Vor langer Zeit – da war ich noch ein kleiner Junge – sagte meine Mutter zu mir: „Tätowierungen sind nur etwas für Kriminelle und Seeleute!“ Und weil ich immer ein Tattoo haben wollte, aber irgendwie nicht so richtig Lust auf eine kriminelle Laufbahn hatte, habe ich mich dann für die See entschieden: erst bei der Marine und später auf Jollen und Kielbooten, bevor ich das Hochseesegeln für mich entdeckt habe.
Nun fahre ich seit fünf Jahren wieder Vollzeit auf Seefalke, einer 40-Fuß-Stahlketsch. Und so fahre ich mittlerweile über 26 Jahre lang mal mehr mal weniger intensiv zur See und habe Geschichten erlebt, die gehen auf keine Kuhhaut. Aber einige von ihnen finden nun Platz auf einer Menschenhaut. Auf meiner Menschenhaut.
Es sind Geschichten von Leid und Leidenschaft, von Mühe und Mühsal. Aber auch lustige, von Freude und Stolz. Und so habe ich vor einiger Zeit beschlossen, diese Geschichten nicht nur hier bei float zu erzählen, sondern auch direkt dort, wo sie entstanden sind. Wenn Ihr also Lust habt, nehme ich euch mit auf eine seglerische Reise, die unter die Haut geht, unter meine Haut.
Ein Pflock im Rücken
Dort seht Ihr eine Weltkarte, welche die von mir gesegelten Routen zeigt. Sie wird durch einen Pflock auf meinem Rücken gehalten, der durch den Nordpol und tief in mein Schulterblatt getrieben ist. Dieser Pflock symbolisiert durch seine Position am Nordpol zum einen Orientierung, aber zum anderen auch den Schmerz, der durchlebt wird, wenn Familie und Freunde zurückgelassen werden, um dem Ruf der See zu folgen.
Dieser Schmerz ist uns allen gemein, ganz egal, ob man als Marinesoldat, bei der Handelsmarine oder wie ich im Moment als Blauwassersegler die Meere befährt. Auch wenn es im Allgemeinen eine stille Übereinkunft unter allen Seeleuten gibt, darüber nicht zu sprechen, so trägt ihn doch jeder immer mit sich herum. So war es schon bei Warlich, einem klassischen Tätowierer aus Hamburg, über den float berichtet hat.
Unendliche Liebe zur See
Um diesen Pflock windet sich in einer Acht liegend eine Ankerleine, welche so Unendlichkeit symbolisiert: die Unendlichkeit der Ozeane gleichwie die Unendlichkeit der Liebe zur See. Denn nur sie rechtfertigt das Leid und die Sorge, die man letztendlich auch den Daheimgebliebenen beschert.
Man sagt, dass jeder auf See verbrachte Tag nicht auf das Lebenskonto eines Seemanns angerechnet wird. Hat sich schon mal jemand gefragt, warum das so ist? Ich bin davon überzeugt, dass es genau diese Tage sind, die den Daheimgebliebenen durch Gram und Sorge verlorengehen.
An dieser Ankerleine schließlich hängt der Anker, das ultimative Symbol von Sicherheit und Stabilität, welcher allen Seeleuten zeigt, dass sein Träger mindestens einmal den Atlantik überquert hat. Als ich mir meinen ersten Anker tätowieren ließ, vor mittlerweile zwölf Jahren, kannte ich diese Tradition allerdings noch nicht.