Die App Stores sind voll mit Helfern für den Wassersport. Es gibt nichts, was es nicht gibt: Wetter-Apps, Knoten-Apps, Hafenführer, Lernprogramme, Navigation, AIS und so weiter. Im Dschungel der App-Stores kann sich der Wassersportler den Speicher seines mobilen Gerätes problemlos voll machen. Nur: Sind alle diese Apps sinnvoll? Taugen sie in der Praxis? Worauf kommt es an? Teil 1: Navigations-Apps.
Die Anbieter
Die simple und komfortable Bedienung per Touchscreen sowie die kostengünstigen Programme haben Tablets und Smartphones im Wassersport rasend schnell in den Cockpits etabliert. An erster und wichtigster Stelle stehen sicher die Navigations-Apps, die sich in den letzten Jahren immer weiter verbessert haben und heutzutage allesamt zuverlässig laufen. Navionics ist der Platzhirsch, Transas iSailor, Garmin BlueChart mobile, SeaPilot und iNavX runden den Markt bei den Apps auf Vektorkartenbasis ab. Anbieter von Papierkarten wie Delius Klasing Yacht Navigator, Kartenwerft oder NV-Charts bieten dazu Apps auf Rasterkartenbasis an, teilweise sogar kostenlos per Gutschein auf den Papierkartensätzen. Einen Kauftipp abzugeben ist schwierig, da das Reisegebiet, die Hardware, das Betriebssystem und die Vorlieben des Skippers die Entscheidung beeinflussen. Beim Kauf sollte man darauf achten, dass die digitalen Karten stets neu sind, Abomodelle sind hier oftmals sinnvoll. In jedem Fall sollte man sich vor dem Kauf schlau machen, ob der Wunschanbieter das Seegebiet der Wahl überhaupt im Programm hat.
Die kostenlos erhältliche App Open Sea Map bietet keine Tiefenangaben, ergibt also eigentlich nur dann Sinn, um beispielsweise zu Hause seine Routen zu planen. Allerdings soll in der Zukunft anhand von Userdaten auch die Tiefe auf den freien Karten abzulesen sein. Dann wäre auch das eine echte Alternative.
Eine Besonderheit stellt die professionelle Lösung SeaPilot dar. Diese Software ist die einzige, die in Skandinavien zur „ausschließlichen Navigation“ zugelassen ist. Die grafische Oberfläche ist jedoch für den Hobbyanwender gewöhnungsbedürftig, weil sie auf professionellen S-57-Daten basiert. Da diese Anwendung ursprünglich nicht für die Freizeitschifffahrt gedacht war, fehlen dazu teilweise wichtige Daten. Manche Inseln wie Birkholm (Südfünen) sind gar nicht verzeichnet, weil sie für die Berufsschifffahrt schlichtweg nicht relevant sind.

Was ist besser: Raster- oder Vektorenkarten?
Rasterkarten sind im Prinzip nichts anderes als eingescannte Papierkarten. Beim Zoomen tauchen keine neuen Informationen auf, sondern die Karten werden nur vergrößert. Indem verschiedene Maßstäbe übereinandergelegt werden, umgeht man dieses Manko jedoch. Ab einer bestimmten Zoomstufe wird eine detailliertere Karte eingeblendet. Der Vorteil: Das Kartenbild entspricht häufig dem der üblichen Seekarten, was bei der Orientierung unterwegs wesentlich hilft, wenn man – und das ist ratsam! – zusätzlich Karten auf Papier zur Kontrolle nutzt.
Vektorenkarten sind für digitale Anwendungen entwickelt worden, haben daher ihre Vorteile. Sie zoomen stufenlos und manche Informationen tauchen erst dann auf, wenn sie in einer bestimmten Zoomstufe erforderlich werden. Navionics hat dieses System mit dem sogenannten Easy-View-Modus optimiert, bei dem nur relevante Daten angezeigt werden. Wracks in 40 Metern Tiefe zum Beispiel blenden dann komplett aus und stören das Kartenbild nicht. Ab einer bestimmten Detailstufe jedoch tauchen auch in Vektorenkarten keine neuen Informationen auf. Auch unterscheidet sich das Kartenbild wesentlich von Papierkarten. Zu einer schnellen Kontrolle und Abgleich mit Papier muss man sich meist erst neu orientieren.
Vektorenkarten sind schneller im grafischen Aufbau, lassen sich also mit hoher Geschwindigkeit laden und verschieben. Auch ein Tag/Nacht-Modus ist nur bei Vektorenkarten möglich.
Der größte Vorteil der Vektorenkarten liegt jedoch in der Datenmenge. Rasterkarten verbrauchen ein Vielfaches an Speicherplatz auf dem Mobilgerät, der oft durch Fotos, Videos und Anwendungen schon rar genug ist.

Die Kosten
Um zu ermitteln, was der mobile Spaß kostet, muss man sich über das Fahrtengebiet im Klaren sein. Manche Anbieter verkaufen nur riesige Seegebiete, andere bieten kleinere Reviere zu günstigen Preisen an. Fährt man nur auf einem Binnenrevier oder einem Teil der Ostsee, lohnt es sich, danach den Anbieter seiner Wahl auszusuchen. Dann reicht die App, bei der man diesen Kartensatz für 20 Euro kaufen kann. Für Charterer, die sich in vielen verschiedenen Revieren aufhalten, ist die App, mit der man ganz Europa für 60 Euro als In-AppKauf bekommt, die günstigere Lösung.
Die meisten Apps bieten seit geraumer Zeit auch Abomodelle an, die für einen jährlichen Betrag die Kartenupdates zur Verfügung stellen und die Inhalte immer auf dem neuesten, verfügbaren Stand halten. Da Aktualität ein wichtiges Merkmal ist, sollte man das in jedem Falle einkalkulieren. Kauft man dann ganz Europa, werden die Abokosten jedes Jahr dafür fällig, auch wenn man sich beispielsweise immer nur in der Nähe von Rügen aufhält.
Die Kosten hängen im Übrigen auch von der erlaubten Anzahl an Geräten ab, auf denen die Software laufen darf. Ausserdem: Wenn man zum Beispiel von Apple zu Android oder umgekehrt wechselt, kann es passieren, dass man alle Karten neu kaufen muss, weil die neue Plattform die jeweils vorherige Lizenz nicht anerkennt.

Schöne Zusatzfunktionen
Einige Apps bieten die Einbindung in professionelle Plottersysteme an, entweder als Steuerungseinheit der Anlage oder als mobiles Display. Mehr und mehr Navigationsapps lassen auch AIS Overlay auf den Karten zu. Das macht allerdings nur dann wirklich Sinn, wenn das AIS Signal aus einem professionellen Bordsystem kommt. Denn die zweite Möglichkeit, das Internet AIS, erfordert eine Internetverbindung und ist auf See nicht zuverlässig genug, sich darauf zu verlassen. Man sollte zusätzlich beachten, dass die kleinen und spiegelnden Displays schnell überfordert sind und mit Daten überfrachtet werden. Die Ablesbarkeit wichtiger Daten leidet häufig in stark befahrenen Gebieten unter der Fülle an Informationen, die abgebildet werden.
Navionics hat bereits vor zwei Jahren die Dock-to-Dock-Autorouting-Funktion eingeführt. Im Prinzip soll das so sein wie bei Straßennavis: Man gibt Start- und Endpunkt ein und der Plotter berechnet die Route von selbst. Das funktioniert mittlerweile in vielen Seegebieten recht gut. Fraglich ist, ob man einer Software die Routenplanung überlassen will. Eine manuelle Routenerstellung ist sicher ratsamer, da man sich mit der Strecke besser auseinandersetzt und die Planung nicht einer Software überlässt. Allerdings kann das Autorouting Karteninhalte erkennen und Fehler anzeigen, wenn zum Beispiel der eingegebene Tiefgang des Bootes unterschritten wird. In Zukunft kann man sich das als zusätzliches Tool zur Überprüfung der Routenplanung durchaus vorstellen. Dazu muss es jedoch noch etwas ausgereifter werden, denn manchmal erkennt das System Hindernisse nicht und routet einfach über Inseln hinweg.
Zwischen vielen Anbietern der Navigations- Apps ist ein richtiger Kampf um Zusatzfeatures entbrannt. Auch weil die Benutzer immer mehr wollen. Von der Telefonnummer des Hafenmeisters über die automatische Einbindung von Fotos in Tracks bis zu Restauranttipps der Community oder Wetter vor Ort bieten die Anwendungen immer mehr Informationen und Funktionen. Man sollte jedoch beachten, dass die Apps dadurch immer mehr Speicher und auch Batterieleistung benötigen. Dazu ist fraglich, ob man diese Funktionen überhaupt braucht und aus welchen Quellen diese Informationen stammen. Das Wetter kann man auch mit speziellen und besseren Apps abrufen, Restaurantbewertungen gibt es im Internet zuhauf und letztlich handelt es sich immer noch um ein Navigationsprogramm, dem Restaurants egal sein sollten.

Worauf kommt es an?
Das Wichtigste beim Navigieren ist, dass die Software und die digitalen Karten zuverlässig sind. Das Kartendatum sollte ersichtlich sein und die Daten auf amtlichen Lizenzen basieren. Aktuelle Karten sind eine Grundvoraussetzung.
Die Ablesbarkeit ist ein weiterer Faktor, den man beachten sollte. Kleine, verspielte maritime Symbole sehen zwar witzig aus, lassen sich aber auf See nicht gut erkennen. Im Betrieb stören oft Sonnenlicht, Spiegelungen und Betrachtungswinkel die Ablesbarkeit – da sind klar erkennbare Symbole eine Grundvoraussetzung. Der bereits genannte Easy-View-Modus bei Navionics ist hier lobend zu nennen, ebenso die klare und einfache Gestaltung des Delius-Klasing Yacht Navigators. SeaPilot ist professionell, jedoch ist die Darstellung gewöhnungsbedürftig. Eine weitere Funktion des Easy View bei Navionics ist das Auto-Zoom-In, bei der die App bei jeder Annäherung an einen Wegpunkt automatisch in die Karte zoomt und danach wieder in die Übersicht geht. Man muss also im Prinzip unterwegs gar nicht den Touchscreeen berühren, was mit nassen und kalten Fingern nicht immer so einfach ist.
Bestimmte Funktionen sind Pflicht. So zum Beispiel, dass die App den Ruhemodus des Mobilgerätes ausschalten kann, damit man nicht ständig ins Schwarze blickt. Verschiedene Darstellungsmodi, die man auf die Sehgewohnheiten und -vorlieben einstellen kann, sollten auch enthalten sein. Tracking und Entfernungsmessung sollten bei jeder App Standard sein. Manche Apps kann man auch parallel auf dem PC benutzen, was die Routenplanung bequem macht und im Fall der Fälle die Navigation auch auf dem Bord-PC ermöglicht.
Fast jede App kann man kostenlos in den Online Stores herunterladen und ausprobieren. Im besten Fall gibt der Anbieter mit der kostenlosen App eine Testkarte heraus, mit der man in Ruhe probieren kann, ob einem die Anwendung zusagt oder eher nicht. Manche Geräte sind auch schlichtweg zu alt und überfordert, was sich erst im Betrieb zeigt. Letztlich hängt alles auch vom Betriebssystem ab. Es gibt innerhalb der Apps teilweise erhebliche Unterschiede in der Funktionalität, je nachdem ob es die Apple- oder Android-Version ist.
So sollte man also in jedem Falle erst einmal testen und erst danach seine Entscheidung fällen.
