Ist es nicht paradox? Seitdem sich Erfinder, Techniker und Schiffsingenieure damit beschäftigen, möglichst schnell von A nach B zu gelangen, wollen sie mit allen Mitteln das nasse Element verlassen! Nicht im Wasser wird Geschwindigkeit erreicht, sondern auf oder knapp über dessen Oberfläche. Eine Tatsache, die logischerweise dem Wasserwiderstand geschuldet ist, denn der muss weitgehend überwunden werden, um schneller als die Konkurrenz durch, pardon: über die Wasser zu gleiten.
Vorläufiger Höhepunkt dieses Drangs zum Abheben sind die modernen Foil-Systeme, die vor allem im Segelsport bisher kaum für möglich gehaltene Geschwindigkeiten ermöglichen und nun auch den Motorwassersport in kleinen Schritten erobern.
Zurückerobern, müsste man eigentlich schreiben. Denn die allerersten Boote, die sich zumindest partiell über die Wasseroberfläche erhoben, wurden aufgrund der dafür benötigten Geschwindigkeit mit Motoren angetrieben. Um allerdings den Wasserwiderstand zu minimieren, entwickelte man bereits in der „Kinderstube“ des motorbetriebenen Wassersports Tragflügelsysteme, die bei steigender Fahrtgeschwindigkeit unter Wasser einen dynamischen Auftrieb erzeugen und Teile des Boots oder gar ganze Schiffe aus dem Wasser heben konnten und können.


Forlanini, Bell, Opel, Wankel!
So gelang es Enrico Forlanini bereits 1906, ein Motorboot mit Propellerantrieb auf Tragflügeln über die Wasser des Lago Maggiore schweben zu lassen. Es folgte der US-Amerikaner Bell mit erfolgreichen Prototypen, und schon 1927 raste Fritz von Opel auf seiner Opel II bei der „Trophée de Paris“ buchstäblich über die Seine. Er stellte mit über 50 Knoten einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf.
Die Liste der klugen und meist auch besessenen Köpfe, deren Boote sich mittels Tragflügeln oder Tragflächen über das Wasser erheben wollten, ist lang. Erstaunlich ist im Rückblick, wie viele weltberühmte Erfinder und Techniker sich mit dem Thema beschäftigten. Und ihren Ruhm und Erfolg doch letztendlich in ganzen anderen Bereichen begründeten.


So wie Felix Wankel. Der 1902 im badischen Lahr geborene und 1988 in Heidelberg verstorbene gelernte Verlagskaufmann war autodidaktischer Maschinenbauingenieur. Nach langen Forschungsjahren stellte er 1958 den ersten Drehkolbenmotor vor, der fortan seinen Nachnamen tragen sollte. Wankels neuartiger Motor nutzt einen Kolben, der in der Motorbrennkammer rotiert – den so genannten Kreis- oder Drehkolben, im Gegensatz zu den Hubkolbenmotoren, bei denen der Kolben eine lineare Bewegung vollzieht. Das Prinzip der Wankelmotoren wurde später in Fahrzeug- und Bootsmotoren eingesetzt. Sogar Rasenmäher werden mit dem laufruhigen Wankelmotor angetrieben.
Erste Prototypen als Torpedoträger
Dass der geniale Erfinder sich auch für die Fortbewegung auf und über dem Wasser interessierte und in diesem Bereich ebenfalls wegweisende, wenn nicht sogar bahnbrechende Erfindungen realisierte, ist dagegen weniger bekannt. Felix Wankel zeigte dabei regelrecht visionäre Züge, was beispielsweise ein Artikel im Magazin Spiegel von 1970 durchblicken lässt.

Felix Wankel war unter teils dubiosen Umständen während des Zweiten Weltkriegs für das NS-Regime aktiv (hierzu später mehr). Ab etwa 1940 – der genaue Zeitraum ist umstritten – entwickelte er unter anderem Gleitflächenboote, die als Torpedoträger eingesetzt werden sollten.
Der erste Prototyp erhielt den rasanten Namen Zisch 42 (benannt wohl nach dem Entstehungsjahr) und wurde 1945 auf dem Bodensee getestet. Die Zisch 42 nutzte zwar das Prinzip des Hydro-Auftriebs, war allerdings nicht mit Tragflächen, sondern mit quer zur Fahrtrichtung ausgerichteten Gleitkufen ausgestattet. Bei diesen Kufen lag die Oberseite des Profils bei voller Fahrt oberhalb der Wasseroberfläche. Das wiederum reduzierte erneut den Reibungswiderstand und erhöhte, individuell verstellbar, während der Fahrt den Kompressionsauftrieb. Zudem konnte so die Kavitationsgefahr reduziert werden. Eine Technik, für die sich übrigens die französischen Besatzungsmächte direkt nach dem Zweiten Weltkrieg brennend interessierten.


Entwicklung mit Auto-Pausen
Erst Mitte der 1960er-Jahre wurde Felix Wankel wieder in Sachen Gleitkufenboote aktiv. Mittlerweile hatte er es mit seinem Kreiskolbenmotor zu einigem Ruhm gebracht. Die Geschäfte liefen prächtig an, unter anderem mit dem Autohersteller NSU (hier erstmals in einem Serien-Fahrzeug) und mit Daimler. Damit war für Wankel das nötige Kleingeld vorhanden, um sich seiner „nassen“ Leidenschaft zu widmen, dem „Lieblingskind unter allen Erfindungen“ wie er es später einmal bezeichnete.
Auf der Zisch 71 brachte Wankel zwei hintereinander liegende, allerdings weiterhin quer zur Fahrtrichtung verlaufende Gleitkufen zum Einsatz. Dies hatte sich bei diversen Tests mit kleineren Modellen als nicht hinderlich erwiesen, zeigte nun aber in voller Bootslänge deutliche Probleme auf. Die Fahrt in dem Boot wurde von den Testpiloten als „bockig“ und „unbequem“ beschrieben, außerdem gab es in Kurven Stabilitätsprobleme. Immerhin war in dieser Zisch bereits der MarineRo135 Wankelmotor mit Turbolader eingebaut, der mit 200 PS richtig Druck machte.

Wankel konnte mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Er strebte eine „sanfte, über die Wasser gleitende Fahrt“ an, ohne dabei von seinem Gleitkufenprinzip abweichen zu müssen. Zahlreiche Versuche später stellte er schließlich eine simple wie gleichermaßen geniale Verbesserung des Zisch-Prinzips vor.
An der Zisch 74 waren die Gleitkufen einfach um 90 Grad gedreht worden. Sie hingen nun in Fahrtrichtung unter dem torpeedoförmigen Rumpf. Drei an Skier erinnernde, vergleichsweise kurze Gleitkufen waren backbords und steuerbords nebeneinander angebracht. Eine Variante, die bei Testfahrten auf dem Bodensee endlich die nötige Laufruhe ins Boot brachte, ohne dass dabei der gewünschte Auftriebseffekt verloren ging.
Die drei jeweils nebeneinander positionierten Gleitkufen bezeichnete der Erfinder als Spaltgleitflächen. Er habe sich, so Wankel, bei deren Konstruktion von den Flügelspitzen der Schnee-Eule inspirieren lassen. Diese ist wiederum für ihren besonders stabilen und nahezu lautlosen Gleitflug bekannt.

Der Wankel-„Gleitflug“ mag vielleicht ähnlich elegant ausgesehen haben wie bei der Schnee-Eule, von „lautlos“ kann bei den Testfahrten am Bodensee jedoch nicht die Rede sein. Die „Zisch 74“ wurde von einem Wankelmotor angetrieben, der von Mercedes Benz entwickelt und zur Verfügung gestellt wurde. Die Leistung dieses Renn-Aggregats drosselte man von 350 auf 250 PS.
Es blieb bei Hydrofoiling-Prototypen
Zu einem Serienbau reichte es für die Zisch 74 jedoch nie. Zu futuristisch sei das Design, zu anfällig die Technik, wurde in einigen zeitgenössischen Medienberichten behauptet. Zwar konnte Wankel mit seinen Kreiskolben-Marine-Motoren zumindest partiell Erfolge im Wassersport feiern, die Zisch blieb jedoch ohne kommerzielle Konsequenz.
Dies lag auch daran, dass die Zisch zwar auf den relativ ruhigen Gewässern des Bodensees erwartungsgemäß entspannt zu fahren war. Sobald jedoch ein wenig Wellengang einsetzte, lief die an einem Ausleger des Bootes angebrachte Schiffsschraube „ins Leere“ und „zog Luft“. Erst Jahrzehnte später, kurz vor seinem Tod, ließ Wankel testweise einen Wasserstrahlantrieb an der „Zisch“ zu.
Zudem sah sich der als „eigensinnig bis stur“ bekannte Erfinder mit massivem Widerstand seiner Nachbarn und Umweltschutzgruppen am Bodenseeufer konfrontiert. Wankel wollte eine Art Werft und Versuchszentrum für seine Zisch errichten, was letztendlich erfolgreich verhindert wurde.

Autodidakt ohne Führerschein
Überhaupt galt Wankel als „schwierige Persönlichkeit“. Wie bei vielen anderen seiner Generation, wird seine NS-Vergangenheit nie vollständig aufgearbeitet. Seine Version vom „NS-Widerstandskämpfer“, der in Gefängnissen geschmachtet hatte, wurde jedoch schon früh angezweifelt. Mittlerweile gilt als gesichert, dass Wankel bereits in den Anfängen der NSDAP Parteimitglied wurde und tatsächlich – allerdings aufgrund parteiinterner Quereleien – kurzfristig im Gefängnis saß. Bis Hitler höchstpersönlich veranlasste, dass Wankel wieder frei kam. Zu wichtig sei sein Erfindungsreichtum für die Wehrmacht gewesen.
Später engagierte sich der technische Autodidakt, der aufgrund starker Kurzsichtigkeit nie einen Führerschein besaß, vor allem als Tierschützer. Sein Vermögen im (geschätzt) dreistelligen DM-Millionenbereich ging in eine Stiftung über.
Wankel-Bootsmotoren wurden vor allem in den 1970er-Jahren in diverse Bootstypen eingebaut. Fast schon legendär ist die NSU Ro 80 Marine I und die Avenger. Vom Bootsmotor RO 135 Marine sind von NSU angeblich, so heißt es bei Oldiebootexperten, rund 3.000 Stück an Bootswerften ausgeliefert worden, bis VW die Produktion einstellen ließ. Felix Wankels „Lieblingskind“ Zisch ist in spezialisierten Museen wie Autovision (bei Hockenheim) und dem Technoseum in Mannheim zu bewundern.

Ein Kommentar
Sehr interessant! Inzwischen geht das elektrisch und mit nur 16 kW Leistung bei 20 Knoten!
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