Natürlich trägt auch der bekannteste Seemann der Welt eines. Popeye, der spinatgestärkte Mustermatrose aus der Feder des US-Amerikaners Elzie Segar, begeistert seit 1929 mit seinen grotesk muskulösen Armen und seinem schiefen Gesicht. Sein Markenzeichen ist neben der Pfeife im Mund vor allem die Anker-Tätowierung auf dem linken Unterarm. Und die verrät einiges über den Seemann. Nämlich, dass Popeye den Atlantik überquert hat. Denn genau dafür steht der Anker.
So haben auch die meisten anderen gängigen Seemannsmotive eine Historie, die aber nur noch wenige kennen. Oft geht es um Aberglauben. Andere Motive verraten so viel wie ein Logbuch über den Seemann. Für alle Seebären, die sich mit dem Gedanken tragen, sich ein Tattoo stechen zu lassen, kommt hier eine kleine Nachhilfestunde in Sachen Symbolik. Nicht, dass später das geliebte Motiv bedeutet, dass man dreimal auf dem Steinhuder Meer gekentert ist.

Ein Bild, das unter die Haut geht
Tattoos sind so populär wie nie zuvor. Laut einer Studie im Auftrag der ehrwürdigen Apotheken-Umschau hat jeder fünfte Deutsche ein Bild, das unter die Haut geht. In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Anzahl der Tattoo-Träger damit beinahe verdoppelt. Besonders verbreitet sind Tattoos nach dieser Studie bei den 20- bis 29-Jährigen. Fast jeder Zweite von ihnen hat mindestens eines, bei den 50- bis 59-Jährigen sind es immerhin noch 17,1 Prozent.
Dabei waren Tattoos lange Zeit verpönt. Anfang des 20. Jahrhunderts waren sie fast nur bei Soldaten oder Häftlingen zu sehen – und eben bei Seeleuten, deren Motive daher in der Tattoo-Szene einen hohen Stellenwert haben.
Tätowierungen sind aber keine neuzeitliche Erscheinung. Es gibt sie, seit es Menschen gibt. Selbst die 5.300 Jahre alte Gletschermumie Ötzi wäre heute wahrscheinlich als Berliner Hipster durchgegangen. Die Forscher zählten stattliche 61 Tattoos. Zwar waren keine Anker oder Kompass-Rosen dabei – Ötzi war schließlich Tiroler. Aber dafür Dutzende geometrische Formen, die in den Körper geritzt und dann mit einer Art Kohlepulver gefärbt wurden.
Captain Cooks Crew ließ sich auch stechen
Während im Laufe der Jahrhunderte in Europa Tätowierungen aus der Mode gekommen waren, beeindruckten vor allem die Naturvölker mit imposantem Körperschmuck. So soll die Verbreitung der Tätowierungen in Europa auch auf einen Seefahrer zurückgehen: keinen geringeren als den britischen Captain James Cook. Bei seinen Pazifikreisen trafen er und seine Mannschaft auf die Ureinwohner der polynesischen Inseln.
Dort waren Tätowierungen seit vielen Jahrhunderten ein fester Bestandteil des Erscheinungsbilds. Die traditionellen Tattoos erzählen ganze Familienchroniken und wehren böse Geister ab. Fasziniert von den Stichen taten die britischen Seeleute das, was heute immer noch Tausende von Touristen auf Tahiti tun. Sie ließen sich vor der Heimreise tätowieren. Von dem tahitianischen Begriff „te tatau“ stammt auch der englische Begriff Tattoo. Mit Cooks Crew landeten die Tätowierungen in den Häfen Europas.


Die Ironie der Geschichte: Während die britischen Seeleute in der Heimat stolz ihre exotischen Tätowierungen präsentierten und einen Boom in den Häfen auslösten, ging die jahrhundertealte Tradition in Polynesien fast verloren. Die christlichen Missionare, die Cook im Schlepptau hatte, sorgten dafür, dass die heidnische Körperkunst verboten wurde.
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