Gewohnheiten hinterfragt man nicht – meist auch dann noch, wenn sie bereits total überflüssig sind. Ein augenfälliges Beispiel für diese allzu menschliche Neigung ist die Bauweise des Außenbordmotors. Seit Ole Evinrude 1907 den ersten praktisch verwendbaren Antrieb dieser Art konstruierte, hat sich sein Aussehen kaum geändert: unten der Propeller (wo sonst?), oben der Motor mitsamt Tank, Anlasser, Pinne etc.
Doch wenn es gar keinen Tank für flüssige Energieträger gibt und der Motor nicht mehr auf die Zufuhr von Sauerstoff angewiesen ist, nämlich bei einem Elektromotor? Dann könnte ein Außenborder doch ganz anders aussehen. Zum Beispiel wie der Remigo.
Er ist ein Außenborder – aber so haben wir uns einen Außenborder bisher nicht vorgestellt. Der Propeller am unteren Ende des elektrischen 1-kW-Außenborders ist natürlich noch da, doch der Rest hat es buchstäblich in sich: Statt der üblichen Kombination aus dünnem Schaft und klobiger Motor-Tank-Einheit am oberen Ende gibt es hier nur einen monolithischen Korpus.

Der Remigo hat die Form einer senkrecht stehenden Tragfläche. Das ist weitestmöglich aerodynamisch, ausbalanciert und dazu noch optisch ansprechend. Der Energiespeicher versteckt sich in diesem Korpus: ein Lithium-Polymer-Akku.
Verblüffend ideal
Der Weg zu diesem verblüffend reduzierten Design war einfach, erklärt sein Erfinder Marko Vrtovec: „Wir haben uns gefragt: Wie sollte der ideale Außenborder beschaffen sein?“ Der Slowene zählt auf: leicht zu nutzen, zu tragen und zu befestigen, auch unter schwierigen Bedingungen. Und: „Er muss es mir verzeihen, wenn ich ihn ins Wasser fallen lasse. Unserer verkraftet bis zu ein Meter Wassertiefe.“ Der Korpus besteht aus Aluminium, ist also sowohl leicht als auch robust und gegen Salzwassereinwirkung geschützt. „Es gibt nur zwei Dichtungen.“
Was inspirierte den passionierten Segler zu diesem Produkt? Ein Tag auf dem Wasser: „Ich weiß noch, wir ankerten in einer Bucht in Kroatien, neben einem Nachbarboot plagte sich eine Frau auf dem Dinghi mit dem Außenborder ab.“ Sie riss ihn an, er sprang nicht an. Sie probierte dies und das. „Auf den umliegenden Booten lachten sie schon hinter vorgehaltener Hand, ihr Mann schrie ihr Anweisungen zu, die natürlich nicht halfen.“
Und Vrtovec begann darüber nachzudenken. Fast jeder kennt sie, unangenehme Erlebnisse mit Außenbordmotoren an Beibooten. „Das Ding stinkt nach Benzin, es säuft ab, vom Anreißen tut dir der Arm weh, beim Fahren stinkt es nach Abgas, und wenn du es wirklich dringend brauchst, springt es nicht an.“ Ein zwei Jahre langer Prozess der Marktforschung und Entwicklung folgte.
Motor ohne Vorbild
Ein fünfköpfiges Team entwarf den Motor, testete ihn, setzte Verbesserungen um. Die endgültige Bauform hat die junge Designerin Ajda Bertok ersonnen: „Ich konnte bei null anfangen, wo ist das im Design sonst möglich?“ Es habe keinerlei Vorgaben und Vorbilder für den Remigo-Motor gegeben.

Der übergeordnete Gedanke „So einfach wie möglich“ erstreckt sich auch auf das User Interface. Alles, was nicht zwingend notwendig ist, sollte fortfallen. Es gibt keinen Gasgriff. „Wir hören viele Kommentare, die danach fragen – aber sobald die Menschen mit unserem Motor fahren, fragt keiner mehr.“ Nach Vrtovec Auffassung handelt es sich bei dem Bauteil ebenfalls um ein überflüssiges Feature: „Niemand dreht ständig den Gasgriff hin und her – Du steigst ein, legst das Tempo fest und ab geht‘s“, sagt Marko Vrtovec.
So hat der Remigo lediglich Druckknöpfe auf dem oberen Ende, um das Tempo auf einer Skala von 1 bis 10 festzulegen. Eine LED-Leiste zeigt an, mit welcher Power der Propeller dreht, und in welche Richtung. Für einen Schnell-Stopp drückt man zwei Knöpfe gleichzeitig. Und als Killswitch dient eine magnetische Minikonsole unterhalb der Bedienungseinheit. Zieht man sie ab, ist auch der Motor aus. Alles ganz logisch.