Wer wollte nicht als Steppke mit ferngesteuerten Segelbooten hantieren? Man legt einen Joystick um und auf dem Wasser wendet ein Segelboot. Trockenen Fußes steht man mit der Fernbedienung am Ufer – und wähnt sich an Deck. Wenn im naturwissenschaftlich-ökobewegten Menschen diese Kindheits-Phantasie auf dem Ozean angetriggert wird, kommen Vernunft und Spieltrieb aufs Schönste zusammen.
Die MeeresforscherInnen des Geomar-Instituts in Kiel können diese Allianz im Dienste der Weltrettung auskosten. Sie schicken eine autonome Segel-Drohne auf Datenerfassungsexkursion im tropischen Atlantik zwischen Westafrika und Mittelamerika. Im Verbund mit den wissenschaftlichen Regierungs-Projekten EuroSea und Saildrone will das Geomar-Institut so wichtige Erkenntnisse über Meereserwärmung und CO2-Absorbierung gewinnen.

Autonom und autark
Die in den USA gebaute Drohne hat bereits selbstständig den Törn von der Werft zu den Kapverden zurückgelegt. Ihre aktuelle Route kann man auf der Beluga-Website verfolgen. Die sieben Meter lange Schwimmzigarre nutzt den Wind zur Fortbewegung und Solarpanele zur Energiegewinnung für die Navigations- und Forschungsinstrumente. Sie trifft eigenmächtige Entscheidungen, wie sie am besten ans vorgegebene Ziel gelangt. Kommt der Wind von vorne, kreuzt sie.
Die ForscherInnen hoffen, mit den über vier Monate gesammelten Daten das Zusammenspiel von Ozean und Atmosphäre besser zu verstehen. Und so präzise Entscheidungen zum Schutz einzelner Ozeanregionen treffen zu können. Ein zusätzliches Echolot kann bis auf 800 Meter Wassertiefe Meeresoasen aufspüren. Die Messungen der Drohne werden mit denen von stationären und treibenden Plattformen abgeglichen.

2018 überquerte ein unbemanntes Segelboot den Atlantik bei der Microtransat Challenge erfolgreich. In 79,5 Tagen ist es dem kleinen Segelboot „SB Met“ des Teams Sailbuoy bei der Micro Transat Challenge gelungen, den Ozean erfolgreich zu überqueren. Autonome Schifffahrt hat seitdem schon einen Hauch von Normalität gewonnen. Der Trimaran „Mayflower 400“ will als Frachter autonom und unbemannt über den Atlantik. Auf dem 15-Meter-Schiff wird getestet, was für die 400-Meter-Frachter einmal Alltag werden soll.
Wohlergehen für Ozean und Gesellschaft
„Die Drohne hat das Potential, eine sehr wichtige Akteurin im internationalen Beobachtungsnetzwerk im tropischen Atlantik zu werden, da in dieser Region bisher nur sehr wenige Messungen für Kohlendioxid durchgeführt werden konnten“, erklärt Dr. Björn Fiedler, Meeres-Chemiker bei Geomar.
Dr. Toste Tanhua, ebenfalls Meeres-Chemiker bei Geomar und Koordinator von EuroSea, formuliert es diplomatisch: „Wir wollen Informationen anbieten, die für eine nachhaltige Wirtschaft im Sinne des Ozeans nötig sind und die Wohlergehen und die Sicherheit der Gesellschaft stärken. Mit der Segeldrohne kommen wir diesem Ziel wieder ein Stück näher.“ Es bleibt zwar schleierhaft, warum ein Ozean an irgendeiner Form von Wirtschaft, ob nachhaltig oder ausbeuterisch, interessiert sein sollte. Aber so sieht wohl eine realpolitische Win-Win-Situation zwischen Mensch und Natur aus.
Wissenschaft oder Abenteuer?
Zeitgleich zur Geomar-Drohne bricht der historische Londoner Dreimaster Activ unter Kapitän Jonas Bergsøe zu einer vergleichbaren Forschungsexpedition im Atlantik auf. Auf dem Schoner von 1951 wurde schon ein Moby-Dick-Film gedreht. Vielleicht bringt die namenlose Drohne von Geomar die belastbareren Ergebnisse zutage.
Aber man muss schon leidenschaftlicher Datendetektiv sein, um das Verfolgen eines Schiffes am Bildschirm spannender zu finden als eine leibhaftige Teilnahme an der Activ-Expedition. Die kindliche Freude an ferngesteuerten Schiffen hin oder her.