Um neu zu denken, darf man keine Grenzen im Kopf haben. Harold Guillemin von Finx hat es bei der Entwicklung seines neuartigen elektrischen Bootsmotors den Fischen im Meer abgeschaut: Die erleben auch keine Grenzen – und sind zu erstaunlichen Leistungen fähig. „Der Schwertfisch ist bis zu 60 Knoten schnell, ganz ohne Propeller“, sagt der französische Ingenieur lächelnd.
Die Leistungen der Tierwelt sind seinem jungen Startup Finx ein Ansporn, noch schneller zu schwimmen als bisher. Dabei war der erste Sprung ins kalte Wasser bereits erfolgreich: Im Sommer sollen die ersten der ungewöhnlichen Außenbordmotoren von Finx auf den Markt kommen, die bis zu fünf Knoten schnell laufen.
„Der Antrieb ist direkt von der Natur kopiert“, erklärt Guillemin. Sein Motor Finx 5 kann als Musterbeispiel der Bionik gelten – also der Diszipin, technische Anleihen an die Natur zu nehmen. Finx 5 ist bionisch, indem er die Bewegung der Qualle nachahmt. Guillemin dreht am Gasgriff seines Motors, der auf der boot Düsseldorf 2023 als Demonstrationsobjekt in einen transparenten Wassertank gestellt wurde. Augenblicklich beginnt es in dem kleinen Bassin heftig zu sprudeln.
„Alles völlig ungefährlich – keine Verletzungsgefahr durch einen Propeller.“ Der zierliche Bretone dreht voll auf, und ein gewaltiger Strudel peitscht das Wasser auf. Finx 5 könnte mit der Kraft der Qualle auch einen Whirlpool antreiben. Wie geht das?

Bis zu 15 Seemeilen Reichweite
Eigentlich ganz einfach, man muss nur darauf kommen: Ein elektromagnetischer Antrieb versetzt eine ringförmige Gummi-Membran in Schwingungen, die per Rückstoßprinzip das Wasser nach hinten drückt. Mit bis zu fünf PS schiebt der blitzartig hin- und herschlappende Gummiring kleine Boote durchs Wasser. Mit voller Leistung ist – je nach Bootsgröße – eine Reichweite von eineinhalb bis zwei Stunden möglich, so der Ingenieur gegenüber float. Wer nur mit halber Kraft unterwegs ist, kommt bis zu sechs Stunden weit. Das entspricht dann etwa 15 Seemeilen.
Von außen ist dieses erstaunliche Antriebsprinzip kaum zu erkennen. Aus dem Wasser ragt nur der relativ kompakte Kopf mit Steuerungselektronik sowie Drehgriff, sehr ähnlich einem konventionellen Außenborder. Unter der Wasserlinie befindet sich der klobige Antrieb: ein röhrenartiger Fortsatz. In dem kreisrunden Tunnel ist kein Impeller, sondern einfach nichts.

Um die Rückseite dieses Kanals zieht sich eine rote Membran, mit zwölf Schrauben an beweglichen Bolzen befestigt. Unsichtbar innerhalb der Tunnelwände ist der elektromagnetische Motor verbaut, der diese Bolzen mit Tempo um wenige Millimeter hin- und herversetzt, und hin und her und hin und her … Das erzeugt einen Sog durch den Kanal, der Wasserstrom wird zum Rückstoß für das ganze Boot. Aus einem 48-Volt-Akku zieht Finx 5 seine Energie.
Weniger Lärm, Vibration, Bewegung
Die Membran wird durch rhythmische Strom-Impulse in Schwingungen versetzt. Es ist also kein Dauerstrom notwendig, das spart Energie. „Die Leistung ist vergleichbar mit einem kleinen Benzin-Außenborder, aber es ist viel sicherer“, sagt Guillemin. Auch für den Antrieb selbst. Von einem Propeller geht aufgrund seiner Exponiertheit nicht nur Gefahr aus, er befindet sich selbst ebenfalls permanent in Gefahr: Er kann gegen etwas Hartes schlagen und Schaden nehmen, oder von einer Leine oder anderem Unrat umwickelt und manövrierunfähig werden. Beim Finx 5 sei das ausgeschlossen.

Auch die Lärmentwicklung, Vibration und Wasserbewegung ist erheblich geringer als bei einem Schraubenantrieb – und somit viel naturnäher. „Außerdem ist der Motor leicht zu warten.“ Keine Schraubenwelle kann verschleißen, das Getriebeöl muss fast nie erneuert werden. Der Motor wiegt mit 20 Kilogramm auch nicht allzu viel – etwas mehr als der neue Elektro-Außenborder Avator von Mercury.
Hinzu kommt: Finx 5 ist „connected“. Man kann per App zum Beispiel den Ladestand abfragen und in Echtzeit auf einer Landkarte kontrollieren, wo das Boot sich gerade aufhält. „Charterfirmen lieben den Motor bereits“, sagt Guillemin. Man stehe natürlich noch am Beginn der Verhandlungen, das Produkt ist brandneu.