Es gehört zu den Übungen, die man niemals in der Praxis ausführen möchte: das Boje-über-Bord-Manöver, mit dem Segelschulen und Fahrlehrer den Ernstfall trainieren, nämlich Person über Bord. Ob sich diese heikle Übung mit dem neuen, einem Fischernetz ähnlichen Rettungsmittel Pob-Net effektiv durchführen lässt, hat Richard Jeske, Chef der Segelschule Well Sailing, ausprobiert.
Beim Segelkursus macht das noch viel Spaß: Der Lehrer wirft die Boje – meist einen alten Fender – über Bord, schreit „Boje über Bord!“, der Rudergänger teilt die Aufgaben („Beobachten“, „Auffischen“) ein, der Rest geht früher oder später automatisch. Die Übung ist beendet, wenn einer aus der Schülerschar die Boje mit dem Bootshaken zurück an Deck geholt hat. Das Gleiche gehört natürlich auch zum Prüfungsprogramm für Motorbootneulinge.

Der Ernstfall ist anders
Doch der Ernstfall kann ganz anders ausgehen: Wenn das Objekt, das zu retten ist, nicht ein paar hundert Gramm, sondern zwei Zentner wiegt. Ist das Opfer durch den Sturz verletzt oder bereits unterkühlt und kann bei der eigenen Rettung nicht helfen, nimmt oft die Tragödie ihren Lauf: Gelingt es nicht, die Person aus dem Wasser zu holen, bleibt sie drin – und stirbt rasch an Unterkühlung. Solche Fälle sind keine Seltenheit.

Der Segellehrer Hermann Cisar hat ein Rettungsmittel entwickelt, das diese Gefahr vermeidet. Vor vier Jahren wurde er auf das Problem aufmerksam: „Bei einem Segelkursus an der Adria fragte der Prüfer eine Schülerin, was sie tun würde, wenn ihr Mann über Bord fiele.“ Schlagartig sei allen Teilnehmern klar geworden, dass Theorie und Praxis zweierlei sind. Die über Bord gefallene Person ansteuern und festhalten ist schon eine anspruchsvolle Aufgabe. Doch was dann?
„Wie Fisch mit Kescher“
„Die heutigen Schiffe haben ein sehr hohes Freiboard“, sagt Hermann Cisar. „Bei Welle ist es auch kaum möglich, durch die Heckklappen auf ein Schiff zu kommen.“ Seine Lösung: ein Netz, das unter die Person gezogen wird und sie umschließt. In Dirk oder Großfall eingehakt, kann es mitsamt dem Opfer per Winsch an Deck geholt werden. „Einen Fisch holt man sich ja auch am besten mit einem Kescher“, sagt Cisar.


Cisar nennt seine Eigenentwicklung Pob-Net – Pob steht für „Person over Board“. Und er bietet sie seit einigen Monaten auf Segler-Portalen an. Einige Exemplare hat er bereits verkauft. Doch wie gut sich mit dem Pob-Net in der Praxis Menschen fischen lassen, war von unabhängiger Seite bisher noch nicht erprobt worden.
Hermann Cisars Erfindung ist ein ausgeklügeltes Geflecht aus Bändseln, mit dem sich auch sehr große und schwere Personen aus dem Wasser heben lassen. Der Österreicher hat lange daran getüftelt. Der Riesen-Kescher muss festhalten, ohne sich wie eine Schlinge zusammenzuziehen. Er darf nicht zu leicht sein, damit er sich unter ein ohnmächtiges Opfer bugsieren lässt. Aber auch nicht zu schwer, um auf der Wasseroberfläche eine Zeitlang zu verweilen.
Das Pob-Net hat 120 kg Tragkraft
Maximal 120 Kilogramm Gewicht kann sein Netz tragen, sagt Cisar. Die Besonderheit daran: Die Person wird liegend aus dem Wasser gehoben, nicht im Stehen oder Sitzen.