Der innovative Bootsbaumeister Friedrich Deimann aus Bremen hat eine Grüne Bente entwickelt. Er verwendet in diesem Boot nachhaltige Werkstoffe wie Flachs, Kork und Leinöl. Die Segel-Eigenschaften des Boots haben uns im Test sehr überzeugt. Das Besondere aber an dem Boot sind die biobasierten Materialien, die Friedrich Deimann verwendet. Wir wollten deshalb wissen, was es mit dem Material auf sich hat und haben Friedrich zum Materialtest in das Bionik-Innovationszentrum der Hochschule Bremen (BIC) begleitet.
Bei norddeutschem Wetter besuchen Friedrich und ich die Hochschule Bremen. In dem klassischen 80-Jahre Bau begegnet uns der offene Geist schon in der modernen Cafeteria, wo uns Milan abholt. Hier in der Hochschule unterstützen Professor Jörg Müssig und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Milan Kelch von der Arbeitsgruppe „Biobasierte Biologische Werkstoffe“ Friedrich in der Entwicklung seiner Materialien auf wissenschaftlicher Ebene.
Im zweiten Stock liegen die Räume für die AG Biologische Werkstoffe in der Bionik, die Wissenschaftler erwarten uns schon zum Test. Vorab bekomme ich von den Dreien beim Kaffee eine Einführung in ihr Fachgebiet.
Bionik
Der Begriff „Bionik“ setzt sich zusammen aus den Bereichen Biologie und Technik. Er beinhaltet die kreative Umsetzung von Anregungen aus der Biologie in die Technik. Biologen, Ingenieure, Architekten, Physiker, Chemiker und Materialforscher arbeiten in dieser Disziplin eng zusammen. Die Wissenschaftler nutzen dabei die Erkenntnisse aus biologischen Strukturen und Prozessen, die sich in der evolutionären Entwicklung durchgesetzt haben. Dabei kopieren die Bioniker nicht, sondern übertragen die biologischen Prinzipien in abstrahierter Form auf technische Lösungen.
Gute Voraussetzungen für Naturfasern
Wir kennen Ergebnisse der Bionik schon lange: Der Klettverschluss oder der Lotuseffekt sind typische Beispiele. Aber auch im Bootsbereich spielt die Bionik eine wichtige Rolle. Ein gutes Beispiel ist die Funktionsweise der Haihaut. Die WissenschaftlerInnen am BIC haben herausgefunden, dass der Hai keine Probleme mit Biofouling hat, er ist frei von Seepocken und anderen Bio-Belägen.
Die BionikerInnen untersuchten dieses Phänomen und fanden heraus, dass ein Zusammenspiel aus Oberflächenstruktur und Beweglichkeit der Schuppen die Haut vor Belag schützt. Mit einer Mischung aus Elastomeren (formfester, aber beweglicher Kunststoffe) und einer entsprechenden Oberflächenstruktur fanden sie die technische Entsprechung dafür und entwickelten daraus einen bionischen Antifouling-Anstrich in Zusammenarbeit mit der Firma Vosschemie.
Prof. Jörg Müssig beschäftigt sich in seiner Arbeitsgruppe im BIC mit der Entwicklung biobasierter Werkstoffe, unter anderem mit Flachsfaser-Verbundwerkstoffen, wie sie Friedrich Deimann in seiner Bente verwendet. Innovationen, so Müssig, entstehen, wenn ein neuer Werkstoff und neue Verfahrungstechniken entwickelt werden, oder, wenn etwas Altbekanntes, wie eine Naturfaser, mit neuen Fertigungsverfahren und unter anderen Rahmenbedingungen produziert werden.
„Naturfasern sind in der Menschheitsgeschichte ja schon immer verwendet worden. Der Unterschied ist, dass es heute neue Fertigungsverfahren gibt, die Fasern und textile Produkte ermöglichen, die vorher nicht denkbar waren.“
In die Produktbewertung fließen heute auch die CO2-Neutralität oder der ökologische Rucksack ein, denn Unternehmen müssen und wollen ihren CO2-Ausstoß reduzieren und da sind naturfaserbasierte Werkstoffe interessant. Es geht den Unternehmen dabei weniger um Marketing, als um ihre Bilanz. Dass in einem Mercedes Benz der gehobenen Klasse ca. 50 Kilogramm Naturfaser-Verbundstoffe herumfahren und viele Teile biobasiert sind, wissen die wenigsten, weil es nicht kommuniziert wird.
Der Trabant hat es vorgemacht
Jörg Müssig steht auf und holt aus dem Nebenraum einen Trabant-Kotflügel. „Der Trabi ist aus dem ersten, komplett biobasierten, faserverstärkten Verbundwerkstoff auf der Basis von Baumwolle gebaut worden, weil es in der DDR an Stahl mangelte, es stattdessen aber eine gute Versorgung mit Baumwolle aus Usbekistan und Tadschikistan gab.
Die DDR-Ingenieure haben daraus einen faserverstärkten Verbundwerkstoff entwickelt. Sie haben sogar schon eine Sandwichstruktur gebaut: Außen chemisch behandelte Fasern, die nicht mehr quellen können und normale Baumwollfasern in der Innenlage. Daraus hat sich der gesamte Automobilbereich eine Menge abgeschaut.“
Auch Friedrich Deimann hat sich die Verwendung von faserbasierten Verbundwerkstoffen für seine Green Bente von der Automobilindustrie abgeschaut, die in der Material-Entwicklung immer einen Schritt voraus ist.