erinnernde Liste der Extras: So ist für rund 7.500 Euro ein „Comfort Pack“ im Angebot. Es enthält unter anderem Kühlschrank, Wasserskimast und eine Audio-Anlage mit vier Lautsprechern. So wird die Medline 9 zum Partyboot.
Mit dem „Sportpack“ (ab rund 8.800 Euro) erhält die Zodiac Medline 9 am Überrollbügel eine Doppel-Bimini, im gleißend hellen Süden ist das eine sinnvolle Ergänzung. Auch Navigationshilfen und zusätzliche Haltegriffe sind optional bereits im Katalog bestellbar.

Kooperation mit Petestep
Das Boot entspricht hinsichtlich dem Unterwasserschiff dem Vorgänger Medline 850. Es soll an die Zodiac-RIBs 75, 60 und 63 anknüpfen: „Diese große Erfolge wollen wir wiederholen“, so Fanny Revert. Die 2019 von uns getestete Medline 7.5, ein Familienboot für Mittelmeer und Metropolen, deutet schon den Weg an, den Zodiac nun mit der Medline 9 konsequent beschritten ist.
Damit hat der französische Hersteller sein Pulver allerdings noch nicht verschossen: Kürzlich gab Zodiac eine Kooperation mit dem schwedischen Rumpfdesigner Petestep bekannt, dessen Konstruktionen fühlbaren Fortschritt hinsichtlich der Geschwindigkeit wie auch des Komforts für die Mitreisenden versprechen. Den nächsten Schritt hin zu noch mehr Komfort bedeutet die Kooperation mit dem deutschen E-Motorenbauer Torqeedo: Dank dessen elektrischer Antriebe gibt es mit dem Avon eJet 450 den ersten RIB-Tender für größere Yachten mit laut- und geruchslosem Antrieb.
Technische Daten Zodiac Medline 9
Länge: 8,90 m
Breite: 3,06 m
Gewicht: 1.850 kg
CE-Kategorie: B (küstenferne Gewässer)
Maximale Passagierzahl: 8 Personen (in CE-Kategorie C: 20)
Motorisierung: Außenborder mit maximal 2 x 350 PS
Preis: ab 77.350 Euro