Das Schicksal der Bark „Seute Deern“ ist besiegelt. Wie der Stiftungsrat des Deutschen Schifffahrtsmuseums mitteilte, wird das nach einem Wassereinbruch im August 2019 auf Grund gegangene 100 Jahre alte Schiff in naher Zukunft „zurückgebaut“. Der in Bremerhaven liegende maritime Klassiker, der als Touristenattraktion der Weserstadt gilt, wird also nicht in seinen Originalzustand versetzt, sondern schlicht abgewrackt. Ein „Rückbau“ für immer. Wieder ein Großsegler weniger.
Ein Gutachter-Konsortium hatte zuvor einen „konstruktiven Totalschaden“ festgestellt. Bereits im Februar hatte es an Bord gebrannt. Nach einem Wassereinbruch im August war die Bark gesunken – die Pumpen an Bord waren ausgefallen. Unter dem Einsatz starker Pumpen schwimmt die Bark zwar zwischenzeitlich wieder, ist aber nach wie vor vom erneuten Sinken bedroht. Seitdem ist die Süße ein Fall für die Gutachter.
Das Ergebnis des 50-seitigen Berichts ist im Detail verheerend: Sowohl die Außenhaut als auch der Kiel und der Unterraum sind zu 100 Prozent zerstört. Kaum weniger schlimm steht es bei den Spanten und Decksbalken – mit Verlusten von 82,5 Prozent. Im Ruderraum und dem Betriebsgang zu 75 Prozent.

Die aktuelle Sachlage sei „Gefahr im Verzug“, so Thomas Joppig vom Deutsches Schifffahrtsmuseum. Deshalb geht nun alles sehr schnell. „Zur Abwendung weiterer Gefahren sowie zu einer fachgerechten Demontage“, so der Beschluss, bittet der Stiftungsrat das Direktorium des Hafenbetreibers bremenports, „unverzüglich den Auftrag zu erteilen“, ein Konzept für den weiteren Umgang mit der „Seute Deern“ zu erstellen. Die „Seute Deern“ gilt neben der englischen „Cutty Sark“ in Greenwich als der letzte erhalten gebliebene große Frachtsegler aus Holz.
Ex-Museumsdirektor ist zerknirscht
Der Untergang des Schiffs im Museumshafen hätte nach Ansicht des ehemaligen Museumsdirektors Detlev Ellmers verhindert werden können, wäre das Schiff rechtzeitig aus dem Wasser genommen worden. „Das Schiff hätte längst in ein Trockendock gelegt werden müssen“, sagte der 81-jährige Schiffs-Archäologe schon Anfang Oktober der Nordsee-Zeitung.
„Mir ist bewusst: Das hätte alles auch während meiner Amtszeit passieren können“, so Ellmers, der das Museum bis 2002 geleitet hat. „Aber im Wasser sah das Schiff eben schöner aus“, zitiert die Website nwzonline.de den selbstkritischen Emeritus Ellmers im Interview mit der Nordsee-Zeitung.
Süß war das Leben der „Seute Deern“ nicht
Viele Jahre hatte der 1919 im US-Bundesstaat Mississippi erst als Gaffelschoner als Holz-Transportschiff gedient. „Elisabeth Bandi“ war der erste Taufname des traditionell in Holz gebauten Segelschiffs. 1931 wurde der Schoner nach Europa überführt und 1938 in Hamburg bei Blohm & Voss zur Bark umgebaut. Dort bekam sie eine Galionsfigur und auch den bis heute bekannten Namen „Seute Deern“, also „Süßes Mädchen“.


Süß war das anschließende Leben der Bark aber nicht. Es folgte eine Odyssee durch Europa – als Frachtsegler und als Ausbildungsschiff. Nach dem Krieg war die „Seute Deern“ kurzzeitig als Hotelschiff in Lübeck, dann eine schwimmende Jugendherberge in den Niederlanden und später als Restaurantschiff in Emden stationiert.
1966, rund ein halbes Jahrhundert nach dem Stapellauf, kam die Bark nach Bremerhaven, wo sie seitdem ihren Heimathafen hat. Auch dort war sie zunächst als Schiffs-Restaurant mit einem Liegeplatz im Alten Hafen eingesetzt. Kurz nach der Gründung des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven im Jahr 1972 verschenkte die Stadt die „Seute Deern“ der neuen maritimen Institution.
Seitdem gehörte sie zur historischen Museumsflotte. 2005 wird die Bark mit anderen Schiffen und Gebäuden des Museums unter Denkmalschutz gestellt. Ein Denkmal muss man pflegen – ein schwimmendes ganz besonders.

Ein Ende mit Ansage
Vor drei Jahren hatte es noch eine letzte größere Sanierung gegeben. „Die Seute Deern“ galt schon seit vielen Jahren als marode. Wie hätte es weitergehen sollen? Zunächst überlegte der Arbeitskreis „Rettet die Seute Deern“, das Schiff für 34 Millionen Euro in einer gläsernen Werft öffentlichkeitswirksam zu restaurieren.
Immerhin hatte der Bund, sonst eher glücklos mit großen Segelschiffen und lange Zeit über Kreuz mit Traditionsseglern, schon die Hälfte der Kosten zugesagt.
Nun wird es billiger. Die Abwrackkosten werden auf 2,5 Millionen Euro geschätzt. Dabei ist noch offen, wer die Kosten am Ende übernehmen wird. Sicher scheint aber, dass Teile des Schiffes, die noch einigermaßen gut erhalten sind, ins benachbarte Schifffahrtsmuseum wandern sollen. Darunter ist natürlich auch die Galionsfigur.
Die Presseerklärung der Stiftung liest sich wie eine Traueranzeige. „Die Seute Deern hatte wohl immer einen besonderen Platz in den Herzen vieler Bremerhavener und Gäste der Seestadt“, sagt Sunhild Kleingärtner, die Geschäftsführende Direktorin des Deutschen Schifffahrtsmuseums.
Ersatz wird gewünscht
Viele Einheimische wünschen sich jetzt ein Ersatzschiff, meldet die Nordseezeitung am Tag nach der Bekanntgabe der Abwicklung. „Die alte ,Alexander von Humboldt‘ – das wäre doch eine Idee“, schlägt der 73-jährige Robert Wille in einer Umfrage der Tageszeitung vor.
Gibt es da nicht noch die „Gorch Fock“, die nicht weit entfernt liegt und nach blauäugiger Finanzplanung und vermuteter Korruption bei Auftragnehmern nun ihrer Wiederherstellung entgegengeht? Könnte man sich nicht damit trösten? Das ehemalige Segelschulschiff der Deutschen Marine ist immerhin schwimmfähig.