Wo ist schon wieder die Fernbedienung? Das Problem existiert an Bord ebenso wie zuhause: Für mittlerweile nahezu jedes Gerät, ob nun HiFi-Anlage, Fernseher oder Boom-Box, gibt’s eine Fernbedienung. Natürlich auch für die Ankerwinsch, das Schiebedach, die Badeplattform. Und irgendwann liegen mehr Kontrolleinheiten umher als Kissen – die Crew verbringt so viel Zeit mit der Zuordnung zum passenden Gerät wie mit Segeln. Irgendwann kam dann die Kombi-Fernbedienung – die im digitalen Zeitalter zunehmend als App auf das Smartphone wandert. Und diesen Weg geht jetzt auch Raymarine.
Mit dem integrierten Kommunikationssystem Yachtsense Eco System verwandelt der amerikanische Spezialist für Navigationselektronik die Yacht in ein schwimmendes Smart Home. Ein weiterer Beitrag zur Automation auf dem Wasser. Fortan geht alles, ob Navigation, Entertainment oder Bordkomfort, über eine einzige Fernbedienung. Und die liegt als App im Skipper-Smartphone.
Yachtsense Eco System, also das Ökosystem für alle Endgeräte, ist ein Griff nach der Seeherrschaft an Bord: Läuft alles über eine Kontrolleinheit, liegt es nahe, auch die jeweilige Peripherie von ein- und demselben Hersteller zu erwerben, der ja für die Kompatibilität bürgt. Bei anderen Produkten geht das nicht, sie bleiben draußen vor der Tür bzw. vor der Luke.
Das System besteht aus einem Router, dem Yachtsense Link Router, der die gesamte Yacht – und noch einen gewissen Bereich darum herum – mit WLAN versorgt. Der Standard dieser maritimen Fritz-Box ist 4G/LTE. Ihre Skipperin ist die Raymarine-App für iOS und Android. Sie steuert das System und hat Zugriff auf sämtliche angeschlossenen Geräte. Das betrifft nicht nur den Fernseher, sondern auch den Plotter oder die Maschine.
Der Yachtsense Link Router wurde mit dem Dame Design Award 2022 ausgezeichnet. Die Jury der renommierten Auszeichnung im Bereich maritime Elektronik hob hervor, wie „innovative, well made and highly useful“ der Router sei und ergänzte: „Good design detail is also evident in the case design.“

Mit der Raymarine-App lässt sich auch das GPS überwachen, ein Blick in die Seekarte werfen oder die Fahrtgeschwindigkeit verändern. Und zwar nicht nur beim Loten vom Bug, sondern auch beim Abendessen vom zig Kilometer – oder Kontinente – entfernten Ferienhaus. „Sie sind immer mit dem Boot verbunden“, wirbt Raymarine für die All-in-All-Lösung.
Fernüberwachung gegen Diebe
Das ergibt vor allem Sinn, wenn Eigner sich davon überzeugen wollen, dass an Bord ihrer verankerten Yacht alles in Ordnung ist. Sie können zum Beispiel auch kontrollieren, ob ihr Eigentum noch an Ort und Stelle liegt. „Der Geofence schickt einen Alarm, sobald das Boot eine zuvor definierte Zone verlässt“, erklärt uns Raymarine-Produktmanager Jim Hands auf der Online-Pressekonferenz. Er sitzt, während wir in der float-Redaktion zuhören und Fragen stellen, in den USA. Denn heute, am 16. Februar, ist Premierentag am ersten Tag der Miami Boat Show.
Fürs Geofencing befindet sich ein eingebauter GPS-Sensor im Gerät, die Benachrichtigung erfolgt per SMS. Auf Wunsch alarmiert das System auch eine andere Adresse, zum Beispiel die Hafenmeisterei oder die Seenotretter. Nachteil des digitalen Wachdienstes: Man trägt fortan das Boot mitsamt einer Masse Daten über seinen Gesundheitszustand dauernd am Herzen mit sich herum. Noch mal schnell die Position checken? Etwas für langweilige Regen-Sonntage.
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Die Router-Box von Raymarine … © Hersteller
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… hat viele Anschlüsse für die Bordelektronik … © Hersteller
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... und zwei leistungsstarke Antennen © Hersteller
Der Kartenplotter Axiom lässt sich auf dem Smartphone spiegeln, so dass alle Axiom-Funktionen – also zum Beispiel Wetter-, Radar- und Sonardaten – auf dem Endgerät für die Törnplanung zur Verfügung stehen. Oder man schaut mal schnell, ob die Pumpen betriebsfähig sind, wie viel Sprit und Wasser noch im Tank ist oder wie hoch der Ölstand der Maschine.
Natürlich lassen sich auch sämtliche Daten speichern. Jede Bildschirm-Darstellung kann als Screenshot gesichert und weitergeleitet werden.
Mobile Unterhaltung an Bord
Nicht zuletzt geht es um Unterhaltung an Bord: Das drahtlose Bordnetz ist wie ein heimisches WiFi für alle mobilen Geräte zugänglich. Schluss mit Abgeschiedenheit und Langeweile auf See – sofern Funkabdeckung vorhanden ist. Allerdings, darauf weist Raymarine extra hin, hat die Antenne eine merkbar höhere Reichweite als die eines Handys. Das garantiert auch weit draußen noch Verbindung.
Und im Yachthafen verbindet sich Yachtsense Eco System automatisch mit dem lokalen Hotspot. „Es ist wie das Schweizer Offiziersmesser“, fasst Jim Hands die Fülle der Anwendungsmöglichkeiten zusammen.
Damit man möglichst nie mehr offline ist. War das nicht einmal der Grund, weshalb viele Menschen sehnsüchtig am Wasser standen und zum Horizont schauten? Endlich mal weg sein… Von wegen! Tatsächlich verursacht die Aussicht, das Boot zu einer Erweiterung der heimischen Wohnung zu degradieren, ein zwiespältiges Gefühl.
Doch diese Fortsetzung des 24/7/Always-on-Gedankens mag auch Vorteile haben: Zum Beispiel die überraschende Entdeckung, dass halbwüchsige Söhne und Töchter am Wochenende plötzlich doch wieder gern aufs Boot mitkommen …
Gast-Modus bei Vercharterung
Eine zusätzliches Komfort-Funktion ist der Gast-Modus: Wer seine Yacht verleiht oder verchartert, kann den Chartergästen einige Funktionen des digitalen Ökosystems freischalten, andere aber weglassen. So ließe sich zum Beispiel verhindern, dass fremde Nutzer versehentlich wichtige Daten löschen, Funktionalitäten ändern oder die gesamte elektronische Architektur umbauen.

Die Anlage passt nach den Vorstellungen von Raymarine zu allen Booten, ob mit oder ohne Segel, ab einer Länge von zehn Metern. Angestrebte Zielgruppe seien jedoch auch, so teilt die Tochterfirma des US-Rüstungskonzerns Flir mit, Liveaboards und Superyachten.
Das Yachtsense Eco System von Raymarine besteht aus dem Router mit zwei Sim-Karten-Steckplätzen, der App und der alles verbindenden Software, dem Digital Control System, das bereits vor zwei Jahren auf den Markt kam. Die Raymarine App ersetzt zugleich die ältere, bereits existierende App Rayconnect. Die Menge der anschließbaren Endgeräte ist praktisch unbegrenzt, teilt der Hersteller mit.
Der Preis für die maritime Fritz-Box beträgt ab 1.295 Euro. Sie soll im Frühjahr erhältlich sein. Die App dazu ist kostenlos. Wer Sonderdienste wie zum Beispiel das Geofence nutzen will, zahlt nach einer kostenlosen Testphase von sechs Monaten ab 15 Euro im Monat. Ein Jahresabo der Premium-Funktionen kostet 175 Euro.