Am 17. Januar lief das einzige deutsche Segelfrachtschiff zum fünften Mal nach Amerika aus, um emissionsfrei unter Segeln Waren aus der Karibik und Mittelamerika nach Deutschland zu bringen. Als die Avontuur Ende Februar von den Kanarischen Inseln in die Karibik startete, lief alles wie gewohnt. Dann kam Corona. Was macht ein Frachtsegler, wenn plötzlich die Häfen zu sind?

Sie waren bereits unterwegs nach Marie Galante, der Karibikinsel neben Guadeloupe, als sie die Hiobsbotschaft erhielten, dass die Insel komplett gesperrt sei. Acht Fässer Rum wollten sie hier abholen, um den Rum später unter eigenem Label zu verkaufen und damit die laufenden Kosten des Schiffes zu decken.

Niemand durfte an Land – immer wieder

Sie konnten in Pointe à Pitre auf Guadeloupe Proviant bunkern, aber niemand durfte an Land. Die Ladung wurde mit einem Kranarm an Deck gesetzt, dann musste der Frachter schleunigst wieder auslaufen. Da war die 15-köpfige Crew bereits seit vier Wochen auf See. Eigentlich hätte die Hälfte der Mannschaft hier abgemustert, inklusive Kapitän – und Cornelius Bockermann, der Gründer von Timbercoast, hätte das Schiff übernommen.

So hoffte die Mannschaft auf den nächsten Hafen, La Ceiba, in Honduras. Auch hier das gleiche Spiel: Der Hafen war gesperrt, sie mussten weiter nach Puerto Cortez, einem Industriehafen. Hier konnten sie für drei Stunden Ladung nehmen. Kein Landgang, kein Mannschaftswechsel.

In Belize, wo sie Kakao laden wollten, lag der Frachtsegler eine Woche vor Anker, weil die Pier wegen Corona und Ostern ausgelastet war. Sie lagen vor unbewohnten tropischen Inseln mit Sandstrand und Palmen, ohne einen Schritt an Land tun zu dürfen. Nicht einmal mit dem Schlauchboot durften sie übersetzen, um sich ein bisschen die Beine zu vertreten.

Da waren sie bereits zwei Monate an Bord. In Veracruz luden sie Kaffee, und auch dort durfte wieder keiner von Bord. Die Reparaturen am Schiff und der Proviant waren unter den Corona-Einschränkungen doppelt so teuer wie üblich.

Gegen den Passat aus dem Golf von Mexiko kreuzen

Zuletzt mussten sie gegen die Passatwinde aus dem Golf von Mexiko herauskreuzen. 26 Tage brauchte die Avontuur, bis sie Florida Straight vor sich hatten – deutlich länger als geplant. Ein einziges Gekreuze, um überhaupt aus dem Golf von Mexiko herauszukommen, erinnert sich Cornelius Bockermann. Er musste vom Heimathafen Elsfleth aus alles organisieren.

Nach 50 Tagen kam die Mann- und Frauschaft auf Horta endlich in Horta an. Zuvor mussten sie einen Corona-Test machen. Wo hätten sie sich nach so langer Zeit anstecken können? fragt Cornelius Bockermann zu Recht. Lange blieben sie nicht, die Crew wollte, so wie viele Sportsegler aus dem Rückweg aus der Karibik, endlich nach Hause.

Weil der Wind um Schottland besser war, nahmen sie diese Route. Heute morgen fahren sie in die Elbmündung. Morgen, am Donnerstag, den 23. Juli, läuft die Avontuur endlich in den Hamburger Hafen ein. Um 8 Uhr beginnen sie, die Ladung zu löschen. Dann helfen fleißige Hände die 64 Tonnen Kaffee und Kakao vom Schiff zu löschen.

Eine Crew, die 187 Tage an Bord auf engstem Raum zusammenleben musste, ist auf dieser fünften Reise zu einer Art Schicksalsgemeinschaft unter Corona geworden. Cornelius Bockermann ist gespannt, was sie zu berichten haben werden. Er selbst war noch nie länger als 36 Tage am Stück auf See.

Ab Teneriffa hat niemand an- oder abgemustert, obwohl ein Shipmate schon auf Marie Galante wartete, andere zurück zur Arbeit mussten, in Mittelamerika aussteigen wollten. Alle kommen sie morgen in Hamburg an. Corona hat ihre Pläne durchkreuzt. Dafür sind sie gesund.

Auch Timbercoast leidet unter Corona

Der Betrieb des hundertjährigen Frachtseglers finanziert sich in erster Linie über die Fracht die das Schiff transportiert. Ein weiteren Teil, von dem der Proviant bezahlt wird, tragen die Shipmates bei, die für den Aufenthalt an Bord bezahlen. Und darüber, dass die Timbercoast GmbH eigene Ladung einkauft und sie unter ihrem Label verkauft. Dieses Jahr wollte Cornelius Bockermann acht Fässer Rum auf der Insel Marie Galante einladen. Sie gingen leer aus. Keine Eigenladung, kein Umsatz und kein Gewinn. Auch die Pläne um das neue Schiff „Annie von Hamburg“ liegen zur Zeit auf Eis. Sie liegt in der Lütje-Werft in Hamburg.

So bleibt nur das Frachtgut, der Kaffee aus Nicaragua, Honduras und Mexiko, der Kakao aus Belize. Eine Besonderheit hat die Avontuur aber diesmal doch an Bord: Ein einziges Fass Rum. Und zwar ein  ganz Spezielles: Letztes Jahr übernahmen sie das Fass auf Madeira von einer portugiesischen Brennerei. Darin ein ganz besonders guter Rum, der auf See reifen sollte.

Dieses Jahr hat das Fass seine die zweite Reise mitgemacht. „Es wird sich entsprechend entwickelt haben, erst unter Deck, jetzt an Deck“, berichtet Bockermann. Jede Wache hat mindestens eine Pütz Salzwasser drüber geschüttet, damit es schön feucht bleibt. Es wird jetzt ein ganz besonders seltener und guter Rum geworden sein. Sie füllen ihn für das 100-jährige Jubiläum der Avontuur ab, das Timbercoast in diesem Jahr feiert.

Und wie geht es weiter? frage ich den Kapitän. „Wir brauchen mal ein bisschen Unterstützung von offizieller Seite“, sagt er. „Denn wir sollten nicht denken, dass wir nach Corona wieder zur Normalität zurückkehren können.“ Das Frachtsegeln könnte boomen, einige Schiffe gibt es schon. „Wir sollten jetzt die Gelegenheit nutzen, um es besser zu machen. In der Seefahrt wie in allen anderen Lebensbereichen auch.“

Anfrage an die Avontuur für 1.500 Tonnen Kaffee

Und hätte er mehr Frachter, könnte er weitaus mehr Waren verschiffen. Bald, wenn die „Brigantes“, der österreichische Segelfrachter, fertig ist, können sie einige der vielen Ladungsanfragen besser befriedigen. „Wir haben Anfragen von großen Bioimporteuren, die 1.500 Tonnen Kaffee haben wollen. Wie sollen wir die fahren?“ fragt der Gründer und Kapitän von Timbercoast. Immerhin haben ihm „faire“ Handelsfirmen Firmen wie Gepa und El Puente einen „Letter of Intent“ ausgestellt, in dem sie ihm die Frachtzusagen machen, falls er mehr Schiffe baut. Wie geht es konkret für sein Schiff weiter?

Für das nächste Jahr ist die Avontuur bereits ausgebucht. Es fehlt nur noch die Zuladung in die Gegenrichtung nach Amerika. Bisher fährt der Frachtsegler diese Strecke noch leer, weil es kaum Waren gibt, die in Mittelamerika aus Europa gekauft werden. Den Oldtimer der Influencer-Familie Zapp hatte man einmal als Zuladung an Bord.

Schauerleute laden ab morgen Kakao und Kaffee aus

Jetzt kommt der Frachter mit prallvollem Laderaum mit größtenteils ökologisch produzierten und fair gehandelten Waren für die Unternehmen El Puente, Mitka, Brigantes, Echtöl, Choco Del Sol, Herufek, Café Chavalo, Timbercoast, Zotter-Schokolade und Teikei Coffee gefüllt. In den letzten Jahren wurde die Stückgutentladung mit der Hilfe vieler Freiwilliger geschafft. Dann werden die Waren aus Übersee von Hand gelöscht.

Dieses Jahr wird das – Corona gebietet neue Regeln – mit der Hilfe von Kränen und festen „Gängen“ (Teams) an Land und in der Ladeluke gelöst werden. Begleiten kann man das Event per Livestream über den Instagramkanal avontuur_offloading.