Ich habe mir vor einigen Monaten einen Klassiker gekauft. Mein Traumboot sozusagen. Wer wie ich Holzboote lieber mag als GFK-Boote, findet viele interessante Klassiker auf Boots-Portalen im Internet. Alle haben Vor- und Nachteile. Bei vielen nimmt man eine lange Anreise auf sich ohne zu wissen, ob es sich lohnt.
Eines muss aber vorab klar sein: Klassiker brauchen liebende Hände, um sie zu erhalten. Das bedeutet mehr Arbeit als ein Kunststoffboot zu polieren. Die Arbeit am Holzboot kann jedoch viel Spaß machen und einen guten Gegenpol zum stressigen Bürojob bilden. Im Übrigen sind die Arbeiten, die gegebenenfalls an der Technik oder am Rigg auftreten, ganz ähnlich zu bewerten wie bei einer modernen Yacht. Entweder man kann es selbst, oder man lässt eine Fachfirma ran.
Voraussetzungen
Die reinen Lackierarbeiten, die zum Erhalt notwendig sind, nehmen nur zwei bis drei Wochenenden in Anspruch. Das Unterwasserschiff muss eh gestrichen werden. Dass man das Boot von innen und außen putzt, bevor die Saison beginnt, ist selbstverständlich – ob modern oder classic. Neue Baustellen erschließen sich, wenn man das Boot der Träume individuell anpassen möchte. Es fällt einem immer etwas ein, was verändert oder verbessert werden kann.
Um einen Klassiker zu halten, muss ich bereit sein, mir die nötige Zeit dafür zu nehmen. Ich muss einen guten Hallenplatz haben – unbeheizt, damit das Holz nicht austrocknet –, wo ich möglichst ungestört arbeiten kann. Wenn andere Holzboot-Liebhaber im Umfeld sind, macht die Arbeit mehr Spaß und man kann sich beim Kaffee austauschen.

An der Schlei gibt es einige solcher Winterlager: Oft mieten sich die Bootseigner übers Wochenende in Ferienwohnungen ein. Wichtig ist, dass die Familie mitspielt. Sonst ist Krach vorprogrammiert und man sitzt am Ende alleine auf dem hübschen Boot. Nicht jede Partnerin oder jeder Partner gibt der Schönheit eines Boots den Vorzug vor Wohnkomfort. Eine Toilette und eine Pantry sind dabei hilfreich.
Fragen bringen Licht ins Dunkel
Aber in welchem Zustand darf ich so ein Boot überhaupt kaufen? Das Beruhigende ist: Die meisten Holzbooteigner sind selbst Enthusiasten und freundlich. Sie würden keinen Schrott verkaufen und beantworten Fragen ehrlich. Manchmal verschließen sie aber auch die Augen und wollen den Verfall nicht wahrhaben.

Darum sind viele alte Holzboote auch vergleichsweise günstig. Oder die Eigner lassen sich herunterhandeln. Voreigner sind oft froh, wenn ihr Schätzchen in gute Hände kommt.
Unter Deck
Durchgerostete Kielbolzen kann man nicht erkennen. Trotzdem sollte man die Bilge sehr genau anschauen. Aber bitte nicht mit dem Messer überall herumstochern, lieber erst den Eigner fragen. Das geübte Auge erkennt rottes Holz. Daher immer einen kundigen Freund oder Freundin mitnehmen, manchmal ist man begeistert und übersieht wichtige Dinge.
Rott versteckt sich auch gerne unter Farbe. Vorsteven, Kiel und alle Holzverbindungen muss man möglichst genau anschauen. Gibt es offene Stellen, in die Wasser eingedrungen ist? Ist das Holz dunkel verfärbt oder gar weich?
Wasser muss draußen bleiben
Leckt Wasser durch Deck oder Kajüte? Gerne sollte man den Voreigner fragen. Er preist die Vorzüge seiner Yacht, aber hält sich natürlich bedeckt, was die Mängel angeht. Leckendes Süßwasser ist, wenn es sich irgendwo sammelt, für das Holz schädlicher als Salzwasser. Aber Wasser darf sich überhaupt nirgends sammeln. Manche Bilge ist farbig gestrichen, und man kann nicht gleich erkennen, wie es darunter aussieht. Vorsicht auch bei neuen Lackierungen, die kurz vor dem Verkauf aufgebracht wurden.
Man wird keine klassisch gebaute Holzyacht finden, bei der nicht etwas Wasser in der Bilge steht. Das macht auch nichts, solange das Holz gut konserviert ist, zum Beispiel mit IMP von Toplicht oder Owatrol D1. Diese penetrierenden alkydharzhaltigen Öle haben den Vorteil, dass man das Holz sieht und rechtzeitig erkennt, wenn sich Fäulnis bildet.
Auf stäbigeren Holzschiffen mit mehr Arbeitsschiff- als Yachtcharakter, wie zum Beispiel große Colin-Archer wird oft auch gerne Wurzelteer oder Leinöl (-Firnis) verwendet. Altbewährte Produkte, die das Holz ebenfalls sehr gut schützen und etwas preiswerter sind.Man erkennt an einer leicht speckig wirkenden Oberfläche, ob das Holz in der Bilge regelmäßig damit gestrichen wurde. Wichtig ist, dass überall für eine gute Durchlüftung und die Möglichkeit der Sichtkontrolle gesorgt ist.
Stahl im Schiff
Verbände wie Bodenwrangen und Decksknie sind oft aus Stahl. Verrostet oder verzinkt? Gute Farbgrundierungen wie Zinkfarbe oder Epoxydharz-Grundierungen halten hier den Rost in Schach. Auch Owatrol-Öl oder CIP mit Eisenoxyd sind gute Rostbremsen. Viele altbekannte Produkte wie RLS-Rot-Bleimennige oder BOB-Rostversiegelung sind heute schwer oder gar nicht mehr zu bekommen. Glücklich, wer ein Schiff hat, in dem Edelstahl oder Bronze verbaut wurde.
Kielbolzen sind ein Fall für sich. Mit dem Magneten erkennt man, ob sie aus Edelstahl sind, denn dann haftet der Magnet nicht. Sind sie aber aus Stahl und in den letzten 20 Jahren nicht inspiziert worden, hilft oft nur das Abnehmen des Kiels. Das ist großer Aufwand, hat aber schon oft bis auf wenige Millimeter weggefressene Bolzen zutage gebracht. Auch hier kann der Voreigner vielleicht Auskunft geben.
Verrostete Bolzen oder Nägel erkennt man an dunklen Verfärbungen im Holz. Unter Umständen müssen sie getauscht werden. Das geht aber nicht, ohne das Holz an diesen Stellen massiv zu zerstören. Nicht jede dunkle Verfärbung ist ein Grund zum Austausch – wie das Foto des Besanmasts zeigt. Oft ist das Holz noch fest. Aber man sollte es auf jeden Fall beobachten.

Muffen das Boot und die Polster? Dann ist es immer feucht und neigt zum Faulen. Man mag auch nicht in einem muffigen Boot leben. Viele Boote haben eine Wegerung: Dahinter zu schauen ist schwierig, meistens aber auch nicht nötig.
Die Maschine
Der Motor ist ganz wichtig. Gut, wenn der Voreigner etwas davon versteht und auch ein paar Ersatzteile wie Impeller und Dichtungen mitgibt. Wann wurde der Motor zuletzt gründlich gewartet? Hat er schon mal Ausfallerscheinungen gehabt? Oft erkennt man einen guten Motor daran, dass er sauber ist. Wichtige Punkte sind auch die Welle und die Stopfbuchse. Unwucht spürt man bei der Probefahrt unter Maschine. Über die Buchse darf kein Wasser ins Schiff lecken.
Noch ein Tipp: Langkieler fahren oft ganz schlecht rückwärts. Hier ist es wichtig, dass der Propeller gut ist und zu wissen, in welche Richtung er dreht.
Elektrizität
Die Stromversorgung auf einem Klassiker ist ein wichtiges Thema für sich. Gibt es gute Batterien an Bord? Sind Verbraucher- und Starter getrennt, gibt es eine Trenndiode? Wie alt sind sie? Hat das Schiff eine gute Ladetechnik mit Lichtmaschine und Ladegerät, Landstromanschluss und Innenbeleuchtung? Ist die Beleuchtung (auch die der Navi-Laternen) schon auf LED umgestellt?


Elektronische Ausrüstung wie GPS, Plotter und UKW-Funkgerät sollten vorhanden sein und funktionieren. Sind diese nicht auf dem neuestem Stand, kann man später nachrüsten. Gibt es weitere Verbraucher wie zum Beispiel ein Kühlfach? Wie lange reicht der Bordstrom ohne Landanschluss? Das lässt sich ausrechnen.
Wasser
Für das Leben an Bord ist die Wasserversorgung wichtig. Wenn eine Pantry mit Spüle vorhanden ist: Hat die Spüle eine elektrische Druckwasserpumpe, eine Handpumpe oder eine Absaugpumpe? Gibt es einen Wassertank? Ist ein guter Kocher an Bord? Unbedingt sollte man die Pumptoilette ausprobieren! Wie ist der Geruch? Sind die Seeventile okay? Sind sie aus Rotguss, Edelstahl, Kunststoff oder Messing?


Ganz wichtiger Punkt für die Sicherheit: Gibt es eine automatische Bilgepumpe, die das Boot bei Abwesenheit trocken hält? Unbedingt sollte eine vom Cockpit bedienbar leistungsstarke Handpumpe an Bord sein. Empfehlenswert ist beispielsweise eine Whale Gusher 10 oder 30, sollte es einmal zu unerwartetem Wassereinbrauch kommen. Wenn diese Aggragate sauber sind, sind sie meist auch gut gepflegt.
An Deck
Wie sieht das Deck aus, und wie sind die Übergänge zu Kajüte und Süllkante? Hier sammelt sich gerne Dreck und greift den Lack an. Sind Schrauben oder Proppen schwarz umrandet? Das deutet auf Feuchtigkeit und Gammel in den Schraubenlöchern hin und bedeutet viel Arbeit. Ist die Navi-Beleuchtung okay? Sind Ankergeschirr, Leinen und Fender in gutem Zustand?
Das Rigg

Das Bauchgefühl
All das sind wichtige Punkte, die man bei jedem Bootskauf beachten sollte. Meine Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine Yacht, auf der man längere Törns unternehmen und auf der man bequem wohnen möchte, ist ein komplexes System. Darum sollte man nie allein zur Bootsbesichtigung gehen.
Der Kaufpreis ist das eine. Doch auch die Folgekosten für Liegeplatz, Winterlager, Reparaturen und Erneuerungen sollte man nicht aus den Augen verlieren. Wichtig ist vor allem eines: Habe ich ein gutes Gefühl zu dem Boot? Fühle ich mich wohl darin? Und der Partner oder die Partnerin auch?
Klassische Holzboote sind per se schön. Man wird beachtet und beneidet, wenn man damit in einen Hafen kommt, und man findet schnell gleichgesinnte Gesprächspartner. Einen Klassiker kauft man mit dem Herzen. Ich habe meinen gefunden – oder umgekehrt.
Weitere Infos gibt es beim Freundeskreis klassischer Yachten und Tipps zum Kaufpreis.