Segeln ist eine uralte Technik, aber offen für Innovationen. Bei den Rümpfen überschlagen sich in letzter Zeit die Neuerungen. Carbon, Bio-Komposit, Foils, Scow-Bow … Aber bei den Segeln regieren seit über einem halben Jahrhundert Kunststofftücher. Die werden zwar immer laminierter, aber killen und beulen wie seit Urzeiten. Die visionärsten Techniker unter den Schiffsarchitekten experimentieren deshalb mit festen Wing Sails/Flügelsegeln.
Zu den bekanntesten Beispielen gehören die Katamarane der C-Klasse und die Trimarane des America’s Cup. Flügelsegel sind unglaublich effizient und werden daher häufig auf Rekordschiffen und Hochleistungs-Landseglern eingesetzt.

Die Freizeitseglergemeinde zeigte sich von dieser Technologie aber bisher unbeeindruckt. Zur Jahrhundertwende baute die Firma Wingtek unter der Leitung des Designers John Walker einige Zefyr-Trimarane mit Flügelsegeln – um danach in Konkurs zu gehen. Auch die Beneteau-Gruppe versuchte, ein auf der Sense 43 basierendes Serienmodell zu bauen, aber ihr Projekt Magic Wing kam nicht über einen Prototyp hinaus.
Beim diesjährigen JEC Composites Innovation Award waren die Projekte „Solid Sail“ von Chantiers de l’Atlantique/Multiplast und „Wing Sail for Yacht“ von Rondal/Artemis Technologies nominiert. Gewonnen hat das Solid Sail, das auf große Frachtschiffe ausgerichtet ist. Aber genauso interessant ist der Plan von Rondal und Artemis Technologies, Flügelsegel für Freizeityachten attraktiv zu machen. Gelingt er, würde das solch einen Entwicklungssprung wie den Wechsel von Baumwoll- zu Kunststoffsegeln in den 1970er-Jahren bedeuten.
Wie radikal darf’s sein?
Es gibt zwei Arten von Flügelsegeln, je nach ihrer Steifigkeit: halbstarre und starre. Erstere haben eine weiche, abnehmbare Haut (Baumwolle, Membran usw.) über den Rippen, während letztere mit einer harten Haut aus Verbundstoff überzogen sind. Beide benötigen einen drehbaren, freistehenden Mast mit einer Art Kraftantrieb. Moderne reffbare, halbstarre Flügelsegel können ihre Querschnittsform schnell ändern und bieten daher eine variable Wölbung. Feste Flügelsegel sind sehr selten, da ein sehr hohes Maß an Expertise erforderlich ist, um ihre Leistung auszuschöpfen.
Vor kurzem hat das Konsortium aus der Royal-Huisman-Werft, ihrem Schwesterunternehmen Rondal und Artemis Technologies die ersten Ergebnisse ihrer Forschung zu einer neuen Art von starren Flügelsegeln bekannt gegeben. „Unser Ziel ist es, den Marktanteil von Yachten mit Windantrieb zu erhöhen“, erklärt Hermen de Jong, Innovationsmanager bei Royal Huisman.
„Wir möchten auch die Fahrzeit dieser Yachten verlängern. Neben unserer befinden sich viele andere Technologien in der Entwicklung. Je mehr Wege zur Emissionssenkung begangen werden, umso besser. Riggs ohne Verstrebungen auf großen Yachten sind derzeit gut erprobt, aber wir sehen auch einige Lücken. Bei vielen Lösungen vermissen wir aerodynamische Leistung und strukturelle Effizienz. Wir vermissen Gestaltungsfreiheit, die sehr wichtig ist, sowie Einfachheit und Automatisierungspotenzial.“
Warum sollte man sich für eine so umstrittene Technologie entscheiden, wo doch die Verwendung von festen Flügeln im America’s Cup nach mehreren Zwischenfällen mit dem BMW-Oracle-Trimaran verboten wurde? Iain Percy, zweifacher Olympiasieger, Veteran von vier AC-Challenges, Taktiker und Teammanager bei Artemis Technologies, sagt dazu: „Im Gegensatz zu einem halbstarren hat ein starres Flügelsegel sehr effiziente und vorhersehbare Formen, da es nicht dem gleichen Maß an struktureller Verformung unterliegt, die schwer vorherzusagen ist. Das Wichtigste ist jedoch, dass es einen viel geringeren Luftwiderstand hat als ein Mast und Wanten ohne Segel.“
Allzeit bereit
Eine Yacht mit einem starren Flügelsegel ist immer segelbereit. In der Tat segelt sie in gewisser Weise immer, denn es gibt auch beim Liegen permanente aerodynamische Wechselwirkungen, wie auch bei einem normalen Mast mit Wanten. Aber in diesem Fall ist die Oberfläche viel größer. Die kritischste Sicherheits-Frage ist, wie depowert man solch ein Segel?
Daher war eine der ersten Annahmen des Forschungsteams, dass der Flügel stufenlos drehbar sein müsse, was selbst für ein nicht abgespanntes Rigg ziemlich neu ist. Die Elektronik und die Mechanik müssen auf eine solche Drehung permanent vorbereitet sein, auch bei unbeständigen Winden.