Ein absoluter Hingucker und eine Frage, die beim Betrachten sofort in den Kopf kommt: Werden sie stürzen? Schließt sich die Schleuse gerade zur versöhnlichen Umarmung? Oder wird sie sich öffnen, das Paar auseinanderreißen? Die spannungsgeladene Fotografie vom Paar auf der Kippe ist derzeit in einer Ausstellung in Alkersum auf Föhr zu sehen. Dort hat im Sommer 2009, genau vor zehn Jahren, das Museum Kunst der Westküste (MKdW) eröffnet.
Der schwedische Wissenschaftler und Unternehmer Frederik Paulsen, dessen Vorfahren aus Akersum stammen, stiftete es dem Ort auf der Nordseeinsel als gemeinnützige Institution. Jetzt findet die Jubiläumsausstellung statt.

Das Museum hat sich der Kunst verschrieben, die zwischen 1830 und 1930 im Landschaftsraum entlang der Küsten von Norwegen, Dänemark, Deutschland und Niederlande entstanden ist. Das Generalthema ist dem entsprechend, Meer und Küste.
Hochkarätige Sammlung am Meer
Die Sammlung des Hauses umfasst heute 800 Werke von namhaften Künstlerinnen und Künstlern – unter anderem von Edvard Munch, Piet Mondrian, Max Liebermann, Peder Severin Krøyer und Emil Nolde als Vertreter der Kunst vor 1900 und der klassischen Moderne. Auch einige zeitgenössische Künstler wie Jochen Hein, Anja Jensen oder Thomas Wrede sind im Bestand vertreten. Das kleine, aber hochkarätig ausgestattete Museum hat in nur einem Jahrzehnt internationales Renommee erworben Und es hat sich zu einem konstanten Besuchermagneten auf der Insel entwickelt.
Anlässlich des Eröffnungsjubiläums zeigt das MKdW derzeit zwei Wechselausstellungen. Zu sehen sind Werke der für das Museum wichtigen Künstler. Unter dem Titel „10 Jahre MKdW – Meisterwerke“ sind repräsentative Gemälde aus der Sammlung zusammengestellt, ergänzt um internationale Leihgaben. Beide Schauen sind noch bis Mitte Januar 2020 zu sehen.
Moderne Fotografie der Westküstenländer
In der zweiten Ausstellung sind unter dem Titel „10 Jahre MKdW – Contemporary“ vier fotografische Positionen vereint, die jeweils eines der vier Westküstenländer repräsentieren: Deutschland, Niederlande, Norwegen und Dänemark.

Die Deutsche Fotografin Anja Jensen lebt in Hamburg und Paris. Ihre inszenierten Bilder aus der Serie „Tatort“ haben die vom Meer geprägte nordische Küstenlandschaft als Schauplatz und zielen auf etwas „Verborgenes, Heimliches, nicht Kontrollierbares“ im scheinbar friedlichen Alltag. Für Norwegen ist die Fotografin Mette Tronvoll mit Porträts vertreten, die in Norwegen und auf Spitzbergen entstanden sind.
Die Fotografin Ellen Kooi, deren Foto von dem Paar auf dem Schleusentor so eindringliche Assoziationen weckt, lebt im niederländischen Haarlem, zwischen Nordsee und Ijsselmeer. Sie inszeniert ihre Kunstwerke gern in dieser vom Meer geprägten Landschaft. „Die Figuren in meinen oftmals theatralisch oder dramatisch wirkenden Tableaus sind Bekannte, Familienmitglieder, manchmal Ortsansässige – das hängt davon ab, was ich für meine Vorstellung vom nächsten ‚Bild‘ benötige. In den Beziehungen der Dargestellten zur Natur geht es um das Gefühl von Raum und Weite, um das ‚Darinsein‘ oder das Ringen darum.“

Ein Däne in Cornwall
Der vierte Fotokünstler ist der Däne Joakim Eskildsen, der Motive aus seiner Serie „Skagen“ ausstellt: „Im Mai 2008. Ich war einer von 14 dänischen Fotografen, die vom Skagens Museum als ‚Artist in Residence‘ eingeladen worden waren, Skagen zu dokumentieren. […] Ich erinnere mich, wie ich abermals überrascht war von dem blauen Licht, das in so vielen Bildern aus der Zeit um 1900 präsent ist. Ich fotografierte daher vornehmlich am Abend oder in der Nacht.“
Joakim Eskildsen ist weniger als Auftragsfotograf für Medien unterwegs. Er verfolgt seine Fotoprojekte über lange Zeiträume hinweg, um sie in aufwendig gestalteten Bildbänden zu veröffentlichen. So ist auch in Zusammenarbeit mit dem Mare-Verlag ein Fotobildband über Cornwall entstanden.

Mare-Herausgeber Nikolaus Gelpke nennt Eskildsen einen „genialen Fotografen für Stimmungen“ und schreibt weiter: „Seine Fotografien sind sind impressionistisch anmutende Momentaufnahmen […] in denen er Augenblicke zeigt, die einem Gedanken oder Gefühl gleichkommen. Sein Werk entspringt der tiefen Überzeugung von einer empfundenen Ästhetik.“ So seien weder Nebel noch Regen störend, wenn Eskildsen die raue, oft graue und verregnete Schönheit der Küste Cornwalls in seinen Bildern einfängt.

Herausgegeben von Nikolaus Gelpke. Mit einem Essay von Martina Wimmer
132 Seiten,
27 x 30 cm, fadengeheftet, Leineneinband.
ISBN: 978-3-86648-296-8
58,00 Euro