Alles zurück auf Start: Nach fast sechs Jahren der Restaurierung – die stellenweise einem Neubau glich – hat die Marine ihr Segelschulschiff „Gorch Fock“ mit Dschingderassabumm in Kiel willkommen geheißen. Nun liegt sie wieder im alten Marinehafen an der Tirpitzmole, die zeitgleich mit der Wiederindienststellung in Gorch-Fock-Mole umbenannt wurde. Deutschland hat seinen „Botschafter in Weiß“, Kiel sein Wahrzeichen wieder. Und das wurde durchaus registriert: Tausende Schaulustige an der Förde hießen die Gorch Fock willkommen.
Schon vor dem Leuchtturm Kiel begleiten mehr als ein Dutzend Yachten die Gorch Fock in die Förde, tuten und lassen die Nationale flattern. Auf dem Marinegelände sind wie zu alten Zeiten Geschütze aufgefahren, die der Heimkehrerin mit 20 Schuss Salut lautstark den Gruß entbieten.
Das Teakholz kommt aus unklaren Quellen
Auch Kritiker des Projekts sind vor Ort auf der Förde: Aktivisten der Umweltorganisationen WWF, Robin Wood, Deutscher Umwelthilfe, Urgewald und des Holzsiegels FSC werfen dem Verteidigungsministerium vor, bei der Sanierung Umweltschutzvorschriften missachtet zu haben. So soll unter anderem Teakholz aus nicht nachhaltiger Holzwirtschaft verbaut worden sein.
„Ich freue mich auf eine Berichterstattung, die fair ist“, beginnt Kapitän Nils Brandt, der spürbar mit dem Schiff und seiner Mannschaft eng verbunden ist, seine Ansprache nach dem Anlegen. Was er damit meint: Angesichts vieler Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten beim Bau – eine Werft ging sogar pleite – feuerte die Presse im Laufe der Zeit einige Breitseiten auf die Gorch Fock ab. War das unfair? Traditionell ist das Segelschulschiff der Marine zwar unbewaffnet, also wehrlos. Andererseits müssen Fehler und Mauscheleien benannt werden.
Brandt, der die sechs Jahre an Land ausgeharrt hat, freut sich aber vor allem über das neue Schiff, das ihm und seiner Stammbesatzung nun wieder geschenkt wird: „Ein überwältigendes Gefühl, heute auf dem Wasser mit dabei zu sein.“ Offiziell kehrt die Gorch Fock nur „aus der Instandsetzung zurück“ – ein Understatement angesichts einer Investition von 135 Millionen Euro. Tatsächlich ist der Marine-Oldtimer, der 1958 in Dienst gestellt wurde, zu 80 Prozent neu.
Nieten nur bis zur Wasserlinie
Neu sind unter anderem auch exakt 11.372 Nietköpfe: Im Ursprungszustand hatte die Gorch Fock genietete Stahlplatten. Bei der Sanierung waren sie verschwunden, weil der Rumpf nun in moderner – und stabilerer – Schweißtechnik entstand. Kurzerhand entschied man sich, „Fake“-Nietköpfe aufzuschweißen. Zum Stückpreis von 75 Euro.
„Zum Glück nur noch bis zur Wasserlinie“, beeilt sich Käpt’n Brandt zu sagen. Und ergänzt: „So sind wir auch ein bisschen schneller geworden.“ Tatsächlich ist die Restaurierung auch eine Schlankheitskur. Fast 20 Tonnen leichter ist die GoFo, so der Name im Marine-Slang, durch diverse Umbauten geworden. Mit dem Seeverhalten war der Kommandant bereits bei der Überführung von der Werft sehr zufrieden. Änsonsten sieht das Schiff so aus wie auf dem alten Zehn-Mark-Schein von 1963.
Nur noch schöner, wie die Bundesministerin für Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer, bei der Begrüßung hervorhebt. Auch sie geht auf die Pannenserie ein: „Trotz Höhen und Tiefen – mehr Tiefen bei dem Fast-Neubau: In diesem Schiff steckt so viel Tradition, so viel Emotion, so viel, auf das wir gemeinsam stolz sein können, das sollten wir uns als ein reiches Land leisten können.“

Dass die Gorch Fock nun wider Erwarten schwimmt, seetüchtiger als je zuvor, „zeigt eben auch, wie sehr das Land, die Menschen und die gesamte Bundeswehr mit diesem Segelschiff verbunden ist“.
Die Schinderei auf Deck bleibt
Wobei die meisten Ex-Mariner zu ihrem Segelschulschiff eine zwiespältige Beziehung haben: Die Schinderei an Bord wird 2022, wenn die ersten Kadetten wieder auf Ausbildungstörn gehen, nicht anders sein als 1958 – und in den vorherigen hundert Jahren auf jedem Großsegler. Denn auch auf der Gorch Fock 2.0 ist fast ausschließlich Handbetrieb angesagt.