Die anschauliche Erzählweise macht das Buch zum Lesegenuss. Und so werden Begriffe wie die „Rossbreiten“ oder die „Innertropische Konvergenzzone“ nicht einfach erwähnt, sondern auch lehrreich und unterhaltsam erklärt.
Das Buch ist keine Heldenverklärung Hermanns, vielmehr ist es eine Hommage an die anderen Teilnehmer der Vendée Globe, die für Herrmann nach wie vor Vorbilder sind. Und so ist es ihm auch abzunehmen, dass er mit jedem Teilnehmer, der Schiffbruch erleidet, mitleidet.
„Alex’ Schiff ist ernsthaft beschädigt. Ich bin entgeistert. Der Abnutzungskrieg, von dem mein Freund vor dem Start in düsterer Vorahnung sprach, hat ihn nun selbst erwischt. Ausgerechnet Alex! Ich kenne niemanden, der dieses Rennen so detailversessen vorbereitet hat, so kompromisslos, so wissenschaftlich fundiert und zugleich so kühn und visionär im Design seines Schiffs.
Ich schicke ihm eine Nachricht per WhatsApp: »Gib nie auf! Das Rennen ist lang, wir haben erst zwanzig Prozent hinter uns. Dein Boot wird im Süden zeigen, was in ihm steckt. Zeig’s uns! Denk noch nicht mal daran zu zweifeln! Alex antwortet sofort: „Mir geht’s gut, mein Freund. Hab nur eine ziemlich fette Reparatur vor mir.“
Der Antiheld
Unter den vielen Helden der Vendée Globe erscheint Herrmann wie der Antiheld. Als sich das Fallenschloss vom Gennaker nicht löst, muss Herrmann in den Mast. Mitten auf dem Atlantik. Es wäre ein Leichtes, daraus eine tollkühne Story zu stricken. Herrmanns geht so:
„Ich hänge in knapp dreißig Metern Höhe an einem brutal hin- und herschwankenden Mast. Das Schiff unter mir sieht sehr klein aus. Die Höhenangst schlägt zu. Mein Bauch zieht sich zusammen, und ich blicke schnell zum Horizont.
Die Sonne ist gerade untergegangen, der Himmel glüht aber noch hell genug, um die Beschläge an der Mastspitze genau zu erkennen. Ich untersuche das Fallenschloss. Es gelingt mir nicht, es mit der Hand zu entriegeln.“
Die Suche nach Kevin Escoffier
Der wohl tragischste Moment der Vendée Globe ist der Untergang der „PRB“ und die stundenlange Suche nach dem Skipper Kevin Escoffier. Dazu schreibt Herrmann:
„Die nächsten zwölf Stunden werde ich wohl nie vergessen, auch wenn ich es gern täte. Erst im Rückblick ist mir klar geworden, wie alles ineinandergegriffen hat, das Planbare und das Schicksalhafte.“
Die Suche nach Escoffier und das mehr als glückliche Ende sind das wohl bewegendste Kapitel in dem Buch. Der Perspektivwechsel gibt ihm einen investigativen Anstrich. Es ist der Blick durch das Schlüsselloch auf die internen Protokolle, der die Dramatik dieser Nacht eindringlich beschreibt.
Alle taktischen Varianten durchgespielt
Herrmann hat zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, dass sein ganz persönliches Drama noch auf ihn wartet, kurz vor dem Ziel, in der Biskaya. Und so nimmt er den Leser erst einmal mit auf eine atemberaubende Aufholjagd, deren Höhen und Tiefen den Wellen in den Roaring Fourties in nichts nachstehen.
„Mein Gott, diese Vendée. Beim Start hatte ich noch das Messer zwischen den Zähnen. Pure Kampfeslust. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie hart es wird. Vielleicht wiederholt sich die Täuschung, wenn ich die Ziellinie überquere. Ich glaube, dieser Moment wird wie eine Betäubungsspritze wirken.