Riesen sagt man ein sanftes Gemüt nach. Doch durch ihre Kraft und schiere Größe können sie ihr Gegenüber leicht verschrecken. Dass Giganten auch elegant und zuvorkommend sein können, erfuhr ich bei der Begegnung mit der fast 15 Meter langen Tecnorib Pirelli 50. Das neueste und größte Boot des italienischen RIB-Herstellers lernte ich, samt Vätern und Familie, in Genua an der ligurischen Küste kennen – ein Riesenvergnügen auf bewegter See.
Für wen ist ein Sportboot mit 50 Fuß Rumpflänge gemacht? Wir fragen Werftchef Gianni de Bonis. Er hält sich in seiner Einordnung alle Optionen offen: Sowohl als Superyacht-Tender oder Chaseboat wie auch für streckenmäßig mittellange Törns sieht der Werftchef das Boot für gerüstet. Ansonsten ist es – und das dürfte die häufigste Anwendung sein – ein reines Spaßboot, das sich für einen Tag auf dem Wasser großartig eignet. Typisch Tecnorib eben.
Rennboot oder Familienschiff?
Wir sprechen mit Ted Mannerfelt. Der schwedische Produktdesigner ist eigens für den Test nach Genua gekommen. Er konstruiert und gestaltet seit Jahrzehnten zusammen mit seinem Vater die RIBs für Tecnorib. Neben dem gefälligen Äußeren macht seiner Ansicht nach vor allem der in Rennbooten erprobte Stufenrumpf das Schiff zum Mix aus Racer und Familienschiff.

Wie viele Personen zum Sonnenbaden gleichzeitig an Bord gehen können, lässt sich kaum durchzählen. Die Auflösung: 14 Personen finden auf der Tecnorib 50 gleichzeitig Platz. Es gibt nicht nur im hinteren Bereich mehrere Bänke und Sitzgruppen, sondern gleichermaßen auch im Bugbereich. Hier streckt sich uns eine unendlich groß wirkende Liegefläche entgegen.
Nichts zum Fremdeln
Wenn du an Bord eines RIBs üblicherweise fremdelst, dann ist dies dein Boot. Fliehkräfte, sichere Bordwandhöhen, „Auslauf“ auf dem Deck – das alles löst die Tecnorib Pirelli 50 zur besten Zufriedenheit. Die Bordwände sind sehr hoch, das große Hauptdeck entsprechend tief konzipiert. Als Walkaround ist der große Fahrstand mittig so platziert, dass rechts und links der Durchgang zum Bug jederzeit möglich ist. Handgriffe an den richtigen Stellen sorgen für ein gutes Gefühl auch bei hohem Tempo.
Hinter den Sitzen des überdachten Fahrstands liegt die Außenküche, mit einer für mich spannenden Erkenntnis: Die Gestaltung von vorn nach hinten – Fahrstand, querlaufende Pantry, Sitzgruppen – entspricht den Zonen der ähnlich großen, ansonsten aber grundverschiedenen Invictus 460. Während bei der Invictus ein großer schwarzer Pylon ein schweres T-Top trägt, wirkt die Dachlinie bei der Pirelli 50 leicht und in der Silhouette wie eine Welle.
Geschützt unterm Wellendach
Das „Wellendach“ ist mehr als nur das Erkennungszeichen für alle Pirelli-RIBs. Der gesamte Fahrstand ist mit dem von Mannerfelt Design aus Schweden gestalteten Boot auch winddicht. Fahrtwind kommt nur seitlich an die Steuercrew. Und das ist gut so. Denn bei hohem Tempo ist selbsterzeugter Wind im Gesicht nicht nur angenehm.

Das helle Dach reicht von der Frontscheibe über den Fahrstand bis hinter die Pantry. Dahinter folgen das riesige Achtercockpit, die Badeplattform und die beiden V12-Motoren von Mercury Marine. Die Motoren mi 7,5 Liter Hubraum, die Mercury im letzten Herbst vorgestellt hat, sind tatsächlich flüsterleise.
Integration, das Thema der Stunde
Am Fahrstand selbst zeigt sich, warum auch Motorenhersteller Mercury Marine und Elektronikspezialist Navico (der für das Simrad-Display verantwortlich zeichnet) mit ihren Teams in Genua vor Ort sind. Die Integration der beiden Firmen – inzwischen gehören beide zu Brunswick – zeigt sich hinter den Kulissen, wenn Motor und Steuerung miteinander sprechen.
Das verbaute Simrad-Display NSS 16 evo 35 gehört zum Schnellsten, was der Produzent zu bieten hat. Es verarbeitet die per Mercury VesselView übertragenen Motorendaten der beiden V12-Maschinen und integriert sie nahtlos in die Anzeige. Virtueller Anker, Langsamfahrt, Optionen für Radar, Sonar, Navigationsdaten und Musik – alles ist integriert.