Torqeedo erweitert sein Produktportfolio um einen weiteren großen Fahr-Akku: Der neue Deep Blue 80 ist hinsichtlich des Platzbedarfs vergleichbar mit dem Stromspeicher Deep Blue 40, den der bayerische Pionier für Elektromobilität auf dem Wasser bereits seit 2016 anbietet. Er hat allerdings die doppelte Kapazität: 80 Kilowattstunden kann der neue Akku speichern.
Offenbar soll der neue Deep Blue 80 den bewährten, kapazitätsmäßig halb so großen Energiespeicher aus der BMW-Fertigung nicht ersetzen, sondern das Batterieportfolio ergänzen. „Wir wollen Produkte für bestimmte Marktsegmente optimieren“, so Torqeedo-Vorstandchef Fabian Bez. Während der BMW-Akku für kleine Gleiter optimal sei, eigne sich Deep Blue 80 als Batterie insbesondere für Verdränger-Yachten und kleinere Passagier- oder Frachtschiffe.
Der wesentliche Unterschied beider Speicher liegt in der Chemie der Batteriezellen: Während die Anoden der Deep-Blue-40-Batterie aus Lithium-Nickel-Mangan-Kobaltoxid (NMC) bestehen, sind sie beim neuen Stromspeicher aus Lithium-Eisenphosphat (LFP) gefertigt. John B. Goodenough, jüngst verstorbener Grundlagenforscher moderner Lithium-Akkutechnik, hätte es sicher gefreut. Lithium-Nickel-Mangan-Kobaltoxid weist eine erheblich höhere Energiedichte auf als Lithium-Eisenphosphat. Allerdings ist die letztere Technologie auch um einiges günstiger und robuster.
Preislich liegt die neue Batterie um etwa 20 Prozent pro Kilowattstunde niedriger als die alte von BMW. Der bayerische Autohersteller ließ sie für den ersten reinelektrischen Großserien-BMW, den i3, konstruieren. Diese Batterietechnologie ist inzwischen über zehn Jahre alt. Eine Weiterentwicklung scheint obsolet, da die Produktion des Modells 2022 beendet wurde. „Da hat sich eine Firma gefunden, die die Lücke gesehen und sich dort hineingestürzt hat“, so ein Torqeedo-Mitarbeiter gegenüber float. Der neue Stromspeicher sei maßgeschneidert für die Anforderungen von Torqeedo. Insofern stellt er eine kleine Zeitenwende dar.
LFP-Akkus sind erheblich schwerer
Es gibt auch einen kleinen Nachteil: Die Lithium-Eisenphosphat-Technologie bringt erheblich mehr Pfunde auf die Waage. So wiegt der neue Energiespeicher mit 562 Kilogramm rund doppelt so viel wie ein bisheriger i3-Akku mit 284 kg. Aber das Produkt hat andere Vorzüge: Torqeedo hebt vor allem die kompakte Bauweise hervor. In der Konstruktion werden einzelne Batteriezellen direkt in ein Pack integriert, ohne dass Zwischenmodule oder -komponenten erforderlich sind. Ein zusätzlicher Nutzen: Defekte Zellen lassen sich nachträglich „minimal invasiv“ für entsprechend geringe Kosten ersetzen.
Auch die Haltbarkeit soll hervorragend sein. Torqeedo garantiert für seinen neuen Akku Deep Blue 80 eine Mindestkapazität von zehn Jahren. Fällt die Aufnahmefähigkeit des Energiespeichers in dieser Zeitspanne auf weniger als 70 Prozent, wird er anstandslos ersetzt. Bei Elektroautos ist diese Garantie üblicherweise mit acht Jahren um ein Fünftel kürzer. Bei der Deep Blue 40 sind es neun Jahre.
Torqeedo geht noch weiter. Der deutsche Pionier für elektrische Bootsantriebe verspricht für den LFP-Akku mindestens 4.000 Ladezyklen, bis das Speichervermögen auf 75 Prozent gefallen sein wird. Wie ist dieses Versprechen zu bewerten? Ein Ladezyklus umfasst das vollständige Ent- und Wiederauf-Laden eines Akkus von 100 auf 0 Prozent und wieder zurück.
Mit jedem Zyklus altert ein Akku und verliert ein bisschen von seiner ursprünglichen Kapazität. Parallel zu dieser zyklischen Alterung schreitet die kalendarische Alterung voran. Mit den Jahren verliert ein Akku also ebenfalls an Kapazität, egal wie intensiv er genutzt wird.
Kompakte Anordnung einzelner Zellen
Um einen Eindruck des Leistungsvermögens des neuen Akkus zu bekommen, lässt sich ein – grober – Vergleich mit dem ersten Elektroboot Eelex 8000 der schwedischen Werft X Shore ziehen. Sie besitzt zwei Akkus von zusammen 126 kWh, die etwa 800 Kilogramm wiegen. Das ist ein ähnliches Verhältnis zwischen Gewicht und Speichervermögen wie beim Deep Blue 80.
Bei 20 Knoten Gleitfahrt sind etwa 22 Seemeilen Reichweite möglich, bis der X-Shore-Akku leergefahren ist. Nimmt man – rein theoretisch – eine ähnliche Reichweite pro Ladezyklus für den Torqeedo-Akku an, würde die garantierte Lebensdauer für rund 80.000 Seemeilen genügen. Das entspricht fast vier Erdumrundungen.
Bei Verdrängerfahrt, die Torqeedo für den Akku empfiehlt, liegt der Energieverbrauch natürlich noch viel niedriger. Übrigens überschneiden sich die Anwendungsfälle für beide Energiespeicher. Das macht auch der Vergleich des Torqeedo-Vorstandsvorsitzenden Fabian Bez bei der Präsentation des neuen Akkus deutlich. Der Effekt, so Bez: „Die neue Batterie verdoppelt die Lebensdauer und die Reichweite.“

Ein Fortschritt bei der neuen Batterie ist die kompakte Anordnung der einzelnen Zellen in Packs. Dieses Konzept nutzt der Elektroauto-Pionier Tesla seit langem. BMW wird es in seiner neuen Elektroauto-Generation ab 2025 ebenfalls einsetzen. Die maximal flache Bauweise ergibt dabei eine optimale Raumausnutzung. So kommt es, dass Torqeedos Deep Blue 80 weniger Volumen beansprucht als der halb so energiereiche Vorgänger. Der Hersteller gibt die Kapazität mit 276 Wattstunden pro Liter Bauvolumen an. Rein rechnerisch beansprucht das flache Akkupaket also rund 290 Liter Platz im Boot.
Kein Kobalt vonnöten
Die Bauweise mit der preisgünstigen, schwereren Zellchemie will zudem noch nachhaltiger sein. Für Batterien in Lithium-Eisenphosphat-Bauweise benötigt man kein Kobalt und erheblich weniger Seltene Erden. Diese Rohstoffe werden als besonders problematisch für die Umwelt eingestuft. So kann beim Abbau Radioaktivität freigesetzt werden.
Überdies ist die Förderung dieser Elemente generell sehr klimaschädlich und wird mit menschenunwürdigen Abbautechnologien in Verbindung gebracht. Zuletzt stammen 80 Prozent der Vorkommen an Seltenen Erden aus China, was zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Erzeugerland führt.
Ein weiterer Vorteil von Lithium-Eisenphosphat-Akkus: Sie sind weit weniger reaktionsfreudig. Damit ist die Gefahr einer Selbstentzündung in Folge von Überhitzung erheblich geringer. Zwar sind Batterieantriebe laut Statistik der deutschen Versicherer nicht feuergefährlicher als Verbrennungsmotoren. Doch ist bei einer Selbstentzündung des Akkus, dem sogenannten „thermischen Durchgehen“, die Brandbekämpfung erheblich schwieriger als z.B. bei einem Benzinantrieb.
„In der Vergangenheit haben Lithium-Eisenphosphat-Batterien zu viel Platz verbraucht, aber über die letzten Jahre hat sich das geändert“, so Torqeedo-Vorstand Bez. Zwar sei die Energiedichte nicht so hoch wie bei Stromspeichern mit einem Innenleben aus Lithium-Nickel-Mangan-Kobaltoxid, die Torqeedo mit der Deep Blue 40 ja ebenfalls anbietet, „Doch LFP-Batterien sind extrem langlebig, sicher und ersparen die Verwendung teurer Rohstoffe“, so Bez. Die neue Torqeedo Deep Blue 80 soll im 4. Quartal 2023 lieferbar sein.