Zehntausende alter Yachten und Boote müssen in den nächsten Jahren verschrottet werden. Die GFK-Rümpfe aus den 1970er-Jahren kommen jetzt in ein kritisches Alter, sind reif fürs Abwracken und damit fürs Recycling. Wirklich?„Mehr als 450.000 Boote ab Dinghi-Größe gibt es in Deutschland“, sagt Karsten Stahlhut, Geschäftsführer des Bundesverbands Wassersportwirtschaft BVWW, zu float. „Da schwimmt eine Menge Müll auf uns zu.“
Wie die Entsorgung dieser großen Abfallmengen aussehen soll, ist noch überhaupt nicht klar. Anfang 2022 hat der Verband der europäischen Bootsbauindustrie EBI angeregt, als ersten Schritt das EU-Recht anzupassen. Ende 2022 könnte schon die Umsetzung beginnen, wenn alles gut läuft.
Bisher gibt es weder in Deutschland noch in vielen anderen EU-Staaten ein System zur Zerlegung und Entsorgung von schrottreifen Yachten – float berichtete.

Das Problem: Motor- und Segelboote enthalten zahlreiche Materialien, die sich nicht ohne weiteres recyceln lassen. Vor allem GFK, also glasfaserverstärkter Kunststoff, fällt in großen Mengen an. Die Zerlegung der Boote verlangt teure Handarbeit.
Kein amtliches Register
Immer häufiger werden Schrottboote, die in Häfen, auf Industriegeländen oder am Straßenrand verrotten, zum Ärgernis. Da es kein Register für Bootseigner gibt, kann es Jahre dauern, bis die Eigentümer ermittelt und zur Entsorgung verpflichtet werden können. Müssen die Yachthäfen und Vereine die Entfernung zwischenfinanzieren, ist das eine heftige Belastung.
Und der schwimmende Müll trägt offenbar auch dazu bei, dass in vielen Yachthäfen keine Liegeplätze mehr zur Verfügung stehen. Können sich Oldie-Eigner die Entsorgung nicht leisten, lassen sie ihr Boot lieber in der Box verrotten, anstatt es zu entfernen und den Liegeplatz freizugeben. Das beklagen Segelvereine und Hafenbetreiber.
Es ist nicht klar, wer den Deckel zahlt
Beim Verband European Boating Industry arbeitet man seit kurzem mit der Europäischen Kommission zusammen, um das Thema voranzubringen. Zwei Hindernisse gilt es zu umschiffen: die letzte Reise, also den Transport vom Hafen zum Recycling-Unternehmen, und den Rückbau selbst.
Große Yachten ab acht bis zehn Metern Rumpflänge müssen Spezialfahrzeuge über Land verfrachten. Bei Überbreite ist zusätzlich eine Sondergenehmigung notwendig. Das verursacht hohe Kosten, die das Abwracken für die Eigner nicht besonders attraktiv machen. Die eigentliche Verschrottung ist ebenfalls noch weitgehend unreguliert. Es ist nicht klar, wer den Deckel zahlt.
Die Kategorie „Altboot“ in die europäische Abfallliste aufzunehmen, hat jetzt hat der technische Berater des spanischen Yachtbau-Verbands angeregt. Im nächsten Schritt sollte es möglich werden, fürs Recycling Sondergenehmigungn an Werften und andere Entsorgungsbetriebe zu vergeben.
Öko-Abgabe und Bootssteuer in Frankreich
Vorbild beim Boots-Recycling ist Frankreich. Hier sind Bootsbesitzer seit 2019 verpflichtet, ihr Altboot vorschriftsmäßig zu entsorgen. Zuständig für die Abwicklung ist APER, die Association pour la Plaisance Eco-Responsable. In zehn Jahren hat sie im Auftrag der französischen Yachtindustrie ein Verfahren entwickelt, um die Entsorgung zu standardisieren.

Jean-Paul Chapeleau ist Präsident der FIN und seit 2018 auch Vorsitzender von APER, der Öko-Organisation, die für die Verschrottung von Sportbooten zuständig ist. Für den Branchenverband FIN liegen große Aufgaben an, wie Jean-Paul Chapeleau selbst sagt. Die Wassersportbranche stehe „vor großen Herausforderungen des Übergangs, insbesondere im Umweltbereich“, erklärte er nach seiner Wahl zum FIN-Chef am 23. März 2022.

APER und die Altboot-Verwertung finanzieren sich aus einem Öko-Beitrag, den Werften für jedes neue Boot entrichten müssen, das sie in den Markt bringen. Das reicht von fünf Euro für ein kleines Schlauchboot bis zu 6.500 Euro für einen 20-Meter-Katamaran. Einen weiteren Obulus stellt die jährliche Bootstaxe dar. Sie errechnet sich mit einer Formel, in die unter anderem das Baujahr, die Bootslänge und die Motorleistung einfließen.

Jedes Boot in Frankreich mit einer Rumpflänge von mehr als sieben Metern und 22 PS ist steuerpflichtig. Allerdings handelt es sich nicht um reale Pferdestärken, sondern um Steuer-PS, die über eine komplizierte Formel bestimmt werden.
Eine 13-Meter-Segelyacht mit bis zu 50 PS starkem Hilfsmotor zum Beispiel kommt so auf 708 Euro im Jahr. In Deutschland gibt es bisher weder Steuern auf Freizeitboote noch ein zentrales Register, um eine Steuerpflicht ermitteln zu können.