Torqeedo hellt die dunkle Jahreszeit, wie alle Jahre wieder, mit Premieren auf. Auf der weltgrößten Zubehörmesse, der Corona-bedingt gerupften METS in Amsterdam, zeigte der Gilchinger Pionier für elektrische Bootsmotoren seine neue Cruise-Außenborderserie mit höherer Leistung. Nebenbei gab es Lorbeeren für die Ingenieure: Zum wiederholten Mal erhielt Torqeedo in Amsterdam einen Award. Wir haben dazu mit Thomas Wiedemann, bei Torqeedo veranwortlich fürs Programm-Management, gesprochen.
Es ist Zeit für die nächste Cruise-Generation, der stärkeren der beiden Außenborderlinien von Torqeedo im Niedervoltbereich. Rechtzeitig vor dem Jahreswechsel gewährt der Hersteller bereits Ausblick auf die drei neuen Elektromotoren der Baureihe mit 3, 6 und 12 kW Leistung. Sie sind kraftvoller, haltbarer und leichter als ihre Vorgänger.
Sprechen wir in Pferdestärken: Die bisherigen Cruise-Motoren kamen auf etwa 5, 8 und 20 PS. Die neuen dagegen bieten 6, 10 und 25 PS. Die Leistungssteigerung geht mit der kompletten Überarbeitung der Baureihe einher. Dazu entwickelten die bayerischen Ingenieure fast alles neu. „Neue Motoren, neue Getriebe, neue Leistungselektronik“, umreißt Thomas Wiedemann, Leiter der Produktlinie, die Aufgabenliste gegenüber float.

Torqeedo hat zukünftig vier statt drei Cruise-Motoren im Programm. Denn das 20-PS-Äquivalent wird der Hersteller unverändert weiter anbieten. Aber nur in der Pinnen-Version. „Die Lenkkräfte an der Pinne sind beim Topmotor zu hoch, daher haben wir uns dazu entschieden“, erklärt Thomas Wiedemann.
Der Kleinste ist der 3 kW starke Torqeedo Cruise 3.0. Sein Output entspricht – so rechnet Torqeedo – dem eines 6 PS starken Verbrennungsmotors. Der Cruise 3.0 eignet sich für den Antrieb von Segelbooten bis zu 30 Fuß Länge und für mastlose Verdränger mit einem Gewicht bis zu 3 Tonnen. An den mit 24 Volt laufenden Elektromotor lassen sich bis zu 16 Akkus anschließen. Er kostet ab 3.249 Euro – ohne Akku.


Bis zu acht Batterien anschließbar
Die mittlere Größenordnung, der Torqeedo Cruise 6.0 mit 6 kW Nominalpower ist in der Leistungsentfaltung mit einem rund 10 PS starken Verbrenner vergleichbar. Er empfiehlt sich als Antrieb für leichte RIBs und maximal fünf Tonnen schwere Verdrängerbooten. Das gesamte System inklusive Akku wiegt weniger als 70 Kilogramm. Ein Kraftwerk von bis zu acht Akkus steigert die Reichweite auf – je nach Bootsgröße – bis zu 200 Seemeilen. Der Preis: 3.999 Euro.


Der größte der neuen Torqeedo-Motoren, der Cruise 12.0, bringt mit einem Äquivalent von rund 25 PS kleinere Boote ins Gleiten. Und er kann Verdränger mit einem Gewicht bis zu 12 Tonnen effektiv anschieben. Der Torqeedo Cruise 12.0 wiegt 60 Kilogramm und ist ab 9.999 Euro im Handel und dem Webshop zu haben. Bemerkenswert: Das sind nur 200 Euro mehr als beim bisher stärksten Modell, dem Vorgänger Cruise 10.0 mit rund 20 PS Leistung.
Sowohl der Cruise 12.0 als auch der mittlere Cruise 6.0 sind mit dem Kommunikationssystem Torqlink ausgestattet. Torqlink ermöglicht den Datenaustausch zwischen mehreren Komponenten im Bordsystem, zum Beispiel bei der Integration von Generatoren oder Solarpaneelen, um die Akkus aufzuladen.


Mehr Schutz, weniger Wärme
Auch äußerlich hat Torqeedo vieles in der Cruise-Serie überarbeitet. Der Aluschaft ist nun stabiler. Auch den Schutz gegen Korrosion hat der Hersteller nach eigenen Angaben verbessert. Das Getriebe ist jetzt noch leiser und hält aufgrund schrägverzahnter Kraftübertragung länger. Die Motoren heizen sich überdies weniger auf. Bei ersten Fahrtests im Sommer machte besonders das sehr agile stärkste Modell großen Spaß auf dem See.
Die neue Produktfamilie ist leichter, effizienter und kraftvoller. Dieser vermeintliche Widerspruch reflektiert den technischen Fortschritt, erklärt Wiedemann: „Es fließt zwar mehr Strom, aber wir nutzen die Kapazität der Akkus besser aus.“ Der mittlere Motor Cruise 6.0 passe so perfekt zum stärksten Akku von Torqeedo, dem Power 48, das auf BMW-i-Batteriemodulen basiert.
Manches ist aus gutem Grund gleich geblieben: Der integrierte Bordcomputer berechnet – wie schon in der vorherigen Generation – auf Basis von GPS-Daten laufend die Reichweite. Diese Prognose kann, wie gehabt, auf dem Smartphone gespiegelt werden. Alle neuen E-Motoren werden mit rund 4,5 Meter Anschlusskabel geliefert.
Torqeedo setzt auf kleine Motoren
Interessant ist, wie Torqeedo die Leistungssteigerung umgesetzt hat. Man habe sich für ein Konstruktionsprinzip entschieden, so Thomas Wiedemann im Gespräch mit float, dass auf kleine, leichte Motoren setzt, die hoch drehen und mit platzsparendem Planetengetriebe ausgestattet sind. Das Resutat, so der Torqeedo-Mann: „Damit sind die Cruise-Antriebe fast halb so schwer wie Produkte von Mitbewerbern.“

Torqeedo-Geschäftsführer Ralf Plieninger begleitet die technische Evolution in Gilching schon lange, und er erklärt die strategischen Ziele. „Die Cruise-Systeme sind die Zugpferde unserer Niedervoltpalette“, sagt er. „Sie treiben alles an, von emissionsfreien Wassertaxis bis hin zu Pontonbooten, Segelbooten und unbemannten Forschungsschiffen.“ Es sind Universalantriebe – sowohl für Freizeitboote unter Segeln und Motor als auch für die gewerbliche Schifffahrt, wo Torqeedo ein zweites starkes Standbein hat.
Evolution in Sachen Electric Boating
Es gibt auch neue Komponenten für die leistungsstarken Deep-Blue-Systeme von Torqeedo. Denn ein E-Boot fährt nicht vom Strom allein. Das neu vorgestellte 22 kW starke Landstrom-Ladegerät ist mehr als doppelt so leistungsfähig wie der Vorgänger. Und es ermöglicht die einfache Integration von AC-Bordgeneratoren.
Das zu Ende gehende Jahr war für Torqeedo deutlich merkbar ein großer Erfolg. Mit Projekten wie dem Riesen-Kat Ocean Explorer 72, der mit Deep Blue Hybrid läuft, habe man „große Fortschritte auf dem Weg zur emissionsfreien Schifffahrt“ gemacht, so Ralf Plieninger. Greenline wurde mit Deep Blue für die erste vollelektrische Charterflotte der Welt in Norwegen ausgewählt.
Und Frauscher brachte mit der TimeSquare 20 ein Boot mit zwei Cruise-Antrieben auf den Markt, die geschickt in den Doppelrumpf integriert sind. Auch RIB-Hersteller Zodiac hat vor kurzem eine komplette Baureihe elektrisch angetriebener RIBs auf den Markt gebracht.
Preis für erfolgreiche Kooperation
Auf der Metstrade, der weltgrößten Zubehörmesse der Bootsbranche, hat Torqeedo dieses Jahr wieder einen Award erhalten. In der Vergangenheit hatte der bayerische Hersteller hier zweimal den DAME Award, Europas wichtigste Auszeichnung für technische Innovationen, bekommen, noch dazu als Overall Winner.
Diesmal war es der junge Boat Builder Award, den Torqeedo gemeinsam mit Beneteau und dem Getriebezulieferer ZF Friedrichshafen erhielt. Die Auszeichnung in der Kategorie „Gemeinschaftliche Lösung zwischen Werft und Zulieferern“ gab es für das von float vorgestellte Projekt „Hybrid Sailing“.

Torqeedo und ZF hatten einen Beneteau-Katamaran des Typs Excess 15 erfolgreich mit dem neuen Deep-Blue-Saildrive mit 50 kW Leistung ausgerüstet. Der Prototyp ist ein Teil der Beneteau-Strategie, elektrische und hybride Antriebskonzepte in der gesamten Markenfamilie und Produktpalette umzusetzen. So will der Werftkonzern mittelfristig die eigene CO2-Bilanz verbessern – und einen wachsenden Markt bedienen.
Bemerkenswert an dem Excess-Projekt fand die Jury des Boat Builder Awards, dass über die Integration hinaus eine Internet-Plattform entstanden ist, die inzwischen auch Kunden dient. Das „Excess Lab“ entwickelte sich von einem Tool für Mitarbeiter zum Forum für die Marke, das Experten mit Eignern und potenziellen Käufern vernetzt. Es bleibt also spannend.