Raymarine unternimmt einen großen Schritt hin zum elektronischen Anlege-Assistenten – und damit zur autonomen Bootsfahrt. Der Hersteller von Navigationshard- und Software hat das erste Produkt vorgestellt, das aus einer Zusammenarbeit mit dem Spezialisten Avikus entstanden ist.
Das Kamerasystem NeuBoat Dock soll zum Anlegen kleiner und mittelgroßer Yachten am Steuerstand vollkommene Rundumsicht bieten. Avikus ist eine Tochter des koreanischen Konzerns Hyundai, der unter anderem die größte Werft der Welt und eine der weltgrößten Reedereien betreibt.
Das kommende Produkt NeuBoat Dock besteht aus sechs Kameras, die im Nahbereich eine 360-Grad-Rundumsicht um das Freizeitboot herum schaffen. Diese Ansicht kann auf dem Raymarine-Display am Steuerstand oder auf dem Smartphone angezeigt werden. Ihre Bilder lassen sich zu einer kompletten Übersicht aus der Vogelperspektive verschmelzen, ähnlich der 360-Grad-Darstellung bei Einparkassistenten von Autos. Es ist aber auch möglich, eines der sechs Kamerabilder direkt anzusteuern und zu vergrößern. Bei den Kameras handelt es sich um Produkte von Avikus und deren Mutterfirma Hyundai.

Mit Hilfe eines demnächst erhältlichen Ausbaupakets wird diese Hardware bald in der Lage sein, autonomes An- und Ablegen durchzuführen. Dazu müssen zusätzlich Lidar-Sensoren, also 3D-Laserscanner, und weitere Spezialkameras zur Objekterkennung in das System integriert werden.
Auf der vergangenen Fort Lauderdale International Boat Show im US-Staat Florida vor rund einem Jahr präsentierte Avikus das komplette System bereits auf einer Yacht, die damit selbstständig an- und ablegen konnte.
Bisher reine Video-Überwachung ohne Warnungen
Das System kostet als Komplett-Paket 19.995 Euro. Wohlgemerkt: Hier handelt es sich lediglich um eine Sehilfe – akustische oder optische Warnungen, wenn die Gefahr einer Kollision besteht, erfolgen nicht. NeuBoat Dock ist – wie schon erwähnt – nur der Ausgangspunkt zu weiteren Funktionen, die in wenigen Monaten zur Verfügung stehen sollen. In Zukunft sollen auch Flir-Kameras für das Avikus-System eingesetzt werden.
Die Zusammenarbeit mit Avikus begann erst vor kurzem, Ende 2022 wurden entsprechende Verträge zwischen dem koreanischen Unternehmen und der Tochterfirma des US-Rüstungskonzerns Flir unterzeichnet. Avikus ist ein sehr junges Projekt: 2021 gegründet, hat es ein Jahr später erstmals ein Schiff mit autonomer Technologie über den Ozean fahren lassen. Die Besatzung an Bord hatte lediglich die Aufgabe, dem Bot über die Schulter zu schauen.
Der 300 Meter lange Flüssiggastanker absolvierte dabei 10.000 Seemeilen. Der Autopilot auf der Brücke konnte nach Darstellungen von Avikus mehr als 100 potenziellen Kollisionen aktiv ausweichen. Nebenbei optimierte die Software den Kraftstoffverbrauch durch Anpassung der Route an Wetter und Wellen: Um sieben Prozent weniger Energie benötigte der Steuer-Bot im Vergleich zu einem Menschen. Die Technologie ist seit diesem Jahr Basisausstattung aller Hyundai-Schiffe, teilt Raymarine mit.