In der „Ask the Expert“-Serie auf dem YouTube-Kanal BoatHowTo diskutiere ich mit Bootstechnik-Guru Nigel Calder regelmäßig interessante Themen aus dem Bereich Bootstechnik. In dieser float-Serie fassen wir die wichtigsten Gespräche auf Deutsch zusammen und geben weitere Hintergrundinfos.
Elektrische Systeme auf Booten werden immer komplexer. Mittlerweile finden sich selbst auf kleinen Booten mehrere hundert Meter Kabel. Doch wie dick müssen diese sein? (Bzw. in Fachsprache: Welcher Kabelquerschnitt ist nötig?) Gerade bei der Erneuerung oder Erweiterung eines elektrischen Systems ist das eine essenzielle Frage, um Sicherheit und Zuverlässigkeit zu gewährleisten.
Im Gespräch mit Nigel erklären wir die beiden Hauptfaktoren, die für die Wahl des Kabelquerschnitts relevant sind: Strombelastbarkeit (ampacity) und Spannungsabfall (voltage drop).
Strombelastbarkeit: Bloß nichts anbrennen lassen!
Die Strombelastbarkeit ist der maximale Strom, den man durch ein Kabel schicken kann, ohne dass das Kabel überhitzt und die Isolierung schmilzt. Das wiederum hängt von der Isolationstemperaturklasse der Isolierung ab. In den ABYC- und ISO-Standards gibt es aus diesem Grund eine separate Tabelle für die Strombelastbarkeit abhängig von der Isolationstemperaturklasse (hier gibt es die für den europäischen Raum relevante ISO-Version der Tabelle).
Aus den Tabellen kann man entnehmen, dass man durch Kabel mit hoher Temperaturbeständigkeit deutlich höhere Ströme schicken kann, ohne dass die Isolierung anfängt zu schmelzen. (In Europa sind Kabel mit hohen Isolationstemperaturklassen eher selten. Wenn auf dem Kabel keine entsprechende Angabe aufgedruckt ist, sollte man von maximal 70 Grad Celsius ausgehen.)

Die Tabellen beziehen sich auf einzeln verlegte Kabel außerhalb von Maschinenräumen. Denn in Maschinenräumen ist es bereits so schon warm (je nach Standard wird von Temperaturen von 50 bzw. 60 Grad Celsius ausgegangen). Sollte das Kabel also innerhalb des Motorraums verlegt werden, ist es schon „vorgeheizt“. Die Isolierung würde schneller schmelzen, wenn das Kabel durch den Stromfluss erwärmt wird. Darum gibt es in den Standards Faktoren, die die Strombelastbarkeit entsprechend reduzieren.
Das Gleiche gilt für Leiter, die im Bündel mit anderen Kabeln verlegt sind. Da die anderen Kabel auch warm werden können und diese Wärme an ihre Nachbarn abgeben, reduziert sich die Strombelastbarkeit um einen zusätzlichen Faktor, der umso größer wird, je mehr Kabel gemeinsam verlegt werden. Ein Faktor, der dagegen keinen Einfluss auf die Strombelastbarkeit hat, ist die Länge des Kabels. Die Länge ist dafür beim Spannungsabfall essenziell.
Spannungsabfall minimieren: Nichts für den Restmüll
Kupfer hat einen sehr niedrigen elektrischen Widerstand. Darum eignet es sich so gut als Material für elektrische Leiter. Doch auch durch ein Kupferkabel können die Elektronen nicht ungehindert fließen. Und je länger das Kabel, desto mehr werden die Elektronen ausgebremst: Ein 10-Meter-Kabel hat einen doppelt so hohen Widerstand wie ein 5-Meter-Kabel.
Das Problem ist, dass der Widerstand dafür sorgt, dass die Spannung am Ende des Kabels geringer wird. Wenn in einem Stromkreis die Spannung um 10 Prozent fällt, dann kommen, wenn an der Batterie 12 Volt Spannung anliegen, beim Verbraucher nur noch 10,8 Volt an.