Das Boot liegt weiter aufgebockt im Winterschlaf, die Tage werden länger und schöner, aber wir dürfen nicht raus. Warum nicht trotzdem ein bisschen segeln gehen? Nur wie? Mit einem schönen Modell eines Klassikers, dem Folkeboot. Mini-Folkeboote also. In der eigenen Badewanne oder im Gartenteich, Hauptsache segeln!
Wir schreiben das Jahr 1988: Da entwickelt ein Hamburger Segler die Idee zu den Mini-Folkebooten. Er nimmt kurzerhand von seinem großen Folkeboot die Maße ab, verkleinert diese maßstabsgerecht – 1 zu 7,64 – auf die Länge von einen Meter und knapp 30 Zentimeter Breite. Er stellt eine Form her, aus der die ersten drei Mini-Folkes entstanden. Eines natürlich für sich, die beiden anderen sind für seine beiden Mitsegler. Beide sind sofort Feuer und Flamme, als sie das Tun ihres Skippers mitbekommen.
Premiere am Flautentag der Großen
Ihren ersten großen Premieren-Auftritt hat das Trio auf der Deutschen Meisterschaft der Folkeboote 1989 in Berlin, als sie an einem Flautentag ihre Modelle rausholen und im Hafen die schwache Brise zum Regattieren nutzen. Durch den Anblick der kleinen Yachten springt der Funke bei einigen Regattateilnehmern sofort über, und es werden sogleich mehrere Modelle bestellt.
Die Fertigung der Rümpfe und Decks übernimmt bald ein Angestellter eines Hamburger Bootsbaubetriebs. Inneneinrichtung und Rigg werden aber immer noch in der heimischen Werkstatt gebaut. Nachdem im Jahr 2000 der Modellbauer die Werft verlässt, werden einige Rümpfe in Polen gebaut. Das entpuppt sich schnell als nicht sehr ergiebig – und wird wieder aufgegeben. Vor allem die für Folkeboote typische Klinkerbauweise der Rümpfe stellt zu hohe Anforderungen. Das ist ein Grund, warum auch einige Modellwerften den Bau ablehnen.

Rettung in Schilksee
Gut Ding will Weile haben. Das Produkt stimmt. Durch Küstenklatsch und Mundpropaganda finden sich dann doch Modellbauer in Schilksee und bei Eckernförde bereit, die Modelle weiterzubauen. Und genau diese Modelle sind als Original-Abbild des Langkielers eine Augenweide: einfach schön, elegant und ästhetisch. Der Langkiel hat einen weiteren Vorteil: Sie haben im Gegensatz zu den langen Schwertern und Bleibomben einiger anderer etablierter Modellklasse keine Tiefgangprobleme durch Seegras, Algen oder was sonst noch so herumtreibt. Da segeln sie einfach so hindurch. Zudem sind die Boote von der Konzeption her, was Gewicht und Größe betrifft, äußerst robust und (auf gut neudeutsch) unkaputtbar.
Alle Modelle sind Einzelbauten, die in Handarbeit von Modellbauern gefertigt werden. Somit sind sie auch nicht im Handel erhältlich. In Sachen Farbgebung und technischer Ausstattung werden sie den Wünschen der Käufer angepasst. Letztendlich sind sie aber mit den „Großen“ vergleichbar: Folkeboote sind ja eine streng bewachte Einheitsklasse, und so sind es logischerweise auch die Minis.
Die Einheitsklasse bietet wenige Größen, mit denen man experimentieren kann, wenn es „zwischen den Ohren“ nicht mehr ausreicht.
Die Gleichheit der Modelle stellt sicher, dass das seglerische Vermögen des Skippers von überwiegender Bedeutung bei Regatten ist. Segeltrimm und -einstellung mittels einer Segelwinde, Ruderservo und Zusatzgewichte sowie Segel verschiedener Segelmacher (wobei durchsichtige Foliensegel verpönt sind) sind die einzigen Größen, mit denen man experimentieren kann, wenn es „zwischen den Ohren“ nicht mehr ausreicht. So verrät es Rüdiger Rasmus mit einem verschmitzten Lächeln. Der Bordesholmer ist einer der beratenden, höchst Engagierten und jederzeit Helfenden in der Szene der Mini-Folkeboote.
Europaweit wachsende Mini-Flotten
Mini-Folkeboot-Regatten werden hauptsächlich im Winter ausgetragen, da die meisten Eigner im Sommer in ihren „Großen“ sitzen und auf Regatten unterwegs oder im Urlaub sind. Regattareviere im Norden sind Eckernförde, Kiel, Lübeck, Plön, Hamburg und Bordesholm. Aber auch in Berlin und am Essener Baldeneysee sind große Flotten vorhanden. Inzwischen gibt es schätzungsweise 200 Mini-Folkebooe in Deutschland, Belgien und Dänemark. Die Folkecentralen in Kerteminde beispielsweise hat vor Jahren auf der hanseboot Hamburg dem ausgestellten Original auch ein Mini-Folkeboot beigestellt und natürlich mitverkauft. Viele dieser Modelle haben es leider nie vom Kaminsims herunter ins Wasser geschafft, verrät Rasmus.
„Ämter“ gibt es in der kleinen Mini-Szene nicht. Jeder trägt das bei, was er und sie kann oder will.
Auch in Schweden hat sich seit vielen Jahren eine stattliche Mini-Flotte etabliert, und zwischen Deutschland und Schweden wird denn auch in unregelmäßigen Abständen ein Länder-Pokal ausgesegelt. Und das alles in Eigenregie. „Jobs“ oder „Ämter“ gibt es in der kleinen Mini-Szene nicht. Jeder trägt das bei, was er und sie kann oder will. Bully-Besitzer Rasmus beispielsweise transportiert die Wendemarken/Tonnen und pflegt und wartet die von ihm entwickelte Startmaschine. Ein anderer kümmert sich um die Ausrechnung der Zieldurchgänge, weil er Zugriff auf ein entsprechendes Programm hat.
Kein Verein, aber ein Regattakalender
Alles einschließlich dem Regatta-Kalender wird selbständig und ehrenamtlich organisiert. Der Hamburger Heino Peters, der einst die Mini-Folkeboote entwickelt hat, achtet akribisch darauf, dass die Modelle konform bleiben und dass Rumpf und Rigg nicht modelltechnisch aufgerüstet werden. Man ist kein Verein und will auch keiner werden.
Man führt auch keine Rangliste, und es gibt keine Oberaufsicht. Alles ist freiwillig, und man hat auch noch Spaß daran. So wird beispielsweise in Schleswig-Holstein und Hamburg der Glühfix-Pokal ausgesegelt. Diese Serie von sechs Regatten mit zwölf Wettfahrten findet einmal pro Monat auf wechselnden Revieren statt. Und sind die Seen zugefroren, wird schon mal auf die Ostsee ausgewichen.
Regatta-Action in Berlin beim SC Gothia, mit Dank an Horst Kaufmann:
Am Ende der Serie bekommt der Erste über alles (also nach 72 Wettfahrten abzüglich 30 % Streicher) den begehrten Wanderpreis: einen Samowar zum Bereiten von Glühwein, einem unersetzlichen Getränk bei diesen Regatten – und gut gegen den Winterblues.
Technische Daten
Länge | 1,00 m | |
Breite | 0,29 m | |
Tiefgang | Text | |
Masthöhe über Deck | 1,30 m | |
Segelfläche | 0,29 + 0,12 qm | |
Gewicht | mind. 5.250 g | |
Rumpfmaterial | Kunststoff geklinkert, Holzmast | |
Fernsteuerung | 2-Kanal-Anlage, Groß/Fock synchron | |
Preis | ca. 1.800 Euro |
Ansprechpartner
Rüdiger Rasmus, ruediger.rasmus (at) online.de
Rainer Rehbehn, Tel. (0431) 37 10 27
Weitere Infos bei Folkeboot Berlin