Mein Lehrmeister teilt den Bildschirm – jetzt sind die vier seitlichen Kamera-Perspektiven sowie eine virtuelle Draufsicht auf das Boot zu erkennen. Nähern wir uns bis auf ein Meter an Kaimauer, Nachbarboote oder Felsenküsten, färbt sich die bedrohte Seite des digitalen Abbilds unserer Sessentasette alarmierend rot. Außerdem ertönt eine nervtötende Piepswarnung. Der Abstands- und Kollisionswarner lässt sich auch auf zwei oder drei Meter festsetzen.
Einparken einhand bei Nacht und Nebel
Auch bei Nacht und Nebel ist das Einparken quasi einhand kein Problem. Die vier Kameras, die sich dezent wie kleine Lampen tarnen, sind auch als Wärmebildkamera ausgelegt. Sie erkennen im Stockdunkeln einen Steg, der sich thermisch vor dem kalten Wasser hervorhebt.

Für größere Abstände ist eine weitere Wärmebildkamera im Raymarine-Universum zuständig: M300, die Fern-Kamera von Flir. Seit 2010 ist Raymarine Tochterunternehmen des US-Herstellers von Marineelektronik und kooperiert in vielen Bereichen. Die Zusammenarbeit hat dieses Wunderwerk ergeben. Wir testen es bei einem Nachmittagstörn.
Flir M300 sieht ein bisschen wie der seltsame Roboter E2-D2 aus „Krieg der Sterne“ aus und gibt auch ähnlich seltsame Töne von sich. Per berührungsaktivem Bildschirm auf dem Raymarine-Endgerät lässt sich das Präzisionsinstrument kinderleicht steuern. Den Finger nach links ziehen heißt: Kamera nach links drehen. Zwei Finger spreizen heißt: näher heran. Es funktioniert wie bei einem Smartphone. Da ist sie wieder, die angenehme Bedien-Freundlichkeit.

Kamera gleicht Krängung selbstständig aus
Der Wind hat inzwischen aufgefrischt, die Dünung wiegt die Cranchi vernehmlich. Wer jetzt mit dem Fernglas ein Objekt heranholen will, muss bereits gegen die rollende Schiffsbewegung ankämpfen. Gilt es, einen Bootsnamen oder die Nummer einer Tonne zu verifizieren, kann es bei etwas mehr Schwell anstrengend werden. Für M300 ist das kein Problem. Die Kamera, in einem runden Gehäuse mit einem Motor versehen und 360 Grad drehbar, gleicht Schwankungen selbsttätig aus. Die Bildstabilisierung funktioniert selbst in schwerer See, sagt Andrew von Raymarine.

Wird es dunkel, schaltet man die M300 auf Wärmebild um. Am Anfang ist das Schwarz-Weiß-Bild mit Negativ-Reflexion (Dunkles ist hell, Helles ist dunkel) gewöhnungsbedürftig, doch das dauert nur Sekunden. Vor allem die optische Zoomfähigkeit ist fantastisch. Mit 30-facher Vergrößerung lässt sich nicht nur jede ankernde Yacht in der nächsten Bucht, sondern sogar jeder Rostfleck auf deren Rumpf ausmachen. Sämtliche Beobachtungen landen auf Wunsch auf jedem Raymarine-Endgerät, etwa dem großen Axiom-Display.
Hochleistungskamera auf dem Handy
Doch natürlich ist es auch möglich, die Perspektive der Flir M300 – wie auch alle anderen Kameras an Bord – auf das eigene Smartphone zu projizieren. Das funktioniert mit Raymarine YachtSense Eco System. Es vernetzt nicht nur Kamera, Radar und Echolot, sondern sämtliche Anlagen an Bord. Das können auch Bilgepumpe, Fernseher, Kühlschrank oder Außenbeleuchtung sein. Was Eignerin oder Eigner in die bequeme Lage versetzt, von jedem Punkt der Welt, der über Netzanbindung verfügt, Kontakt zum Boot aufzunehmen.

Ein virtueller Zaun um das verankerte Boot
Der Nutzen liegt nicht allein in der Befriedigung enthemmter Kontrollsucht. Wenn sämtliche Geräte über ein System laufen und zentral angesteuert werden, ergeben sich bemerkenswerte Synergien. „Es gibt ganz einfache Effekte“, erklärt Andrew von Raymarine. So müsse bisher in einem neuen Hafen der WLAN-Zugang in jedem einzelnen Endgerät neu programmiert werden. Bei einem größeren Schiff kann das länger dauern! Mit YachtSense Eco System genügt eine zentrale Eingabe.
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