Niedliche 1,5 PS – mehr kommt nicht heraus aus der „Standuhr“, wie Gottlieb Daimlers Motor aufgrund seiner markanten Bauweise genannt wird. Doch die Kraftentfaltung mittschiffs ist hoch genug, um das 4,5 Meter lange Holzboot mit hohlem Knattern über den Neckar fahren zu lassen. Kaum schneller als eine Ente, aber fast von selbst. 135 Jahre ist es her, dass dieses erste Benzinmotorboot der Welt erfolgreich in Betrieb geht.
Am Ufer angekommen, wird die Maschine jedoch immer schnellstens abgeschaltet und ausgebaut: Niemand soll wissen, was hier am Werk ist. Keine leichte Sache bei ungefähr 60 Kilogramm Gewicht. Der vorsichtige Erfinder entscheidet sogar, sein Boot zu „tarnen“: Die „Neckar“ wird äußerlich mit Drähten und elektrischen Isolatoren garniert, um über ihren tatsächlichen Motor hinwegzutäuschen. Zufällige Beobachter sollen annehmen, sie besitze einen Elektroantrieb!
Daimlers Sohn Paul erinnert sich später: „Der Motor wurde bei diesem Boot täglich aus- und einmontiert. Mein Vater erklärte dazu: ‚Es läuft ölektrisch‘.“ Ist es Daimlers Angst vor der Konkurrenz, die nie schläft? Oder die Sorge um Anfeindungen aus der Nachbarschaft, die für seine oft lautstarken Experimente wenig Verständnis hat?
Möglicherweise will er auch vermeiden, dass eine Panik ausbricht: Benzin gilt in jener Zeit buchstäblich als brandgefährlich, niemand würde einen Motor damit betreiben. Das Wasserfahrzeug ist – nach dem „Reitwagen“, Urahn des Motorrads – der zweite Versuchsträger von Daimler.
Er funktioniert so zuverlässig, dass die Geheimniskrämerei bald beendet ist: Im Oktober 1886 meldet Daimler eine „Einrichtung zum Betriebe der Schraubenwelle eines Schiffes mittels Gas oder Petroleumkraftmaschine“ zum Patent an.
Ein Skandal macht Daimlers Bootsantrieb bekannt
Ein lokaler Skandal macht Daimlers Bootsantrieb schnell bekannt: Maybach stiehlt im Frühjahr 1887 einer Ruderboot-Regatta auf dem Main bei Frankfurt die Show, indem er effektvoll – und vermutlich luftverpestend – darum herumkurvt. Tatsächlich beschäftigt sich sogar die Frankfurter Polizei mit dem Vorfall.