
Ernte alle acht bis zwölf Jahre
Das Material wächst in Portugal: In der Nähe von Porto produziert Kattinger seit 2003 mit ihrem Unternehmen Multicork aus der Rinde alter Korkeichen den vielseitig verwendbaren Rohstoff. Alle acht bis zwölf Jahre ist jeder Baum dran: Die Rinde wird abgeschält, der Baum lebt weiter. Der Rohstoff reift nach der Ernte noch einige Monate nach, bevor die Verarbeitung beginnen kann. Aus Naturkork stellt der Mensch seit Jahrtausenden Flaschenkorken her.
Doch Naturkork wäre für ein Bootsdeck – wie auch für viele andere Produkte – nicht nutzbar: Es würde schnell auseinanderfallen. Daher wird das Naturmaterial granuliert – gemahlen – und mit acht Prozent Polyurethan-Kunstharz-Zusatz zu einem Verbundstoff vermischt. Hersteller wie Oceancork backen ihn anschließend wie GFK, dem Hauptwerkstoff moderner Boote und Yachten. So entstehen stabile Werkplatten in einheitlicher Qualität.
Selbst Presskork, aus dem die Weinkorken in preisgünstigem Flaschenwein bestehen, hat nicht diese Stabilität. Mit der Produktqualität steht und fällt die Reputation des Werkstoffs – kein Wunder, dass Kork für Bootsdecks vor einigen Jahren einen empfindlichen Ansehensverlust erlitt. Eine komplette Charge, die ein Mitbewerber von Oceancork seinerzeit eingekauft hatte, erwies sich als minderwertig: „Die Decks zerbröselten“, sagt der Bootsbauer Ralf Peine aus Dessau.

„Kunden denken ökologischer, schauen genau hin.“
Mit dem Produkt von Tanja Kattinger hat Bootsbauer Peine diese Erfahrung nicht gemacht: Oceancork erwies sich bisher als äußerst haltbar. „60 Prozent meiner Aufträge im vergangenen Jahr, etwa ein Boot im Monat, habe ich mit Korkdeck ausgestattet“, sagt er im Gespräch mit float. Das Interesse der Kunden sei in letzter Zeit beachtlich gewachsen. „Die denken ökologischer, schauen genau hin.“
Peine ist von dem Werkstoff vollkommen überzeugt: „Kork müssen Sie nicht intensiver pflegen als Teak. Es hält Sonne und Salzwasser ebenso gut stand.“ Ablagerungen würden das Material nicht angreifen, sondern lediglich ergrauen lassen und weniger ansehnlich machen. „Aber das ist ja bei Teak nicht anders.“ Einziger Unterschied: Kork reagiert empfindlich auf lösungsmittelhaltige Reiniger.

Doch das könnte sich bald ändern: Peine zufolge ist mit weiteren Neuerungen zu rechnen. „Da wird noch viel passieren.“ Für pflegemüde mitteleuropäische Segler, die nicht jede Woche ihr Boot putzen wollen, bietet Tanja Kattinger schon jetzt Abhilfe: Eine spezielle Beschichtung, „Corksealer“ genannt, hält das Naturmaterial länger frisch. Die zusätzliche Oberflächen-Beschichtung besteht ebenfalls aus Polyurethan. Sie hält das Material beständiger gegen UV-Strahlung und macht es noch haltbarer.
Wer Fliesen legt, ist klar im Vorteil
Wenn schon so viel Kunstharz im Spiel ist, sollte man dann nicht gleich Kunststoff-Teak verwenden? Große Werften verbauen bereits in großen Stückzahlen die Produkte von Flexiteek und anderen Herstellern. „Kunststoff ist bei weitem nicht so nachhaltig wie Kork“, sagt Franz Lindemann, Juniorchef der Robert Lindemann KG. Seit zwei Jahren vertreibt der familiengeführte Yachtausrüster das Kork-Produkt von Multicork.

„Bei der Fertigung von einer Tonne Kunststoff-Teak entstehen 1,7 Tonnen CO2. Dagegen bindet eine Tonne Kork 73 Tonnen CO2“, sagt Lindemann. Dazu trägt das langsame Wachstum der Korkeiche ebenso bei wie die Beschaffenheit des Materials: Kork besteht zu 90 Prozent aus Luft.
Vorteil der hohen Biegsamkeit
Die Verarbeitung der Korkplatten ist laut Lindemann einfach: „Kaum anders als Teak. Wer Fliesen legen kann, hat einen Vorteil.“ Ein Vorteil der hohen Biegsamkeit: Die Korkleiste – in Stäben zu 2.000 x 35 mm ist sie im Handel – lässt sich in gewissem Umfang biegen und damit den Rumpfformen anpassen. Mit dieser Eigenschaft ist sie Holz- und Kunststoff-Teak eindeutig überlegen. Die Leisten halten auch auf Alu-Untergrund. Und sie lassen sich – so wie Holz – mehrfach abschleifen. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung gibt es auf Lindemanns Korkdeck-Website.
Preislich ist das naturnahe Material sogar etwas günstiger als Tropenholz. Das Material wird in zwei Meter langen Leisten verkauft, die zwischen 35 und 120 Millimeter breit sind. 14 Leisten der schmalsten Breite gibt es für 271 Euro. Kleber und Fugenmasse kommen noch dazu – fertig.