Verkehrte Welt: Eigentlich werden moderne Yachten in den allerersten Wochen ihres irdischen Daseins längst nicht mehr im wortwörtlichen Sinne „auf Kiel gelegt“. Im Gegenteil, während der ersten Bauphasen am Rumpf liegt das Boot sozusagen über Kopf, respektive auf dem Deck.
Rümpfe lassen sich so besser aufbauen, der Kiel wird meist erst später angehängt. Und beim Verarbeiten von Aluminium kommt hinzu, dass sich die entsprechenden Rumpfplatten so besser verschweißen lassen. Zum Einbau des Motors und zum Innenausbau muss die Yacht anschließend in ihre normale Ausrichtung umgedreht werden. Eine Angelegenheit, die in vielen Werften mit Eigenmitteln mal eben schnell erledigt wird.
81 Meter um 180° drehen
Richtig spannend wird es bei dieser 180-Grad-Drehung um die eigene Achse, wenn man es mit Superlativen zu tun hat. Wie beim „Project 400“, der größten Aluminiumyacht der Welt, die derzeit in der Superyacht-Werft Royal Huisman in den Niederlanden entsteht. Sage und schreibe 81 Meter misst der metallisch glänzende, leere Rumpf des Schoners, auf den später noch drei Masten gestellt werden sollen.
Selbst in einer Werft wie Huisman, bei der Großes seit jeher Normalität ist, mussten für den Bau der „Project 400“ besondere Vorkehrungen getroffen werden. Die größte Fertigungshalle erhielt einen Anbau und dem Vernehmen nach wurden Dutzende Schweißer speziell für dieses Projekt eingestellt.
Für die spektakuläre Drehung des Rumpfes kamen schließlich vier Schwerlastkräne zum Einsatz. Zunächst wurde die Yacht kopfüber zu zwei Dritteln Bootslänge aus der Produktionshalle gerollt und von den Kränen angehoben. Danach mangels Platz im Werft-Vorhof – fein ausbalanciert – zu einem Drittel Bootslänge übers Wasser der angrenzenden Gracht gehoben, um schließlich in stundenlanger Feinarbeit gedreht zu werden. Bis spät in die Nacht dauerte die Aktion, wie das Huisman-Video detailgetreu darstellt.
Während der Rotation habe es keine Probleme gegeben, gaben die technischen Leiter des Projektes an. Mittlerweile wurde die Yacht – jetzt allerdings klassisch auf den (Stummel-) Kiel gelegt – wieder in die Werfthallen geschoben, um die nächsten Bauphasen zu beginnen: Einbau des Motors und vollständiger Innenausbau.
Zeitloses Design
Die Yacht wurde von einem asiatischen Eignerpaar bereits vor zwei Jahren in Auftrag gegeben und soll 2020 ihre Jungfernfahrt antreten. Auf besonderen Kundenwunsch verpassten die Designer bei der renommierten Agentur Dykstra Naval Architects der Project 400 eher zeitlose Formen und Linien. Man wolle auch in zwanzig Jahren noch modern wirken, lautete die Vorgabe der Eigner, als sie den Riss ihrer Traumyacht zum „Pitch“ ausschrieben. Worauf die Dykstra-Könner mit einem nahezu klassisch anmutenden Entwurf antworteten und den Zuschlag erhielten.
Aluminium als Rumpfmaterial ist übrigens dem Wunsch der Eigner geschuldet, die bei „Wildlife“-Expeditionen auch in arktische oder antarktische Gewässer vorstoßen wollen.
Der Innenausbau wird derzeit von Mark Whitley Design übernommen. Auch deren Ideen sollen stark von der Abenteuerlust der Eigner inspiriert sein, was sich Abenteuer-ungeübten Blicken nur schwer offenbart. Denn letztendlich glänzt hier erneut schierer Luxus, allerdings ebenfalls im zeitlosen Design.
20 Knoten Reisegeschwindigkeit
Während ihrer späteren Globetrotter-Törns werden die nicht namentlich bekannten, asiatischen „Project 400“-Eigner mit einer Reisegeschwindigkeit von 20 Knoten unterwegs sein. Das haben Schlepptank-Versuche bei Dykstra ergeben. Bis zu 12 Gäste können standesgemäß luxuriös auf der Project 400 untergebracht werden – streng getrennt übrigens von den Eigner-Räumlichkeiten. Und Platz für eine geschätzte 20-Personen-Crew wird sich bestimmt noch finden.
Wieviel Segelfläche der Dreimast-Schoner letztendlich tragen wird, ist noch nicht genau bekannt. Nur so weit: Die „Project 400“ wird die Panamax-Klasse erfüllen und darf somit den mitunter ja auch abenteuerlich anmutenden Panama-Kanal befahren. Bei 58 und in Ausnahmefällen 62 Metern möglicher Höhe wird der weltgrößte Alu-Schoner dennoch nicht untertakelt sein.