Manche haben Leichen im Keller – andere im Hafen: Mit dem leicht makabren Begriff „Leiche“ beschreibt die Wassersport-Szene Boote, die eigentlich nicht mehr ins Wasser gehören. Sondern zum Recycling auf den Müll. Ob nun an der Havel in Berlin, am Elbufer oder auch an der Ostsee – Schrottboote sind Ärgernis und Umweltbelastung zugleich.
Und es werden mehr: In den 1970er-Jahren begann die industrielle Fertigung von Rümpfen aus Glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK). Die durchschnittliche Lebenszeit beträgt etwa 60 bis 70 Jahre. Damit kommen die ersten GFK-Boote in ein Recycling-kritisches Alter. „Mehr als 450.000 Boote ab Dinghi-Größe gibt es in Deutschland, da schwimmt eine Menge Müll auf uns zu“, sagt Karsten Stahlhut, Geschäftsführer des Bundesverbands Wassersportwirtschaft (BVWW).
In jeder Marina liegen Leichen
Doch wollen sich viele Eigner die Entsorgung ihrer morschen Yacht sparen: Manche stellen ihr Schrott-Boot am Straßenrand ab oder parken es bei Nacht und Nebel in Häfen. Auch Stahlhut kennt solche Fälle: „Ich fahre häufig an einem verwahrlosten Sieben-Meter-Boot am Straßenrand vorbei, ein trauriger Anblick.“

In jeder Marina gebe es die Leichen, sagt der Verbandschef. Für sie hat es sich aus-gebootet – aber als Widergänger können sie noch lange vor dem Recycling Kosten und Ärger verursachen.
Denn die Ermittlung der Besitzer ist schwierig, weil viele Boote nicht registriert sind. Oder die Registrierung liegt so lange zurück, dass die zuständigen Organisationen die Daten bereits wieder gelöscht haben. Ein zentrales Register gibt es nicht in Deutschland, mehrere Verbände wie beispielsweise DSV oder DMYV vergeben die vorgeschriebenen Zulassungen nach ihren eigenen Regeln.
Oft handele es sich auch um Nachlässe, deren Eigner verstorben sind. Die Entsorgung ist selbst für Hafenbetreiber schwierig, weil sie unbekanntes Eigentum nicht einfach wegwerfen dürfen. Das betrifft sogar regulär in der Box liegende Boote. Erst muss der rechtmäßige Eigentümer ermittelt werden. Will er von seinem Boot nichts mehr wissen, darf verschrottet werden – aber Yachtclubs, Marinas oder Behörden rennen unter Umständen jahrelang hinter dem Geld her.
Frankreichs vorbildliches System
Seit sieben Jahren müssen Handel und Industrie in Deutschland Elektrogeräte zurücknehmen, aber zum Recycling von Schrottbooten existiert bisher kein flächendeckendes System. Ein Blick über die Grenze dagegen zeigt, wie es geht: Die französische Yachtindustrie hat das Thema Entsorgung bereits vor mehr als zehn Jahren zu Ende gedacht. 2009 regte der französische Schiffbauerverband die Gründung der „Association pour la Plaisance Eco-Responsable“ (APER) an. Seitdem beschäftigt sie sich mit dem Thema.
Zehn Jahre später erhielt sie den staatlichen Ritterschlag: den offiziellen Auftrag, die Entsorgung von Booten zu organisieren.