Je irrer die Herausforderung ist, desto näher liegen Vision und Spinnerei. Ein nachhaltiger Schiffsantrieb, der nicht in die Ineffizienz alter Segeltage zurückfällt, ist eine ziemlich irre Herausforderung. Schon beim Dyna-Rigg-Konzept aus den späten 1960er-Jahren wunderte sich der Laie: Wie funktioniert ein drehbarer Mast mit Rahsegeln ohne Wanten und Stage? Wie soll man sich erst das Vindskip-Konzept für ein Hybridschiff aus den 2010er-Jahren vorstellen?
Ein Autofrachter, bei dem der Rumpf als Segel fungiert? Das ist wie ein Segelboot, bei dem permanent die Schoten dichtgeknallt sind. Optimal kann man so nur auf Hoch-am-Wind-Kurs segeln. Genau das ist aber das Konzept des Norwegers Terje Lade.
Über die Hälfte weniger Schadstoffausstoß
Seit 2010 trommelt der Ingenieur mit seiner Firma Lade AS für die spektakuläre Vision. Der 200 Meter lange und 47 Meter hohe Rumpf der Vindskip ist wie die Außenseite eines Segels gewölbt und erzeugt bei passendem Windeinfall Vortrieb. Die Wirkung soll ab einem Anströmwinkel von 18 Grad einsetzen und bis zu einem Winkel von 180 Grad, also auf plattem Vor-dem-Wind-Kurs, erhalten bleiben.

Mit konventionellen Segelerfahrungen kommt man hier nicht weiter. Bei einem Segelboot hätte man bei achterlichem Windeinfall weit gefiert. Wie effektiv das unfierbare Rumpfsegel achterliche Winde ausnutzen kann, gibt Terje Lade nicht an. Je unpassender (oder schwächer) der Windeinfall ist, desto stärker übernimmt der mit Flüssiggas befeuerte Motor, um bis zu 6.600 Autos übers Meer zu transportieren.
17 Knoten Reisegeschwindigkeit unter Segeln
Die Reisegeschwindigkeit ist auf 17 Knoten angelegt. Unter optimalen Bedingungen sollen so der Treibstoffverbrauch um 60 Prozent, der CO2-Ausstoß um 63 Prozent und der Stickoxid-Ausstoß um 96 Prozent verringert werden. Bei Schiffen, die ohne Windunterstützung mit Flüssiggas anstelle von Diesel fahren, fallen circa 20 Prozent weniger Kohlendioxid und 85 Prozent weniger Stickoxide an.
Die Vindskip würde also dank des Rumpfsegels dreimal weniger CO2 verursachen. Die günstigste Route erstellt eine Kursberechnungs-Software des Fraunhofer-Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen aus Hamburg, das 2015 bei der Vindskip an Bord gegangen ist. Auch der norwegische Staat fördert das Projekt.

Etwa 90 Prozent des Welthandels wird über die internationale Schifffahrt abgewickelt und die Tendenz ist steigend, seit unter Corona der Flugverkehr abgenommen hat. Da die Frachter mit Schweröl fahren, hat die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) ab diesem Jahr die Schwefel-Emission von 3,5 auf 0,1 Prozent im Treibstoff für bestimmte Gebiete gesenkt. Reedereien stehen so vor der Herausforderung, neue Konzepte zu entwickeln, um die strengeren Emissionsrichtlinien einzuhalten.
Vorschusslorbeeren seit zehn Jahren
Flüssiggas wie LNG entwickelt sich zum realistischsten Zukunftsantrieb, Wind ist die retro-futuristischste Alternative. Vindskip verbindet beide Prinzipien – auf eine schwer verblüffende Weise. Aber bei allen Vorschusslorbeeren will die Vindskip seit zehn Jahren nicht aus der Planungsphase herauskommen. Diverse Geldgeber und Partner kniffen vor dem entscheidenden Schritt.
Doch in diesem Oktober schnuppert Terje Lade Frühlingsluft. Die norwegische Marinetechnologiefirma Høglund Marine Solutions steigt als Mehrheitseigner bei Lade AS ein. Mit Høglunds Expertise wird das Projekt weiter auf den Punkt gebracht. Zusammen mit den Miteigentümern – und Stadt As, einem norwegischen Anbieter von Elektroantrieben – wird Høglund das LNG-Kraftstoffsystem, das Energiemanagement und die Automatisierungstechnik liefern.
Der Flüssiggas-Antrieb mit LNG wird um einen Elektroantrieb erweitert und macht Vindskip so zum Hybridschiff, das auch mit Biogas befeuert werden kann. Ein dynamisches Maschinenmanagement maximiert die Effizienz des Motors.

Høglund hat mehr als 500 Schiffe weltweit mit ihrer Automatisierungs- und Energie-Technik ausgestattet. Als Markenbotschafter würde eine gebaute Vindskip ein starkes Signal setzen. Aussichtsreicher war es für die Vindskip wohl noch nie, als Hybridschiff endlich vom Rechner ins Wasser zu kommen.
Beim Dyna-Rigg hat es fast 40 Jahre gedauert, bis es erstmals, auf der Maltese Falcon, realisiert wurde.