Allerdings konnte sich das Venturi-Segel nie wirklich durchsetzen. Erst in Deutschland gelang es zur Marktreife.
Jetflaps für bessere Leichtwindeigenschaften
Zunächst wurde der Parasailor von Paramarine hergestellt, die dem Segel sogenannte Jetflaps verpassten, um bessere Leichtwindeigenschaften zu erreichen. Jetflaps kommen in der Luftfahrt zum Einsatz und sorgen für eine bessere Aerodynamik. 2004 übernahm die Firma Istec die Produktion, eine Ausgründung der Swing Flugsportgeräte GmbH in Landsberied bei München, die zu den weltweit größten Herstellern von Gleitschirmen zählt.
Istec hat das Segel der ersten Generation mittlerweile neu erfunden. Mehrere Jahre Forschung und Entwicklung stecken in dem modernen Hybridflügel, der den Parasailor der neuesten Generation antreibt. Auch der Bergeschlauch, Easysnuffer Pro genannt, der ein einfaches Setzen und Bergen erlaubt, ist eine neue Kreation. So viel zur Theorie.

Mittlerweile wird der Flügel-Spinnaker auch von Oxley angeboten. Ralf Grösel hatte zusammen mit Schädlich an der ersten Generation des Segels gearbeitet und war bei Istec beschäftigt. Jetzt stellt er die Segel in Eigenregie her, lässt in Fernost produzieren.
Inzwischen sind die Parasailor auf allen Weltmeeren anzutreffen. Das größte von Istec gefertigte Segel hat 448 Quadratmetern, was in etwa der Fläche von vier Vier-Zimmer-Wohnungen entspricht. Der Eigner einer Oyster 745 hat es für die Langfahrt anfertigen lassen.


In der Praxis haben wir Glück. Angefixt durch das ARC-Seminar erfahren wir beiläufig, dass ein befreundeter Katamaran-Segler einen Parasailor auf seiner Lagoon hat und ihn uns gerne ausleiht. Da das Segel für meine Moody 425 allerdings zu groß ist, schlagen wir es auf einer Sun Odyssey 44i an. Keine perfekte Lösung, da jedes Segel individuell auf den Bootstyp angepasst wird, aber immerhin eine passable.
Der Zwitter überzeugt jedes Mal
Bei leichten Winden setzen wir den Parasailor und sind positiv überrascht. Das 140 Quadratmeter große Tuch lässt sich problemlos mit zwei Mann setzen, springt schnell an und steht stabil auf einem nahezu 180-Grad-Kurs vor dem Bug, auch ohne Spi-Baum. Wir segeln den Parasailor der ersten Generation auf Kursen bis zu 100 Grad, sprich, wir setzen ihn als Spinnaker und auch als Gennaker ein. Der Zwitter überzeugt jedes Mal.
Auch wenn wir beim Bergen des Segels leichte Probleme haben (bei Computern würde man wohl von einem Anwenderfehler sprechen), entscheide ich mich, mir einen maßgeschneiderten Parasailor für meine Moody 425 zuzulegen. Auf Vorwindkursen scheint die Handhabung bei gleichzeitig überzeugender Performance so einfach, dass der Parasailor die optimale Ergänzung zur bestehenden Segelgarderobe zu sein scheint.
Gegenüber dem Modell, das wir zunächst getestet haben, hat die aktuelle Generation der Parasailor von Istec zudem eine Reihe an Neuerungen. Die wohl sichtbarste ist der kompaktere Hybridflügel mit seiner Kombination aus einem langen, durchgehenden Obersegel und einem kürzeren Untersegel. Durch einen größeren Anstellwinkel und mehr Flügelwölbung bekommt der Hybridflügel noch mehr Auftrieb und Eigenstabilität. Das heißt: Das Segel springt schneller an und steht stabiler. Laut Hersteller bereits bei zwei bis drei Knoten Windgeschwindigkeit.
Mittlerweile habe ich meinen Parasailor etwa zehn Mal eingesetzt. Meist bei optimalen Bedingungen um die zehn, zwölf Knoten Wind. Mal mit Freunden, meist zu zweit und einmal Einhand. Das Setzen und Bergen gestaltete sich extrem einfach, zumindest wenn man sich auf die Schotenführung beim Anschlagen konzentriert. Doch mit jedem Setzen wurden wir sicherer und routinierter.
Selbst bei vier Knoten Wind steht der Parasailor hervorragend, sofern Welle oder Schwell nicht zu sehr am Boot rütteln. Aber auch dann fängt das Segel sich sehr schnell wieder ein und bläst sich ohne großen Ruck wieder zu voller Größe auf. Die Gefahr der gefürchteten Eieruhr, wenn Spinnaker oder Gennaker sich im Vorstag verknoten, bestand nicht einmal. Bei rund fünf Knoten scheinbarem Wind machte die behäbige Moody stolze 4,6 Knoten Fahrt.
Das Boot gleitet wie auf Schienen durch die See
Wir sind den Parasailor bislang bis 22 Knoten wahren Wind aus etwa 180 Grad und vor der Welle gesegelt. Auch das wieder ohne Spi-Baum. Das Segel tanzt vor dem Bug, aber das Boot gleitet wie auf Schienen durch die See. Kein Geigen, kein Schlagen des Segels, fast langweilig.
Bei 22 Knoten haben wir das Segel dann eingeholt. Nicht weil wir Angst hatten, es nicht mehr bändigen zu können. Vielmehr wollten wir uns in der Testphase nicht überfordern. Denn schon kurze Zeit später briste der Wind auf 34 Knoten auf. Und auch beim Parasailor gilt: „Wenn Du das erste Mal ans Reffen denkst, dann tu es sofort!“