Der Papagei ist tot, er träumt nicht von den Fjorden. Michael Palin schon, allerdings eher von dem, was darin liegt. Der ehemalige Monty-Python-Komiker erzählt in seinem neuen Buch die tragische Geschichte der Erebus, eines britischen Expeditionsschiffs, das 1845 auf der Suche nach der Nordwestpassage im hohen Norden Kanadas sank.
Was macht ein Komödiant, wenn der letzte Vorhang gefallen ist? Mit dieser Frage sah sich Michael Palin am 21. Juli 2014 konfrontiert. Am Abend zuvor hatte er mit seinen alten Kumpels die zehnte und letzte Vorstellung Monty Python Live (mostly) absolviert. Damit war die legendäre Komikertruppe endgültig Geschichte.

Und nun? „Nachdem der Tod des norwegischen Blaulings zum letzten Mal beklagt, das Holzfäller-Lied zum letzten Mal gesungen war, blieb ich mit einem Gefühl der Leere zurück. Was blieb mir jetzt noch zu tun?“, schreibt Palin. „Eins stand fest: Mit dem, was gewesen war, dürfte es es nichts zu tun haben. Was immer es wäre, es müsste etwas völlig anderes sein.“
Lange musste er nicht nachdenken: Am 9. September 2014 berichtete die BBC von einem sensationellen Fund im hohen Norden Kanadas. Nach über 150 Jahren hatten Forscher im Arktischen Ozean die Erebus gefunden, eines der Schiffe, mit denen der britische Forschungsreisende John Franklin 1845 aufgebrochen war, um die legendäre Nordwestpassage zu entdecken.

Durch das Nordmeer in den Orient
Jahrhunderte lang hatten Seefahrer davon geträumt, durch das Nordmeer in den Orient zu gelangen. Die Route oben um Amerika herum versprach eine kürzere und vermeintlich weniger gefahrvolle Überfahrt als die südliche um das sturmumtoste Kap Horn. Sie hätten Gold und Ruhm gesucht, sang 1981 der kanadische Barde Stan Rodgers in seinem Song Northwest Passage, der längst zu einer inoffiziellen kanadischen Nationalhymne geworden ist.
Übrig geblieben seien, so fuhr Rogers fort, nur verwitterte Knochen und längst vergessene Grabsteine. Und plötzlich ein Wrack in elf Meter Tiefe vor der Adelaide-Halbinsel. Was war das für ein unglückliches Schiff? Wie war es dorthin gekommen und wie wurde es nach 170 Jahren wieder gefunden, weitgehend intakt? „In dem Moment wusste ich, dass es eine Geschichte gab, die nur darauf wartete, erzählt zu werden. Eine Geschichte, die nicht nur von Leben und Tod handelt, sondern auch von einer Art Wiederauferstehung“, schreibt Palin in der Einleitung seines Buches.


Mit großer Akribie macht er sich in den kommenden Jahren daran, die Biographie eines Schiffs zu rekonstruieren, das kaum Aufmerksamkeit erregt hätte, wenn es nicht mit einer der tragischsten Geschichten des 19. Jahrhunderts verbunden wäre. Die Erebus, benannt nach dem finsteren griechischem Gott Erebos war eine Bombarde. Diese Schiffe waren mit schweren Mörsern ausgerüstet und wurden dazu eingesetzt, um Küstenbefestigungen oder -städte zu beschießen, kurz: um Schrecken zu verbreiten. Folgerichtig hieß ihr Schwesterschiff auch „Terror“.
Die Erebus rottet vor sich hin
Den Schrecken sollten sie nach Frankreich tragen. Doch als die Erebus 1826 vom Stapel lief, war Napoleon längst besiegt und Europa neu geordnet, die Bombarde also nutzlos. Sie machte nur eine gut zweijährige Patrouillenfahrt im Auftrag der Marine durch das Mittelmeer. Nach ihrer Rückkehr 1830 wurde sie in den Marinehafen Chatham verbracht und dümpelte neun Jahre lang vor sich hin – ein Schiff ohne Eleganz und Meriten.

Doch plötzlich war genau das gefragt, was das hässliche Schiff bieten konnte: Seine schwere und robuste Rumpfkonstruktion, die dazu gedacht war, den Rückstoß der schweren Mörser aufzunehmen, und der flache Rumpf, der einen geringen Tiefgang für den Einsatz unter Land ermöglichte, machten die Erebus zum idealen Vehikel für eine Expedition ins ewige Eis.
Dort suchte die britische Marine nach den langen Kriegen des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts eine neue Aufgabe, maßgeblich vorangetrieben von John Barrow, dem zweiten Sekretär der Admiralität.
Ihre erste wissenschaftliche Reise führte die Erebus und die Terror 1839 unter dem Kommando von James Clark Ross in die Antarktis. Auf dem Weg machten die beiden Schiffe Halt in Hobart auf Tasmanien. Empfangen wurden die Forschungsreisenden vom Gouverneur: jenem John Franklin, der sich sieben Jahre mit diesen beiden Schiffen auf die Suche nach der Nordwestpassage begeben sollte.

James Clark Ross segelt in die Antarktis
Von Hobart aus steuerte Ross seine Schiffe gen Süden. Drei Sommer hintereinander erforscht seine Expedition die Antarktis, dringt immer weiter nach Süden vor: im ersten Jahr bis auf 74 Grad 23 Minuten – so weit südlich war noch nie zuvor ein Mensch. Im Jahr darauf gelangte die Expedition noch einmal sechs Seemeilen weiter, bis auf 78 Grad 9 Minuten. Kein Segelschiff hat es je weiter nach Süden geschafft.