Jochen Schümann, deutsche Segellegende und dreimaliger Olympiasieger, bringt es auf den Punkt: „Boris ist medial das Beste, was dem deutschen Segeln seit langer Zeit passiert ist.“ Keine Frage, Boris Herrmann hat es geschafft. Er hat Segeln erst in die Wohnzimmer der Deutschen gebracht, dann in ihre Herzen. Nicht nur Sportformate berichteten über die abenteuerlichste Regatta der Welt. Das charmante, bisweilen fast schüchtern wirkende Nordlicht Boris Herrmann – die neue Segelikone – hat es mit der Vendée Globe bis in die Tagesschau geschafft.
Nach 80 Tagen um die Welt lag eine Sensation in der Luft und dummerweise ein Fischtrawler kurz vor dem Ziel im Weg. Aus der Dramatik eines noch nie dagewesenen Zieleinlaufs, bei dem nach 44.000 Seemeilen die ersten Segler nur wenige Stunden auseinander lagen, wurde ein deutsches Drama. Der Crash mitten in der Nacht kostete Herrmann den möglichen Sieg.
Stoff, aus dem Legenden sind
„Das rechte Foil pendelt wie ein gebrochener Arm in den Wellen. Es sieht grauenhaft aus. Aber das Foil ist jetzt zweitrangig. Ich brauche eine neue Oberwant. Mir fällt das Ersatz-Vorstag ein: ein enorm stabiles Kunstfaserkabel, das ich bei bestimmten Segelkombinationen zwischen Mastspitze und Bug spanne, um das Rigg zu stützen. Es hängt jetzt ungenutzt am Mast. Wenn das Stag vorne bis zur Schiffsspitze reicht, müsste es auch seitlich reichen, bis zum Ende des Outriggers. Es dürfte allerdings schwierig sein, es dort zu befestigen und durchzusetzen.“
Dank dieser Notreparatur schaffte er es aber dennoch ins Ziel. Als Fünfter. Stoff, aus dem Legenden gestrickt werden. Und eben Bücher. In „Allein zwischen Himmel und Meer“ hat Boris Herrmann seine Erlebnisse verarbeitet. Auf 320 Seiten gibt der Profisegler Einblicke in sein Seelenleben während des Marathons der Meere, erlaubt Blicke hinter die Kulissen des Rennzirkus.
In Andreas Wolfers hat Herrmann einen Autor gefunden, der es versteht, aus Herrmanns Erinnerungen und Aufzeichnungen einen spannenden Bogen zu schlagen. Wolfers, geboren in Flensburg, ist auf dem Wasser groß geworden. Als Jugendlicher segelte er viele Regatten, überquerte später den Atlantik.
Ein guter Freund als Autor
In der 1980er-Jahren war er Redakteur bei der Yacht, ehe er für Politikmagazine aus Nahost berichtete. Später schrieb er für Geo, war Textchef beim Stern und leitete viele Jahre die Henri-Nannen-Schule, die Kaderschmiede des Hamburger Verlags Gruner + Jahr.
Zudem war Wolfers der Sprecher der Jury des Nannen-Preises, des renommiertesten deutschen Journalistenpreises. Vor allem aber ist Wolfers ein guter Freund von Boris Herrmann. Eine Kombination, die viel verspricht.

Besessen von der gleichen Idee
Und so ist das Buch auch mehr als eine bloße Erzählung vom jungen Mann und dem Meer. Als Journalist weiß Wolfers, wie wichtig der Blick durchs Schlüsselloch ist. Er lässt Herrmann über die langwierige und strapaziöse Vorbereitung berichten, die Verbindungen zum Fürstentum von Monaco, die vielen Tage und Stunden allein auf See, die Ups und Downs.
Und er versteht es, das Buch auch für Landratten spannend zu halten, indem er das übliche Seglerlatein in verständliche Sprache übersetzt, ohne dass es für eingefleischte Segler langweilig wird.
„Da lag diese millionenteure Rennyacht mit dem eleganten Schriftzug ‚Yacht Club de Monaco‘ an der Bordwand – und niemand ahnte, wie knapp bei Kasse wir waren. Manchmal ankerten wir in Buchten, um das Hafengeld zu sparen, und weil wir kein eigenes Schlauchboot hatten, paddelten wir mit Stand-up-Boards an Land. Wir löffelten Essen aus Dosen, hatten kein Büro, und wenn wir wochenlang in der Bretagne trainierten, dem Zentrum der Vendée-Seglerszene, dann schlief ich in meinem Bulli.

Für jeden Geschmack etwas
Das Buch erzählt chronologisch den Ablauf der Vendée Globe. Trotzdem schafft das Autorenduo es, durch Rück- und Einblicke die Spannung zu erhalten. Selbst für die, die das verrückte Rennen um die Welt von der ersten Minute an am Computer in Live-Streams, Videos und Analysen verfolgt haben.
Ein bisschen erinnert das Buch auch an das Selbstverständnis des Magazins Stern, für das Wolfers gearbeitet hat. In Redaktionskonferenzen wird das Mantra der ‚Wundertüte‘ beschworen. Für jeden Geschmack soll etwas dabei sein. Und so ist auch „Allein zwischen Himmel und Meer“ ein Buch für die ganze Familie. Aspekten wie Umweltschutz räumen die Autoren viel Platz ein, natürlich auch dem Privaten.