Der US-amerikanische Segelmacher Quantum Sails liefert sich mit seinem größten Konkurrenten North Sails ein ständiges Innovationsrennen. Auch beim aktuellsten Thema, der Cableless-Technologie für Code-Zero-Segel, experimentieren Quantum Sails mit ihrem Code Zero XC ganz vorne mit. Die Laminierung des Vorlieks erlaubt es bei einem Cableless-Segel, auf das schwere und unhandliche Torsionskabel zu verzichten. float sprach dazu mit Sven Krause.
Als offizieller Quantum-Sails-Partner hat Boris Herrmann auf Malizia II das Code Zero XC in der Saison 2019 ausgiebig im Nordatlantik getestet – und wollte mehr. Die neueste Generation der Segel war für die Vendée Globe 2020/21 aber nicht rechtzeitig einsatzbereit. Der ultimative Leistungsbeweis steht daher noch aus. Boris Herrmann will ihn bei seinen nächsten Unternehmungen erbringen.

Gefühl und Computer
Sven Krause, Deutschland-Chef von Quantum Sails, macht in einem Nebensatz deutlich, welchem ungeheuren Leistungsdruck die Top-Segelmacher ausgesetzt sind: „1,2 Prozent, dafür würde mancher töten!“ 1,2 Prozent mehr Geschwindigkeit durch ein optimiertes Segel – klingt pingelig, addiert sich aber zusammen. 15 Knoten mit altem Segel hieße 15,18 Knoten mit neuem Segel. Auf 80 Tage, die die Vendée-Globe etwa dauert, würde man einen Tag gewinnen.

So glatt rechnet es sich aber nur am Computer, gibt Sven Krause gleich zu bedenken. Segelmachen ist ein komplexer Mix aus Hightech und menschlicher Erfahrung: „Das Produkt ist immer eine Kombination aus Material und Design. Design erfordert den Menschen mit seiner Erfahrung. Man braucht in erster Linie ein gutes Gefühl für das, was sinnvoll ist.
Und was ein vollständiges, rundes Paket für ein Segel auf verschiedenen Kursen, unter verschiedenen Bedingungen ausmacht. Der Anteil von Computer-Software, unserer hauseigenen IQ Technology, am Segel liegt bei 30, 40 Prozent. Das umfasst aber auch die gesamte Fertigungstechnik der Segel.“
Der größte Innovationstreiber im Segelsport bleibt der Regatta-Einsatz. Beim America’s Cup, an dem Quantum Sails als Ausrüster der „American Magic“ teilnehmen, könne man als Laie keinen Unterschied zwischen Am-Wind- und Vor-dem-Wind-Kurs erkennen, erklärt Sven Krause: „Der Baum ist immer in der Mitte, die Segel sind schwarz, das Boot fliegt.“

Aber auch in der IMOCA-Klasse hat die Geschwindigkeit so zugenommen, dass der scheinbare Wind in immer spitzerem Winkel auf das Segel trifft, zwischen 50 und 70 Grad. Wenn Boris Herrmann sich entscheidet, mit größeren Foils anzutreten, die 3 1/2 Knoten höhere Geschwindigkeit bringen sollen, müssen die Segel auf den veränderten Windwinkel angepasst werden.
Segel müssen universell genug sein
Gleichzeitig müssen die Segel so universell sein, dass nicht bei jeder Windänderung ein Wechsel nötig wird. Bei jedem Segelwechsel verliert man 15 Meilen auf die Konkurrenz, rechnet Sven Krause vor.

Mit den speziellen Membransegeln Fusion M von Quantum Sails ging der Katalane Didac Costa auf die Vendée Globe 2020/21. Er kam mit seiner IMOCA ohne Foils zwar erst als Zwanzigster durchs Ziel. Aber die Segel waren den Extrembedingungen in den südlichen Breiten genauso ausgesetzt wie die der Erstplatzierten. Null Probleme, meldete er abschließend.
Eine Saison Segeln für 2 1/2 Millionen Euro
Quantum Sails treten mit ihrer werkseigenen Yacht „Quantum Racing“ seit 2008 in der Transpac 52 an, um ihre Segel in einem genormten Umfeld zu testen. „Der America’s Cup ist völlig abgehoben, ungeheuer faszinierend, aber mit normalem Segeln nicht zu vergleichen. Die TP 52 ist für den Yachtsegler der interessantere Rennzirkus, der Formel-1-Sport auf dem Wasser, zu dem man noch einen Bezug aufbauen kann.“ sagt Krause.
„Die Quantum Racing rangiert immer unter den Top-2-Booten der Saison. Es ist ein ständiger Versuch, Segel formstabiler zu bauen und mittels Materialien und Anordnung der Materialien das bessere Segel zu entwickeln. Das wird nie aufhören“, ist sich Sven Krause sicher, weist aber gleichzeitig auf die exorbitanten Kosten solchen Hochleistungswettbewerbs hin: „Die Regatta-Programme haben Budgets bei 800.000 Euro pro Jahr für Segel.
Eine Saison Segeln kostet 2 1/2 Millionen, ohne dass Sie ein Boot gebaut haben. Wir beschäftigen uns heute mit Hightech-Materialien und -produktionsmethoden. Als Segelmacher hat man eigene Produktionsmittel.

Das kostet viel Geld, kommt aber mit einer gewissen Verzögerung und mit Abwandlungen beim Fahrtensegler an. Die heutigen Segel haben eine sehr, sehr große Ähnlichkeit mit dem, was wir für Boris Herrmann laminieren. Es sind dieselben Materialien und Rezepturen, die auch ein Fahrtensegler von uns bekommen kann.
Man kann für ein 14-Meter-Schiff 12.000 Euro in ein Großsegel investieren. Oder mehr, wenn man Regatta segeln will.