Sie ist das Vorbild vieler Mädchen und Frauen, die um die Welt segeln wollen. Ronja Dörnfeld, die selber gerade unter Segeln um die Welt fährt, bezieht sich auf sie, viele andere Menschen hat sie inspiriert: Jessica Watson, die 2010 mit 16 Jahren als damals jüngster Mensch die Welt umsegelte – allein und nonstop.
Die junge Australierin startete ihre Solo-Weltumsegelung am 18. Oktober 2009 in Sydney und kam nach sieben Monaten in 210 Tagen am 15. Mai 2010 zurück. Sie segelte von Australien zu den Linieninseln Polynesiens, dann südlich mit Kurs auf Chile.
Sie umrundete Kap Hoorn, segelte durch den Südpazifik nach Südafrika, dann vorbei am Kap der Guten Hoffnung ins Südpolarmeer und wieder zurück nach Sydney. Unterwegs bewältigte sie schwere Stürme im Southern Ocean und überstand sieben Kenterungen, bis sie heil und unversehrt in ihren Heimathafen einlief – früher als geplant.

Ab 2008 bereitet sie sich mit ihm auf die Weltumsegelung vor, denn sie will die jüngste Weltumseglerin werden. Er bringt ihr bei, was eine Soloseglerin braucht: mentale Stärke, seglerisches Allroundwissen und Selbstständigkeit. Er steht an ihrer Seite, ungeachtet ihres Geschlechts und ihres Alters.
Von der Tellerwäscherin zur Weltumseglerin
Um ihren Traum zu realisieren, jobbt sie als Segellehrerin und Tellerwäscherin. Gleichzeitig lernt sie Hochseesegeln, Navigieren und Wetterkunde. Sie kontaktiert den australischen Abenteurer Don McIntyre, der sie mit dem Kauf des Bootes und bei ihrer Kampagne massiv unterstützt. Als sie mit der Sparkman und Stephens 34 das richtige Boot gefunden hat, wendet sie sich mit ihrem Projekt an die Presse und bekommt viel Aufmerksamkeit.

Vor allem findet sie Sponsoren, die ihr das Refit des Bootes ermöglichen. Jessica, die von freiwilligen Helfern unterstützt wird, entscheidet selber, was am Boot gemacht wird und welche Teile sie verbauen will. Sie ist mit bestem technischen Kommunikations-Equipment ausgerüstet. Nebenher macht sie Überlebenstrainings. Etwa 400.000 US Dollar fließen in das Projekt.
Als sie mit 16 endlich ihren Segelschein machen kann und nun solo segeln darf, startet sie kurz darauf in ihr großes Abenteuer. Während ihrer Weltumsegelung wird Jessica zur Geschichtenerzählerin – einer ihrer großen Sponsoren ist der Verleger ihres späteren Bestsellers „True Spirit“. Sie nimmt ihre Fans in ihrem Blog mit auf ihre Reise und hält sie in Videos über ihr Abenteuer um die Welt auf dem Laufenden. Millionen schauen ihr zu.
Netflix geht an Bord
Seit Februar 2023 läuft ihre Weltumsegelung als Film auf Netflix unter dem gleichnamigen Titel True Spirit. Regisseurin des Films ist die Australierin Sarah Spillane. Produziert wurde der Film für den Streaming-Riesen von der in Sydney ansässigen Firma Sunstar Entertainment. Das Unternehmen hatte Watsons Geschichte bereits 2010 als Dokumentarfilm unter dem Titel „Around the World with Jessica Watson“ erzählt. Watson selber war bei der Realisierung des Netflix-Films als Beraterin an Bord.

Es ist sicher nicht einfach, einem breiten Publikum ohne besondere Vorkenntnisse die besondere Herausforderung einer Weltumsegelung zu vermitteln. Vor allem nicht, wenn die Protagonistin eine 16-jährige Teenagerin ist. Wie zeigt man ein junges, entschiedenes Mädchen mit einem großen Plan? Dafür braucht es eine charismatische Schauspielerin. Teagan Croft, die bei Netflix Jessica Watson spielt, überzeugt in dieser Rolle nicht. Sie bleibt als Charakter blass und entspricht eher dem Stereotyp eines unschuldigen Teenies.
Ein Schlag ins Wasser
Es gelingt dem Film nicht, tiefer unter die Oberfläche zu tauchen. Die Handlung bleibt flach. Als Zuschauerin ist man nicht wirklich dabei. Am Bildschirm erlebt man nicht die Einsamkeit von Jessica Watson, sieht ihre seglerischen Fähigkeiten nicht. Man spürt nicht ihre Stärke und lernt auch nicht ihr umfangreiches Wissen kennen.

Immer wieder werden die Situationen an Bord durch Rückblenden und Szenen an Land bei der Familie unterbrochen. Die Einsamkeit an Bord, die Weite des Meeres, vor allem aber die großen seglerischen Herausforderungen werden nicht genügend ausgearbeitet. Jessica telefoniert viel mit ihrer Familie, die eine übergroße Rolle im Film einnimmt und die Leistung der jungen Seglerin dadurch eher schmälert.

Die Dialoge sind oft ein wenig rührselig. Als der Film seinen dramatischen Höhepunkt im letzten Sturm erreicht, wirkt die Szene aufgesetzt. Erleichtert sieht man zum Schluss die dokumentarischen Szenen, die so viel besser sind als der Film. Trotz allem ist True Spirit sehenswert, weil jeder Film, der junge Frauen zeigt, die ihren Traum verwirklichen, Vorbild für andere junge Mädchen sein kann. Gerade auf dem Wasser.
Das Buch ist der Rettungsanker

Für alle anderen bleibt die Neuauflage von Jessica Watsons Buch True Spirit im Delius Klasing Verlag, die sich so erfrischend und packend liest, als würde es gerade erst geschehen. Jessica Watson spricht ausführlich über ihre Vorbereitung und beschreibt die Weltumsegelung nachvollziehbar, auch für Nichtsegler.
Man erkennt ihr Wesen und ihren Antrieb, lernt ihre UnterstützerInnen und ihre Familie in einem anderen, realistischeren Licht als im Netflix-Film kennen. Wir empfehlen es gerne weiter. float verlost ein Exemplar des Buchs „True Spirit“ im Wert von 22 Euro unter allen neuen Abonnenten des float Friday Newsletters.