Bei der Ausführung mit Kielschwert sollten Kaufinteressenten den Kielkasten genauer untersuchen, insbesondere den Schwertbolzen. „Und auch Neptuns Schwert selbst hat über die Jahre mitunter an Glanz und Schärfe verloren“, so Böckmann. Hier sei mit Rost zu rechnen. Zumeist lasse sich das aber am ausgebauten Schwert bearbeiten.

Das viel gelobte Hubdach klemmt leider gern mal im Gestänge und der Stoff ist nach Jahrzehnten auch oft mürbe. Er lässt sich aber ersetzen, die Werft kann sämtliche Teile liefern. Auch auf undichte Fenster sollte man achten.
Individualität zählt
Ein Kennzeichen der Werft: Sie blieb in all den Jahren nah am Kunden. Entsprechend orientierten sich die Veränderungen an der Neptun auch immer wieder an den Bedürfnissen ihrer Klientel. So ist die heutige Neptun 22 kaum noch mit den damals produzierten Yachten vergleichbar. Nicht mehr hohe Stückzahlen sind das Maß aller Dinge, sondern seitens der Wert wird auf Individualität jedes einzelnen Schiffes Wert gelegt. So können alle heutigen Modelle abweichend von der Standard-Ausführung individuell vom Innenraum und Design gestaltet werden.

Nach wie vor wird wie einst im Standard die Dinette-Version angeboten oder individuell als L-Pantry mit Mitteltisch oder auch Langkoje. Außerdem mit oder ohne Hundekoje. Wenn ohne, mit Navigationsecke. Sogar ein See-WC mit Fäkalientank im abgetrennten WC-Raum ist möglich. Je nach Ausstattung könnten fünf Crewmitglieder unter Deck einen Schlafplatz finden. Wie bei allen Neptun-Modellen bietet die Werft auch bei der Neptun 22 ab Werk eine Heckverlängerung mit integrierter Badeplattform an.
Alle Neptun-Yachten hatten als Kielschwerter mit einem Tiefgang von 0,55 bis 1,05 Meter oder als Kielschiff mit 1,15 Meter bis dato einen gusseisernen Kiel. Als der Kunde nach einer leichteren Trailerbarkeit verlangte, wurde der Kiel aus GFK hergestellt. Besonderer Clou: Im GFK-Hohlkiel mit einem Tiefgang von nur 0,85 Meter ließen sich herausnehmbare Gewichte von 350 Kilogramm unterbringen. Das später eingebaute Balanceruder unterstützt die insgesamt gute Manövrierfähigkeit zusätzlich.
Kleinste Rennyacht der Welt?
Da sie vom DSV als Ein-Typ-Klasse anerkannt ist, zählt die Neptun 22 zu den kleinsten Rennyachten der Welt. In den Klassenvorschriften von 1986 heißt es, dass „die Boote so gleich wie möglich sind, was Form und Gewicht des Rumpfes und Decks, Form und Größe der Segel (…), welche die Leistungsfähigkeit des Bootes beeinflussen“, betrifft. Diese Aussage bezieht sich allerdings nur auf Boote, die am Regattasport teilnehmen wollten, und hatte keinen Einfluss auf den Freizeit- und Fahrtensegelsport.

An diese Bestimmungen haben sich dann den Eingeweihten zufolge auch alle viele Jahre gehalten. Bis Regattasegler anfingen, zum Beispiel die Fockschienen und Wanten nach innen zu verlegen oder lange Ruderblätter einzusetzen. Aufgrund der systematisch geduldeten, aber letztendlich kontraproduktiven Abweichungen von den Klassenregeln ließ die Regattatätigkeit der Klasse zusehends nach. Vorbei die Zeiten, als es stark besuchte Zentralwettfahrten der Neptun-Klasse gab: In den 1970er- und 1980er-Jahren fanden diese Wettkämpfe regelmäßig noch mit bis zu 25 Booten auf dem Dümmer und dem Steinhuder Meer, in Berlin und auf dem Großen Plöner See statt.
Die Klasse war auch erfolgreich auf anderen Revieren. Einer der erfolgreichsten Neptun-Segler ist auch Mitglied im PSV: Harald Friedrichs, 2. Vorsitzender der Klassenvereinigung, hat mit der Neptun 22 schon in seiner Startgruppe den Senatspreis der Elbe gewonnen, auch eine Yardstickregatta auf dem Steinhuder Meer mit rund 100 Booten war am Start. Oftmals siegten die 22er sogar beim Blauen Band der Schlei. Einige Teilnehmer aus der Klasse scheuten sich auch nicht, mit ihrer Neptun bei der berühmt-berüchtigten „Eisernen“ jeweils am 1. Adventwochenende vor Konstanz auf dem Bodensee zu starten.

Technische Daten Neptun 22
Länge: 6,80 m (Miglitsch) – 6,95 m (Backdecker)
Breite: 2,50 m (Backdecker)
Segelfläche: 26 qm
Gewicht: 1.600 kg (Kielboot), 1.250 kg (Kielschwerter)
Tiefgang: 1,05 m (Kielboot), 0,55 m (Kielschwerter)
CE-Kategorie: C (küstennahe Gewässer)
Urlaubsboot auf 22 Fuß Länge
Der Segler Rainer Millies gibt unumwunden zu, dass er seine Miglitsch heute noch hätte. Da er und seine Frau aber auch auf der Ostsee Fahrten unternehmen wollten, hat er sich schweren Herzens auch einen Backdecker (mit Hubdach) zugelegt. Hauptgrund: Er wolle sich nicht mehr gebückt anziehen müssen. Früher habe er die Backdecker ja nicht leiden mögen, die sich auch nicht so gut wie eine Miglitsch segeln würde. Die hätte viel mehr Jollenkreuzer-Eigenschaften. Ein Jollenkreuzer-Segler würde auf einem Backdecker wahnsinnig werden, teilt er Float mit.

Dass die Neptun 22 in Ascheberg und Plön ab 1970 so beliebt wurde, lag auch daran, dass die Klasse zu den ersten Kajütbooten gehörte, die wirklich kentersicher sind. Für viele Interessenten spielte die höhere Kentersicherheit beim Kauf oder Umstieg eine wichtige Rolle. Umsteiger kamen aus der Jollenszene oder von den deutlich empfindlicheren Jollenkreuzern. Als Nebeneffekt gab’s mehr Raum unter Deck, weil ja der Schwertkasten fehlte.
Nicht zu vergessen: Dank der Trailerbarkeit ist ein rascher Revierwechsel leicht und schnell gemacht. Der Mast ist ohne Hilfe bedingt durch die Topptakelung, vielleicht mit einer kleinen Taille, schnell gestellt oder gelegt. In der Neptun zieht man im Cockpit über ein kurzes Fall das Schwert hoch. So sind auch flache Reviere unterwegs bei einem Tiefgang von dann nur 55 cm des Kielschwerters leicht zu befahren.