UFOs am Himmel befeuern unsere Fantasie. Auf dem Wasser machen sie uns nur Angst. Unidentified Floating Objects sind eine der größten Bedrohungen für Blauwassersegler. Die Kollisionsgefahr mit Treibgut, vor allem Containern, mit Walen und ungekennzeichneten Schiffen nimmt von Saison zu Saison zu. Die Meere werden voller, die Segelschiffe schneller. Wie man bei der Vendée Globe sehen kann, bei der schon mehrere Teilnehmer wegen Kollisionen aufgeben mussten, allen voran Alex Thomson, der als Favorit galt.
Vorsichtige Schätzungen gehen alleine von 12.000 Containern pro Jahr aus, die tage- bis wochenlang im Wasser treiben. Vor den US-amerikanischen Küsten wurden 2019 circa 500 Kollisionen mit Objekten gemeldet. Im Mittelmeer stößt man auf Baumstämme, in Indonesien auf Fischerboote ohne Beleuchtung und AIS.

Die technische Entwicklung hat sich in den letzen Jahren vor allem darauf konzentriert, die Geschwindigkeit der Segelschiffe zu erhöhen. Sicherer wurden die Törns nicht. Die gängigen Technologien Radar, GPS und AIS bieten keine Lösung für das Treibgut-Problem. Das menschliche Auge kommt beim Erkennen von Objekten knapp über der Wasseroberfläche schnell an seine Grenzen. Ab ein Meter Welle hilft nur Gottvertrauen. Oder Oscar.
Die Profis machen’s vor

Das Treibgutortungssystem Oscar (Optical System-based Collision Avoidance for Racing) wird seit drei Jahren von der Firma BSB Artificial Intelligence GmbH in Linz entwickelt. Firmengründer Raphael Biancale arbeitete als Ingenieur in der Autoindustrie, fühlte sich beim nächtlichen Segeln in der Karibik unsicher und schuf Abhilfe. Er erdachte das Erkennungs- und Klassifizierungssystem Oscar, das mit zwei Thermalkameras für Nachtsicht, einer Farbkamera und einer KI (Künstliche Intelligenz), die in Echtzeit die Bilder auswertet, arbeitet. Für Praxistests stehen ihm Segler aus der IMOCA-Klasse zur Seite, für Unterstützung die österreichische Förderagentur FFG, AWS und als Finanzinvestor die INVEST AG.


Bei der diesjährigen Vendée Globe starten 18 der 32 Segler mit Oscar an Bord. Aber auch für Freizeitsegler ist Oscar verfügbar. Das Basismodell kostet 11.650 Euro vor Steuern, ein Preis, der sich bei gleichbleibenden Hardwarekosten kaum reduzieren lassen wird. Aber als Ergänzungstechnologie zu den traditionellen Ortungssystemen steht Oscar konkurrenzlos da. Oscars grafische Darstellung (ähnlich einem Radarbild) und das akustische Warnsignal kann man über seine Bordinstrumente, Smartphone oder Tablet laufen lassen.

Ausweichen von Geisterhand
Markiert schon das Erkennen und Warnen einen sensationellen Schritt im Kampf gegen Treibgut, führt das Kurzschließen von Oscar mit dem Autopiloten zu reiner Science Fiction: Das Segelschiff weicht dem Gefahrenobjekt selbsttätig aus. Vendée-Globe-Segler Boris Herrmann hat als erster Profi das automatische Ausweichsystem installiert und ausgiebig getestet.
Erkennt OSCAR eine Gefahr, luvt Malizia an oder fällt ab, je nach Windwinkel. Ein wichtiger Etappen-Sieg bei der Oscar-Etablierung, aber das Team um Raphael Biancale arbeitet weiter auf Hochtouren daran, die KI zu füttern und zu perfektionieren.
Patrick Haebig ist bei BSB als Business-Developer beschäftigt. Im float-Interview erklärt der Segler die Details zu Oscar.
Oscar lernt immer weiter
float: Ich kaufe mir als Freizeit-Skipper Oscar – und dann?
Patrick: Mit den jetzigen Modellen zielen wir auf Boote ab circa 40 Fuß ab. Oscar wird am Masttopp montiert, die Software hilft einem bei der Einrichtung. Die Mindestmontagehöhe liegt bei acht Metern, darunter wird das Dreieck zwischen Kamera und Objekt zu spitz, damit die Software die Distanz abschätzen kann. Mit geringerer Höhe würde es auch gehen, aber wir empfehlen es nicht.

Die beiden Thermal-Kameras ergeben zusammen einen Winkel von 52 Grad. Eine Thermalkamera sieht im Nebel ungefähr zwei- bis dreimal so gut wie das menschliche Auge. Sie reagiert auf Schwankungen von unter 0,1 Grad Celsius. Die Farbkamera hat einen Winkel von 110 Grad, sie funktioniert gut am Tag, aber natürlich weniger in der Nacht. Unter normalen Bedingungen sind wir bei der Distanzmessung schon auf wenige Meter genau. Innerhalb von ein bis zwei Sekunden weiß Oscar durch Bildabgleich, welchen Kurs und welche Geschwindigkeit das Objekt hat.
Der Bildabgleich läuft über die KI?
Die Kameras zeichnen auf, die KI erkennt und klassifiziert. Dazu braucht man eine Datenbank, die wir über die Jahre aufgebaut haben. Ich kann leider nicht auf Google 100 Bilder von Walen raussuchen, Oscar damit füttern und dann weiß es, was ein Wal ist. Wir speichern die gesamten Daten vom Boot-Bus, Höhe, Positionierung, auf welche Distanz wir welche Objekte sehen. Vereinfacht gesagt kreisen wir das Bild ein und sagen: „Oscar, das musst du erkennen!“

Wegen Tag, Nacht, Regen, Wellenbild brauchst du unglaublich viele Aufnahmen vom gleichen Objekt, bis Oscar selbst versteht. In der Datenbank liegen Pi mal Daumen 55 Millionen Bilder, pro Woche werden es einige Tausend mehr. Nach der Vendée Globe werden es drastisch mehr werden. Oscar ist ein System, das nie auslernen wird.
Mein Bord-Oscar muss ich also regelmäßig aktualisieren?
Verbindet man Oscar mit dem Smartphone und einer aktualisierten Oscar-App, kann Oscar sich updaten. Es geht auch über einen Computer. Somit braucht man keine lokale Internet-Verbindung. Über Internet aktualisiert sich die Software per Oscar-App automatisch. Unser Update-Zyklus liegt im Moment bei ungefähr zwei Monaten. Es reicht also, immer mal im Hafen nach Updates zu schauen
Wie viel Strom frisst Oscar?
Die optische Bilderkennung, das Prozessieren der Bilder, braucht Strom, zwischen 15 bis 25 Watt je nach Modell.
Autonome Seefahrt am Horizont?
Mit der Oscar-Autopilot-Verknüpfung scheint ein wichtiges Tool für die autonome Seefahrt entstanden zu sein. Wie seht ihr dieses Thema?
Patrick: Die technischen Lösungen sind da. Der Haupthinderungsgrund besteht bei der Haftung. Wenn du kollidierst, wer trägt die Schuld? Bei Haftungsfragen wird uns hoffentlich aber die Autoindustrie den Weg ebnen. Ich bin zuversichtlich, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren autonome Seefahrt Realität sein wird.

… und der Skipper dreht Däumchen …
Vom großen Langeweile-Frust der Kreuzfahrt-Kapitäne sind wir noch weit entfernt. Die Regattasegler sind fit. Vor 30, 40 Jahren hat sich jeder ein Bier oder eine Flasche Champagner am 24. Dezember auf der Vendée Globe aufgemacht. Die Zeiten sind vorbei.
Wir verstehen Oscar als zusätzliches Sicherheits-Asset. Auf unserer Roadmap steht, die vielen Daten am Boot wie zum Beispiel aus AIS und Radar zu fusionieren und Oscar so noch besser zu machen. Das Boot von morgen soll smart werden.