Jetzt geht es blitzartig schnell: Nachdem Mercury Marine sich mit seinem ersten elektrischen Außenborder, dem Avator 7.5, noch viel Zeit gelassen hatte, kommen nach dessen Marktstart gleich einen Monat später auch die beiden nächstgrößeren Modelle in den Handel. Das sind die elektrischen Außenbordmotoren Avator 20e und 35e.
Ab 25. September sind beide in Deutschland erhältlich – und mit ihnen ein ganzes Avator-Universum für integrierte Elektromobilität. Vom weltgrößten Bootskonzern Brunswick, zu dem Mercury gehört, war auch kaum weniger zu erwarten. Der 20e hat 2 kW Leistung und entspricht damit laut Mercury einem 5 PS starken Viertakt-Außenborder. Der 35e mit 3,5 kW leistet vergleichbaren Vortrieb wie der 9,9 PS starke Mercury-Außenbordmotor F99.
Leistung bringen beide Antriebe nach Angaben des Herstellers abrupt, was angesichts des bekannten Funktionsprinzips von Elektromotoren auch nicht verwundert. Sie sind geeignet für Angelboote, größere Schlauchboote und als Flautenschieber kleinerer Segelyachten. Stolz verweist das Unternehmen darauf, dass der bisher größte Avator um 63 Prozent leiser läuft als ein vergleichbarer Verbrenner.
Die spezielle Bauart – Mercury bezeichnet sie als Transversalfluss-Motortechnologie – führt nicht nur zu geringer Schallemission, sondern auch zu „einer effizienteren Gesamtleistung als bei vergleichbaren Produkten von Mitbewerbern“, trumpft der Hersteller auf. Beide Elektromotoren wiegen jeweils rund 21 Kilogramm. Sie sind mit Farbdisplay ausgestattet, von dem sich Energiereserve und Leistung ablesen lässt.
Bis zu vier Akkus kombinierbar
Ihre Nahrung beziehen sie aus einem Akku, den die Brunswick-Tochterfirma Mastervolt speziell auf diese Produkte abgestimmt hat. Da der Energiehunger beider Antriebe zu groß ist, um mit einer internen Batterie genügend Reichweite in Kombination mit handlichem Gewicht zu erwirken, sind sie über Kabel mit diesem externen Batteriepack verbunden. Es stellt 2,3 kWh Leistung bereit.

Bis zu vier Akkus dieser Bauart können mit jeweils einem Antrieb kombiniert werden. Der Stromspeicher ist mit 23 Kilogramm an einem integrierten Handgriff noch recht gut tragbar. In der EU-Konformitätserklärung für die Avator-Stromspeicher ist übrigens auch von einem 5,4 kWh großen Akku die Rede. Der wird mit 45 Kilogramm nicht mehr mobil sein und ist insbesondere für noch stärkere Motoren vorgesehen. Doch davon später.
Die 2,3 kWh starken Energiespeicher für sich können räumlich getrennt im Boot eingebaut werden. So erreicht man nebenbei eine bessere Trimmung. Die gemeinsame Steuerungseinheit Power Center bündelt den Stromfluss zum Motor. Alle Bauteile sind selbstverständlich witterungsunempfindlich und waserdicht nach Prüfstandard IP67. Laut Mercury können auch Laien ohne Werkzeug die Kabel mit standardisierten Drehverschluss-Verbindungen zwischen den Akkus und der elektronischen Kommandobrücke selbst verlegen.
Bei Problemen wird abgeschaltet
Diese Kontrollzentrale sorgt auch dafür, dass die Akkus gleichmäßig entladen werden. Sie koordiniert ebenso die Aufladung der Mastervolt-Stromspeicher. Sowohl Spannung als auch Temperatur der Akkus werden kontinuierlich überwacht. Bei Problemen unterbricht das System den Stromfluss, um zum Beispiel eine Überhitzung zu vermeiden.
Für den 2,3 kWh Akku für die leistungsstärkeren Motoren gibt es zwei Lademöglichkeiten. Das funktioniert entweder direkt über den Ladeport der einzelnen Batterie oder über das Power Center, das die maximal vier angeschlossenen Akkus parallel mit Strom versorgt.
Die Ladeleistung beträgt jeweils 230 Watt, dann dauert das Laden eines Akkus etwa zehn Stunden. Mit optionalem 520-Watt-Schnelllader verkürzt sich die Ladezeit um mehr als die Hälfte. Die Angaben beziehen sich auf das Laden an einer 230-Volt-Haushaltssteckdose bzw. am blauen Landstromanschluss.
Fernsteuerung über Mercury-App
In den beiden größeren Motoren ist auch das Smart Craft Connect Modul serienmäßig verbaut, das die Fernsteuerung per App ermöglicht. Dabei handelt es sich um die universelle Mercury Marine App. Über die App lassen sich zum Beispiel Reichweiten-Prognosen auf einer Seekarte darstellen. Es existieren laut Hersteller drei verschiedene Möglichkeiten der Fernschaltung.


Der erste Avator wurde bereits auf der boot Düsseldorf vorgestellt. Dieser Avator 7.5e eignet sich mit einer Leistung von 750 Watt für kleinere Dinghis und Schlauchboote. Sein Akku mit 1 kWh Kapazität wird in einen Schacht in den Motorkopf eingeklinkt. Er kommt ebenfalls von der Mercury-Firmenschwester Mastervolt. Um ihn aufzuladen, wird das rund sieben Kilo schwere Teil aus dem Schacht gezogen. Dann kommt es an ein Netzladegerät mit 110 Watt.

Zwei weitere Motoren angekündigt
Zum Preis der beiden großen Brüder wie auch des großen Akkus mit 2,3 kWh macht das Unternehmen noch keine Angaben. Einen Anhaltspunkt erlaubt ein Blick auf Mitbewerber: Torqeedo zum Beispiel bietet den elektrischen Außenbordmotor Cruise 6.0 TS, der etwa so viel Leistung bringt wie der Avator 35e, für 4.479 Euro zuzüglich Akku an. Der dazu passende Energiespeicher Power 48 mit 5 kWh Leistung kostet 5.259 Euro.
Mercury kündigt gleich noch weitere energische Schritte in Richtung Elektromobilität auf dem Wasser an. In den kommenden Monaten werden zwei weitere, mutmaßlich leistungsstärkere Maschinen der Avator-Serie vorgestellt. Wie die drei bereits präsentierten sollen auch diese E-Motoren mit Niedervolt-Technik arbeiten. Auch andere Marken wie Torqeedo und Molabo nutzen diese Bauweise, die Gleichstrommotoren bis 120 Volt ermöglicht.
Die Niedervolt-Technologie hat den großen Vorteil, dass sie von Technikern ohne Spezialschulung gewartet und repariert werden kann. Denn bei Installationsfehlern droht keine Gefahr durch tödliche Stromschläge. Bei allen drei Avator-Modellen beträgt die Spannung 48 Volt. Einen Nachteil gibt es auch: Die Ladezeiten sind relativ hoch, was aber im Freizeitbereich geringere Relevanz besitzt als in der kommerziellen Schifffahrt.
Koop mit chinesischem Konzern
Nach der Vorstellung des ersten batterieelektrischen Außenborders Avator in drei Leistungsstufen auf der boot Düsseldorf 2023 hat der größte Bootsmotorenbauer der Welt kürzlich den nächsten großen Schritt bekannt gegeben: eine Kooperation mit dem chinesischen Konzern JJE.
Damit will Mercury Marine „sein Portfolio an elektrischen Antriebslösungen erweitern und zu elektrischen Systemen mit höherer Leistung übergehen“. Das heißt im Klartext: Die Amerikaner planen Produktionskapazitäten für stärkere elektrische Bootsantriebe, deren Kraftenfaltung über die der ersten Avator-Familienmitglieder weit hinausgeht. Wie passt hier JJE in die Strategie?

Das 2008 gegründete Unternehmen hat sich einen Namen bei der Entwicklung elektrischer Motoren in der Autoindustrie gemacht. Dafür bietet JJE nicht nur Antriebskomponenten, sondern auch die dazugehörige Software an. Neben China unterhält das Unternehmen auch eine Fertigungsstätte in den USA.