„Aber nirgendwo auf den Weltmeeren zeigen sich die Folgen des Klimawandels so drastisch wie in der Arktischen See. So etwas mit eigenen Augen zu sehen, das prägt. (…)2018 installierten wir auf unserem Schiff ein Bordlabor zur Messung von CO2-Daten im Meer. Segeln und Klimaschutz verwoben sich auf diese Weise in unserer Kampagne.
Das Ganze gipfelte 2019 in der gemeinsamen Atlantiküberquerung mit Greta Thunberg zur UN-Klimakonferenz nach New York. „A Race We Must Win“ steht als zentrale Botschaft in den Segeln der Seaexplorer, daneben das Logo der UN-Nachhaltigkeitsziele.“
Essen und Schlafen extrem
Das Gute an der Zusammenarbeit mit einem Autoren ist, dass auch ganz profane Dinge Beachtung finden, die für den Protagonisten einer Autobiografie eher alltäglich sind. Banale Dinge wie Essen und Schlafen unter extremen Bedingungen. Und so lässt Wolfers Herrmann auch darüber detailliert berichten.
„Mein eigentlicher Wohn- und Arbeitsbereich beschränkt sich auf das mittlere Rumpfdrittel, auf sechs Quadratmeter. In Längsrichtung zerteilt der hüfthohe „Tunnel“ den Raum, ein Hohlkörper, durch den mehrere Dutzend Leinen zwischen Cockpit und Mast laufen. Mein einziges Möbelstück ist ein ergonomisch geformter Schalensitz. (…)
Ich habe Proviant für achtzig Tage an Bord, insgesamt 150 Kilogramm.(…) Und wie bei meinen früheren Weltumsegelungen habe ich drei winzige Fläschchen „Talisker“-Whisky dabei. Jedes Mal, wenn ich eines der drei legendären Sturmkaps umrunde, will ich mich mit einem Fingerhut davon belohnen.
Das Abenteuer live und ungeschnitten
Schon während der Vendée Globe hatte Herrmann fast täglich Videos von Bord der Seaexplorer gesendet, Interviews gegeben und an Fragerunden teilgenommen. Wie alle Teilnehmer. Die Veranstalter wollten das so. Die Welt sollte die Abenteuer der 33 Männer und Frauen ungeschnitten und nur um wenige Stunden verzögert miterleben können.
Die offene, aber zurückhaltende Art von Boris Herrmann imponierte dem Publikum. Schnell wurde er zum Liebling der Zuschauer. Nicht nur der Deutschen. Herrmann gerierte sich nicht als Draufgänger, sondern gestand seine Gefühle freimütig ein.
Und das findet sich natürlich auch in seinem Buch wieder. Herrmann berichtet von seinen Stimmungsschwankungen an Bord, wie er pendelte zwischen Euphorie und Selbstzweifel, selten ausgeglichen war.
„Umso wichtiger sind für mich Fotos, meine Erinnerungen an zu Hause. An der Decke kleben große Bilder von Birte und Marie-Louise, unserer sechs Monate alten Tochter, die wir alle nur Malou nennen. (…) Viel mehr Persönliches gibt es nicht.
Anschaulicher Erzählgenuss
„Der abrupte Wechsel vom Leben an Land zur Einsamkeit auf See ist einfach brutal. Nirgendwo auf der Welt ist der Mensch isolierter, abgeschnittener und mehr auf sich gestellt als auf hoher See. Das kann eine bohrende Angst und Verzweiflung auslösen, selbst wenn noch andere Menschen an Bord sind.“
Das Buch ist aber keine Gefühlsduselei mit Ökoanstrich, auch eingefleischte Segler werden ihre Freude daran haben. Ausführlich berichtet Herrmann, wie er zu dem Segler wurde, der er heute ist. Wodurch und durch wen er gelernt hat, was es kostet, eine „gebrauchte, einigermaßen vernünftige Yacht für dieses Rennen“ zu entwickeln, wie er heikle Situationen auf hoher See meisterte.
Vom Land entfernter als Astronauten der ISS
Wolfers, der Journalist, verknüpft die persönlichen Anekdoten Herrmanns mit Hintergrundinformationen. Er verwandelt schwere Sachverhalte in leichte Kost und zieht Vergleiche heran, die die Dimension der Regatta verständlich machen: „Die meiste Zeit über sind die Segler vom Festland weiter entfernt als die Astronauten der ISS von der Erde.“