Im Sommer waren wir Best of Boats-Juroren von Sea Ray zum Test-Event nach Porto Cristo auf Mallorca eingeladen, um die neuesten Boote von Sea Ray zu testen. Im Hafen liegen, neben der Sea Ray SLX 250 aus dem Vorjahr, die frisch vorgestellten Motorboot-Modelle: eine SLX 310, die neue Sea Ray SPX 230 und die Sea Ray Sundancer 320, deren neues Konzept wir am spannendsten finden. Bereits angekündigt ist die Sea Ray 290, die auf der boot Düsseldorf 2018 als Weltpremiere zu sehen ist. Der ideale Zeitpunkt also, einen Blick auf das extrem erfolgreiche größere Schwestermodell Sea Ray Sundancer 320 zu werfen, das in Deutschland unter anderem von Boote Pfister angeboten wird.
Alle wollen Multifunktionales
Ich sitze mit Marcel Rijnbeek, dem Europa-Verkaufschef von Sea Ray, am Steg vor der Sundancer 320 und lasse mir das Konzept dieses 2017er-Modells erklären. „Die Sundancer 320 ist etwas völlig Neues“, schwärmt Marcel, „so etwas hat vorher noch keiner gemacht.“ Seit der Finanzkrise, immerhin fast ein Jahrzehnt her, hat sich im Bootsbau viel verändert. Die Kunden haben andere Ansprüche, sie sind weniger lange mit dem Boot unterwegs – und die traditonellen Cruiser-Modelle sind nicht mehr so populär.
Die Menschen, also auch Bootsfahrer, haben heute weniger Zeit und pflegen mehr als nur ein Hobby. Das thematisiert auch Marcel: „Deshalb reichen Sportboote für die kurze Zeit, die Kunden neben anderen Aktivitäten auf dem Wasser verbringen, völlig aus.“ Die US-Werft führt Kundenbefragungen durch und findet so heraus, was potenzielle Nutzer sich wünschen. „Mit diesem Wissen haben wir das neue Konzept entwickelt. Die Sundancer ist ein Sportboot und ein Weekender in einem, für Spaß mit der Familie. Außen ein Sportboot und innen ein Cruiser.“

Europa hütet den Geist der US-Legende
Die Werft hat dabei einen wirklich guten Job gemacht. Das erste Sundancer-Boot, das vollständig in Europa entworfen und gebaut wird, ist optisch besser proportioniert als die bisherigen Modelle dieser Serie. „Bevor wir in Produktion gehen, bauen wir ein begehbares Modell mit den echten Proportionen und Maßen aus Holz und Karton, damit wir sehen, ob das Layout funktioniert und wie es wirkt.“ erklärt Marcel. „Wir laden dazu Händler und Kunden ein und holen deren Meinung ein. Erst dann bauen wir in Serie.“


Gespannt steige ich über die Badeplattform aufs Boot. Unter dem großen Doppelsofa, das fast die Hälfte des Achterdecks einnimmt, gibt es einen riesigen Stauraum, in dem alle Wasserspielzeuge leicht untergebracht werden können: Schlauchboote, SUP-Boards, Wassserskier – alles, was man so auf dem Wasser benutzen will. Man kann sein Equipment direkt am Einsatzort verstauen, ohne das Deck nass zu machen oder nach unten ins Boot zu klettern. Gut gedacht.
Was macht die Sea Ray 320 Sundancer aus?
Die Badeplattform lässt sich, falls man mehr Platz braucht, optional um 30 cm verlängern. Über eine kleine Stufe gehe ich über den breiten Durchgang aufs Deck. Löst man die Verriegelung der Rückenlehne des Hecksofas, lässt sich die Bank zur Seite schieben – und es öffnet sich der Raum zwischen Deck und Heck. Senkt man auch noch den Tisch ab und legt Polster auf, wird das gesamte Deck zur Sonnenliegelandschaft. Das überzeugt mich sehr, denn es ist gut gedacht und schön gemacht.

Ist die Besatzung hungrig, kann die Polster-Ebene leicht zum Essbereich zurückverwandelt werden. Gegenüber an Steuerbord sind ein großer Kühlschrank, eine Spüle und der Grill. Wer sich noch etwas zu essen warm machen möchte, kann das einige Schritte weiter tun. Dazu steigt man über drei Holzstufen in den offenen Salon. Links neben der Treppe befindet sich die Pantry mit einer Mikrowelle und einem sehr großen Kühlschrank.
Im Bug steht ein V-förmiges Sofa mit einem ebensolchen Tisch, der heruntergelassen werden kann und sich so zur Liegefläche verwandelt. So haben zwei Erwachsene bequem Platz zum Schlafen. Auf der rechten Seite unterhalb des Steuerstands schließlich liegt das mit Toilette und Dusche ausgestattete Bad.
Die Sea Ray Sundancer 320 ist als Weekender konzipiert, wo das Leben an Bord vor allem an Deck stattfindet. Die Erfahrung zeigt, dass auf Weekendern eher wenig gekocht wird. Deshalb wurde die Kochzeile nach oben verlegt und man hat so eine größere Pantry eingespart. Ich finde, es ist eine konsequente Lösung. Das schafft mehr Platz zum Sitzen und Liegen. Sea Ray hat, ähnlich wie Jeanneau bei der Cap Camarat 10.5, weitere Schlafplätze unter das Achterdeck verlegt.
Wie lang darf ein Wochenende sein?
Zwei getrennte Betten mit ordentlich Platz dazwischen und große Schränke in den Seitenwänden machen aus dem Raum eine gut nutzbare Möglichkeit zum Übernachten für Kinder und Freunde, die als Bordgäste zu Besuch sind. Eine Zwischenwand gibt es für diese Kajüte nicht, etwas Intimität schafft ein Vorhang. Dieses offene Konzept erzeugt ein großzügiges Raumgefühl und es lässt den verfügbaren Platz an Bord größer wirken.
Für ein bis zwei Nächte am Wochenende, für Kinder, die hier spielen oder schlafen oder auch für schlechtes Wetter ist das Boot unter Deck angemessen ausgestattet. Ein sehr zweckmäßig gedachtes Konzept, das auf Nutzer-Erfahrungen basiert.
Wegen der höheren und zentraleren Steuerposition als üblich ist die Sicht rundum wirklich gut, auch der Doppel-Fahrersitz ist sehr bequem. Nur die Beifahrerbank ist etwas zu niedrig angelegt, um auch im Sitzen einen guten Blick nach vorne heraus zu haben. Die Windschutzscheibe ist etwas höher als bei der ähnlich großen Sundancer 350, die ich vor zwei Jahren getestet habe. Der Vorteil des aktuellen Modells: Bei seitlicher Welle kommt kein Wasser mehr über, und man sitzt windgeschützter. Ausreichend Luft am Steuerstand gibt es trotzdem, auch über das Dachfenster.
Trimm dich von alleine
Frühere Sundancer-Modelle, die ich gefahren bin, brauchen eine Trimm-Anpassung. Die neue Sundancer 320 kommt ohne aus, auch bei rauer See. Optional kann man das Boot mit dem Axius-Antriebssystem nutzen, das das Manövrieren in den Yachthäfen noch einfacher macht.

Unser Test-Boot wird von zwei Mercruiser-Motoren mit 6,2 l Hubraum und einer Gesamtleistung von 600 PS angetrieben. Die Standardmotorisierung sind 2 x 250 PS, die stärkste Motorisierung für dieses Boot sind 2 x 350 PS. Alternativ zu den Außenbordern gibt es einen Diesel-Innenborder des Typs Mercury 3.0 TDI mit 260 PS. Ich bin mir sicher, dass die Fahrt mit 700 PS im Heck richtig viel Spaß macht, aber unsere 600 PS waren auch schon sehr unterhaltsam.
Eine Außenborderversion ist ebenfalls erhältlich, wie dieses Werft-Video zeigt:
40 Knoten Höchstgeschwindigkeit und mehr sind für ein zehn Meter langes Familienboot mehr als genug, denke ich. In wenig mehr als vier Sekunden ist die Sundancer 320 in Gleitfahrt. Die Marschgeschwindigkeit liegt bei 30 Knoten. Das Fahrverhalten unseres Testboots ist überzeugend. Schwer zu entscheiden, ob dieses eher ein Spaß- oder Familienboot ist.


Überraschung ganz vorne: drei große Sonnenliegensitze
Auf dem Vorschiff der neuen Sundancer 320 gibt es etwas Neues, dass ich so noch auf keinem Boot dieser Größe gesehen habe: drei große Sonnenliegensitze, mit stabilen Kopfstützen und Lehnen versehen, die auch während der Fahrt ein sicherer Platz sind. Ein passendes Tischchen befindet sich in einem speziellen Staufach nahebei. Das Vorschiff ist perfekt dafür gestaltet, auf dem Wasser zu entspannen. Für seine Größe bietet das Boot eine Menge Platz, verteilt auf drei sehr unterschiedliche Bereiche an Deck.
Die Sea Ray Sundancer 320 ist definitiv mein Sundancer-Favorit. Vor kurzem wurde das Boot auch nominiert als Finalist des Best of Boats Awards 2017, und zwar in der besonders heiß umkämpften Kategorie Family.
Das neue Konzept ist universell: Das Boot funktioniert perfekt als Familienboot und ist gleichzeitig hervorragend geeignet, um Spaß bei schneller Fahrt und aktivem Wassersport zu haben. Ich mag das Buglayout und die unterschiedlichen Bereiche, die gut durchdacht sind. All das macht aus der Sundancer eine gelungene Mischung aus Familienboot und offenem Sportboot.
Länge | 10 m | |
Breite | 3,25 m | |
Gewicht | 6.350 kg | |
Tank | 643 l | |
Wassertank | 121 l | |
Motorisierung | MerCruiser 4.5L MPI ECT Bravo III, 250 HP; MerCruiser 6.2L MPI ECT Bravo III, 300 HP; MerCruiser 6.2L MPI ECT Bravo III, 350 HP; Mercury 3.0 TDI Diesel Bravo IIIx, 260 HP | |
Grundpreis (01/2018) | ab 215.900 Euro |
Alle technischen Daten auf dem Hersteller-Datenblatt.