Man findet sie auf jedem Sportboot mit Dieselmotor: die Lichtmaschine. Die Hauptaufgabe dieses Mini-Generators ist es, die Starterbatterie nach dem Motorstart wieder aufzuladen. Als Nebeneffekt werden in der Regel die Verbraucherbatterien mitgeladen. So weit, so gut. Man sollte meinen, dass so ein „langweiliges“ Bauteil nicht unbedingt einen float-Artikel wert ist.
Bemerkenswert ist jedoch, dass die britische Firma „integrel Solutions“ auf der diesjährigen METS schon zum zweiten Mal einen prestigeträchtigen DAME-Award gewonnen hat. Das Produkt der Briten: Lichtmaschinen. Steckt vielleicht doch mehr Potenzial in der Technologie als nur ein bisschen Extra-Strom für das Bordnetz?
Die neueste Generation von Lichtmaschinen bietet eine große Chance für eine effizientere Energieversorgung und mehr Komfort an Bord. Langfristig könnten Lichtmaschinen sogar der Schlüssel zu einer massentauglichen Hybridtechnologie auf Booten sein.
Strom am Bord: die ewige Mangelware
Die Zeiten des spartanischen Lebens auf Langfahrt-Booten sind vorbei. Puristen, die vor Anker mit einem kleinen Solarpaneel auskommen, sind mittlerweile, zumindest im Mittelmeer und in der Karibik, eine Seltenheit. Der Trend geht zu großen Yachten mit viel Komfort. Gimmicks wie Wassermacher, Wasch- und Spülmaschinen, Mikrowellen und Klimaanlagen an Bord sind fast schon Standard.
So ausgerüstet stehen moderne Fahrtenyachten einer Ferienwohnung in puncto Wohnqualität in nichts nach. Doch es gibt einen Haken an der Geschichte: Alle diese Geräte brauchen Strom. Und zwar nicht zu knapp.
Doch wo bekommt man den Strom her, wenn man nicht jede Nacht in einer Marina verbringen möchte? Wer nicht gerade einen Katamaran mit genug Decksfläche für mehrere Kilowatt Solarleistung hat, wird um fossile Brennstoffe (in diesem Fall Diesel) als Energiequelle nicht herumkommen. Auch wenn es immer wieder vollmundig angekündigt wird: Für Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff oder Methanol funktionieren, fehlt leider die Versorgungsinfrastruktur. Und das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern.
Bewährt, aber ineffizient: Generatoren
Die klassische Lösung, die auf Yachten schon seit Jahrzehnten eingesetzt wird, ist ein Wechselstrom-Generator. Während der Generator läuft, kann man Haushaltsgeräte genauso verwenden, als hätte man Landstrom zur Verfügung.
Das ist simpel und funktioniert. Ist aber auch ein ziemlich teurer Spaß. Ein solche „simple“ Generatorinstallation macht auf Fahrtenyachten eigentlich nur Sinn, wenn man entweder den Wechselstrom nur kurzzeitig braucht, z.B. zum Kochen, und den Generator nur während dieser Zeit laufen lässt. Oder wenn man dauerhaft große Verbraucher betreibt, was aber außer auf Superyachten eher selten der Fall sein dürfte. In allen anderen Fällen ist ein solches System extrem ineffizient.

Ein Beispiel: Angenommen, man möchte über Nacht eine Klimaanlage betreiben. Dann muss der Generator die ganze Nacht durchlaufen, auch wenn die Klimaanlage im Schnitt nur alle 20 Minuten für 5 Minuten anspringt. In dieser Zeit läuft der Generator dann mit einer Auslastung von vielleicht 25% seiner Nennleistung. Den Rest der Zeit mit 0%. Der Dieselverbrauch pro erzeugter Kilowattstunde Strom ist in solchen Fällen locker 10 bis 20 mal höher, als bei optimaler Auslastung des Generators möglich wäre.
Hinzu kommen die Kosten für die Abnutzung. Die ist bei Dieselmotoren besonders hoch, wenn sie nur mit geringer Last laufen. Aber auch unter Idealbedingungen hat ein typischer Generator eine Lebensdauer von 6.000 Stunden. Läuft er 24 Stunden am Tag, sind das gerade einmal 250 Tage! Auf Langfahrt wäre somit theoretisch spätestens alle ein bis zwei Jahre ein neuer Generator fällig. Zudem fallen auch zwischendurch Kosten und Aufwand für Wartung und Wechsel von Filtern und Öl an.
Alles in allem ist ein solches System die wahrscheinlich teuerste Art, an Bord Strom zu erzeugen. Und ganz nebenbei bemerkt: Mit einem laufenden Generator am Ankerplatz macht sich niemand Freunde.
Etwas besser sieht es mit Effizienz und Abnutzung bei modernen Generatoren aus, die eine variable Drehzahl haben. Solche Geräte sind bei geringerer Auslastung effizienter. Aber auch diese müssen permanent laufen, wenn Strom benötigt wird.
Batterien als Puffer
Deutlich effizienter und komfortabler kann man ein solches System gestalten, wenn man moderne Leistungselektronik mit einer gut dimensionierten Batteriebank kombiniert. Benutzt man ein modernes Inverter/Lader-Kombigerät, so kann man die Batteriebank als Puffer verwenden. Kleinere Verbraucher können dann komplett über die Batteriebank betrieben werden, ohne dass der Generator laufen muss. Sind die Batterien ausreichend dimensioniert, lässt sich sogar über Nacht eine Klimaanlage betreiben. Ganz ohne nervigen Generatorenlärm.

Sobald die Batteriebank einen kritischen Ladezustand erreicht, wird der Generator gestartet, um die Batterien wieder aufzuladen. Mit qualitativen AGM-Batterien oder einer entsprechend ausgelegten Lithium-Ionen-Batterie kann man (mit entsprechend dimensionierten Ladegeräten) Laderaten von 1C erreichen. Das heißt, man kann die Batterie theoretisch innerhalb einer Stunde komplett laden. (Theoretisch deshalb, weil die Laderate insbesondere bei Bleibatterien mit zunehmender Ladung zurückgeht. Das Problem bekommt man aber mit einer gut dimensionierten Solaranlage, die über den Tag hinweg die letzten paar Prozent in die Batterie pumpt, ganz gut in den Griff.)
Aber: Trotz des Komfortgewinns und der Kostenersparnis durch kürzere Generatorlaufzeiten mit besserer Auslastung braucht man in einem solchen System immer noch einen Generator. Ein solches Gerät braucht Platz, ist schwer und erfordert regelmäßige Wartung. Im Prinzip hat man fast den gleichen Aufwand wie mit einer zweiten Antriebsmaschine. Bei genauerer Betrachtung drängt sich da natürlich schnell die Frage auf, ob man nicht mit einem einzigen Dieselmotor an Bord auskommt, der sowohl für Antrieb und Stromerzeugung genutzt werden kann.
Lichtmaschinen auf Steroiden
Die Idee ist nicht neu. Bootsdiesel sind ja schon seit Menschengedenken mit einer Lichtmaschine ausgestattet, die die Starterbatterie und häufig auch die Verbraucherbatterien lädt. Allerdings liefern die mitgelieferten Lichtmaschinen, wenn überhaupt, nur unter Idealbedingungen ihre angegebene Leistung. Wer vor Anker im Leerlauf versucht, seine Batterien effizient zu laden, wird schnell enttäuscht sein. In diesem Fall ist ein Bootsdiesel mit Standardlichtmaschine ähnlich (in)effizient wie ein unterforderter Generator.

Aktueller Spitzenreiter ist das seit einigen Jahren erhältliche „Integrel“-System, das bereits im Leerlauf bei 1.000 Umdrehungen bis zu 4 kW liefert. Bei normaler Marschfahrt sind bis zu 9 kW drin. Das System ist seit mehreren Jahren erfolgreich auf mehreren hundert Booten im Einsatz und viele Eigner, die anfangs noch einen Generator als „Backup“ an Bord hatten, haben diesen mittlerweile ausgebaut. Ganz billig ist eine solche Integrel-Lichtmaschine allerdings auch nicht. Die Kosten liegen mit ca. 15.000 Euro im selben Bereich wie die für einen Generator mit ähnlicher Leistung.
Der Nachteil der Integrel-Lösung ist, dass aufgrund der hohen Ströme eine 48-Volt-Batteriebank nötig ist. Dadurch ist die Nachrüstung eines solchen Systems relativ aufwendig und zieht zusätzliche Kosten nach sich.
Es gibt aber auch andere Hochleistungs-Lichtmaschinen, die mit 24 oder 12 Volt arbeiten. Dadurch lassen sie sich deutlich einfacher in bestehende Systeme integrieren. Die Leistung ist bei diesen Lichtmaschinen nicht ganz so hoch wie beim Integrel-System, aber für die meisten Segler immer noch locker ausreichend.
Die 5 kW Spitzenleistung, die beispielsweise das 12-V-Modell HPI-360-EXT-14 von American Power Systems liefert, ermöglichen es, selbst eine relative große Batteriebank innerhalb einer Stunde vollständig zu laden und nebenbei noch ein ansehnliches Mittagessen im elektrischen Backofen zuzubereiten.
Sprit und Geld sparen
Wie sieht es mit der Effizienz von solchen Hochleistungslichtmaschinen im Vergleich zu einem Generator aus? Die kurze Antwort ist: ziemlich gut! Beim Integrel-System beispielsweise läuft der Bootsdiesel im Leerlauf (wenn die Batterien vor Anker geladen werden sollen) in einem Effizienzbereich, der dem von optimal ausgelasteten Generatoren nahe kommt. Der spezifische Kraftstoffverbrauch liegt dann bei unter 400g/kWh.

Doch sein volles Potenzial entfaltet das System, wenn der Motor sowieso benutzt wird, wie bei Ankermanövern oder Hafeneinfahrten. Die physikalischen Eigenschaften von Schiffsschrauben sorgen dafür, dass ein Bootsmotor im Bereich normaler Marschfahrt nicht im optimalen Effizienzbereich arbeitet. Werden dem Dieselmotor durch die Montage einer starken Lichtmaschine ein paar Kilowatt Extrabelastung in diesem Drehzahlbereich abverlangt, so erhöht dies die Effizienz des Motors.
So bekommt man für einen minimal höheren Spritverbrauch eine ganze Menge elektrischer Energie quasi geschenkt. Und nebenbei ist es für einen Dieselmotor deutlich gesünder, wenn er optimal belastet wird und nicht unterfordert, wie leider auf vielen Segelyachten üblich.
In der Praxis gab es zwar bisher (zumindest nach Angaben des Integrel-Herstellers) keinerlei Anzeichen für übermäßigen Verschleiß der Lager auch nach jahrelangem Einsatz. Aber im Zweifel könnte es zu Streitigkeiten mit den Motorherstellern bzgl. Garantieansprüchen kommen.
Ein weiteres Problem ist möglicher Schlupf des Keilriemens. Auch Hightech-Keilriemen haben irgendwann Grenzen bei der Belastbarkeit. Viel mehr als 10 kW Leistung lässt sich so nicht übertragen. Und dann ist da noch die Sache mit der Strombelastbarkeit der Kabel. Viel mehr als 300 Ampere vertragen selbst die dicksten handelsüblichen Kabel nicht, ohne zu schmelzen.
Das ist auch der Grund für die 48 V Betriebsspannung des Integrel-Systems. Bei höheren Leistungen sind höhere Spannungen nötig, um die Energie von der Lichtmaschine in die Batteriebank zu übertragen.
Ein Blick in die Zukunft
Um noch höhere elektrische Leistung aus der Antriebsmaschine zu kitzeln, ist also eine höhere Betriebsspannung und eine Optimierung der Kraftübertragung vom Motor zur Lichtmaschine nötig. Die Hersteller des Integrel-Systems haben diese Herausforderungen angenommen. Die Prototypen der drei Varianten des auf der diesjährigen METS mit dem DAME-Award ausgezeichneten Next Gen Integrel Systems liefern laut Hersteller 10 kW in der 48-V-Variante, 50 kW in der 96-V-Variante und beeindruckende 100 kW in der 350-V-Version.

Mit solchen Leistungen könnte man selbst auf Superyachten auf einen Generator verzichten. Um das Problem mit dem Keilriemen zu lösen, wird das System direkt zwischen Dieselmotor und Getriebe bzw. Saildrive installiert. Das bedeutet allerdings, dass ein Nachrüsten dieser wassergekühlten Hochleistungsgeneratoren sehr aufwändig wäre. Im Gegensatz zum ursprünglichen Integral-System sind hier also eher Werften die Zielgruppe, die das System direkt beim Design der Antriebseinheit berücksichtigen können.
Es stellt sich natürlich die Frage, was man eigentlich mit so viel Strom an Bord anfangen soll. Selbst große Yachten haben selten einen Energiebedarf, der über ein paar kW hinausgeht – es sei denn, sie haben einen elektrischen Antrieb.
Die nächste Idee
Und genau hier liegt die nächste Idee der Integrel-Entwickler. Wie die meisten Generatoren können auch die Integral-Systeme als Motor fungieren. Und so könnte man das Integrel-System zwischen Maschine und Getriebe auch nutzen, um die Energie aus der Batterie in Antriebsenergie zurückzuverwandeln.
Sollte es das Integrel-Team wirklich schaffen, Drehzahl und Drehmoment so zu regeln, dass der zwischen Maschine und Getriebe platzierte Elektromotor effizient den Propeller antreibt, so wäre dies ein beachtlicher Erfolg bei der Entwicklung von Parallel-Hybridsystemen an Bord.
Man hätte quasi ein All-in-one-System: Elektroantrieb, Generator und Dieselantrieb. Und das Ganze mit nur minimal größerem Platzbedarf als ein herkömmlicher Dieselmotor. Es bleibt spannend!
Wer tiefer in die Materie einsteigen will, dem möchte ich unseren englischsprachigen Onlinekurs Advanced Marine Electrics auf BoatHowTo.com ans Herz legen. Der Kurs enthält Module zum Thema Generatoren, Lichtmaschinen, Elektro- und Hybridantriebe und Ansätze zur Optimierung von Energieerzeugung an Bord.