Schon jetzt lässt man sich die Option offen, von einer Technologie zur nächsten zu springen: An Bord der AidaNova wartet ein leerer Raum auf zukünftige Verwendung. Das geheimnisvolle Quartier, das ungefähr die Größe von drei Kabinen einnimmt, könnte schon in wenigen Jahren eine Brennstoffzelle beherbergen. Auch der Platzbedarf für einen Landstromanschluss ist bereits eingeplant. Wann das sein wird, ist noch offen. Bisher funktioniert die neue Technik besser, als es erwartet wurde.
„Die Lady hat sich bisher nicht geziert“
„Die Lady hat sich bisher nicht geziert“, sagt Kapitän Vincent Cofalka. Der Österreicher, der lange Jahre auf Frachtschiffen seine Sporen verdient hat, strahlt Zufriedenheit aus. Im Ansprechverhalten seien die Gasmotoren etwas träger, daher kann für Notfälle Diesel eingespritzt werden. Das sei bisher nur in einer Handvoll Fällen notwendig gewesen.

Auf See fährt zu „nahezu 100 Prozent“ der Autopilot. Cofalka hat daher Zeit zur Repräsentation – das ist auf einem Kreuzfahrtschiff nicht zu unterschätzen – und zur Dokumentation. Im Hafen ist dann wieder menschliche Navigationskunst erforderlich. Per Joystick lässt sich das Schiff über die „Pod“ genannten Propellergondeln – die eAidaNova hat keine Wellenanlage – und Bugstrahlruder minutiös genau manövrieren.
Vier mal so viel Windangriffsfläche wie ein Windjammer
Trotz dieser hoch präzisen Hilfsmittel ist das Anlegen eine kleine Meisterleistung – vor allem bei Starkwind. Die gewaltige Fassade der AidaNova bietet Böen eine gewaltige Flanke. „Sozusagen 15.500 Quadratmeter Segelfläche“, sagt Cofalka lächelnd. Zum Vergleich: Die „Gorch Fock“ hat weniger als ein Fünftel Tuch. „Die letzten 200 Meter an die Pier fahren wir maximal zwei Knoten.“ Kein Kinderspiel, denn selbst auf der Nock sieht Cofalka den Rumpf nicht komplett. Er muss sich per Kamera orientieren.
„Wenn ich in die Brennräume schaue – alles sauber“
LNG ist zwar mehr als ein Viertel teurer als Schweröl – aber an anderer Stelle spart der Reeder mit dem alternativen Kraftstoff: „LNG verbrennt fast rückstandsfrei“, sagt Chefingenieur Blohm. Er zeigt nach unten: „Wenn ich in die Brennräume schaue – alles sauber.“ Was man von Schweröl nicht gerade sagen kann. Es liegt auf der Hand, dass eine Erdgas-Maschine auf die Dauer weniger Wartung benötigt und länger hält. Wie lange? Das weiß heute noch niemand. Erst sei wenigen Jahren sind ein paar Schiffe mit LNG-Antrieb unterwegs, das größte ist die AidaNova.
Neun weitere LNG-Schiffe sind bei der Werft bestellt
Doch sie wird nicht lange allein bleiben: Der Kreuzfahrt-Konzern Carnival Corporation, Mutter von Aida Cruises, hat bereits neun weitere Schwesterschiffe der AidaNova bestellt – alle mit LNG-Antrieb. Und auch von anderen Reedern wurden bereits neue Einheiten geordert. Bald werden Kreuzfahrtpassagiere mit Nachhaltigkeits-Sehnsucht also mehr als nur ein Schiff zur Auswahl haben. Hurtigruten rüstet sechs Schiffe von Schiffsdiesel auf Erdgas um. Einziges Manko: Spektakulär an der Technologie ist nur ihre Unauffälligkeit – man bemerkt sie, indem man sie nicht bemerkt. Aber das hat ja sein Gutes.“
„Das wird kommen“
Aus dem Maschinenraum fahren wir zurück zum Leitstand. Beim Abschied die Frage an den Praktiker: Ist das skalierbar, werden eines Tages alle Schiffe so unterwegs sein? Chefingenieur Sven Blohm schaut ins Weite. Vor seinem geistigen Auge scheinen die Flotten der Zukunft vorbei zu dampfen. Er wirft in Sekundenbruchteilen einen prüfenden Blick in jede der imaginären Maschinen. Dann nickt er bedächtig: „Das wird kommen – auch Brennstoffzellen.“