Die Installation von Batterien, Motor und Regelungselektronik inklusive der notwendigen Kabel stellt einen hohen finanziellen Aufwand dar. Früher oder später ist zwar jeder Motor verschlissen. Aber wie lange hält ein moderner Bootsdiesel? Laufleistungen von 4.000 Betriebsstunden und mehr sind bei guter Pflege heute kein Problem mehr. Rechnet man mit durchschnittlichen Sportboot-Nutzungsdauern von deutlich weniger als 100 Stunden im Jahr, ergibt sich eine theoretische Haltbarkeit von 40 Jahren.
Und es gibt Sportboote, deren Umrüstung aus technikgeschichtlicher Sicht zumindest fraglich ist – etwa die hölzernen Runabouts mondäner Marken wie Chris-Craft oder Riva, zu deren Erscheinung ein bollernder V8 einfach zwingend dazugehört. Zwar wurden auch solche Oldtimer bereits erfolgreich umgerüstet, aber die Regel muss das nicht werden. Was also können die Eigner von alten Motorbooten in ein paar Jahren tun, wenn sie ihre geliebten Fahrzeuge nicht zu Museumsobjekten mutieren sehen wollen?
Boote bleiben Jahrzehnte in Betrieb
Natürlich bestreiten die Befürworter von E-Fuels und klimaneutralem Diesel nicht, dass das Ziel der Mobilitätswende – ob nun auf der Straße oder auf dem Wasser – überwiegend im Elektroantrieb liegt. Ihr Argument: „So bekommen wir viel schneller die Klimaneutralität hin“, sagt Lühmann-Chef Lorenz Kiene. Denn bis sämtliche Verbrennungsmotoren durch E-Antriebe ersetzt sind, dürften noch Jahrzehnte vergehen. Das Beispiel Straße belegt das: Über 40 Millionen Pkw sind in Deutschland angemeldet, bisher davon weniger als 1,3 Millionen reine Elektroautos. Und die durchschnittliche Haltedauer beträgt inzwischen zehn Jahre.
Auf dem Wasser ist das Missverhältnis noch größer. Boote können Jahrzehnte in Betrieb sein, bevor die Maschine ausgetauscht werden muss. Außerdem sind elektrische Antriebssysteme aufgrund der teuren Akkutechnologie bisher deutlich teurer als moderne marine Verbrennungsmotoren. Und noch lassen sich nicht sämtliche Anwendungsfälle damit abdecken. Insbesondere der Dauerbetrieb schneller Gleiter ist noch nicht darstellbar. Noch mangelt es allerorten an einer belastbaren Ladeinfrastruktur am Wasser. Darauf zu warten, sagen die E-Fuels-Verfechter aus dem Kraftstoffhandel, hieße dem Klimawandel in die Karten zu spielen.
Natürlich gibt es auch Gegenwind: Kraftstoffe aus Pflanzenölen werden häufig kritisiert, weil ihre Herstellung Einfluss auf Lebensmittelpreise haben könnte. Dieser Kritikpunkt, als „Tank-oder-Teller-Debatte“ bekannt, ist weltweit aktuell. So werden zum Beispiel in den USA und Brasilien große Mengen an Ölsaaten wie Mais und Zuckerrohr ausschließlich für die Produktion von Ethanol angebaut, das man anschließend Kraftstoff beimischt. Diesen Vorwurf versuchen Hersteller von HVO zu entkräften, indem sie ausschließlich Abfallstoffe verwenden. Ihr Argument: Was wir verwerten, braucht niemand mehr. Zukünftig soll sogar aus Klärschlamm Öko-Kraftstoff entstehen – ganz ohne olfaktorische Nebenwirkungen.
Effizienz von E-Fuels ist sehr gering
Auch gegen E-Fuels gibt es handfeste Argumente: Die Effizienz des künstlich erzeugten Sprits ist sehr gering. Tatsächlich muss sehr viel elektrische Energie in den Prozess gesteckt werden, bevor am Ende E-Fuels im Tank gluckern. Der komplizierte Herstellungsprozess lässt den Wirkungsgrad auf unter 15 Prozent schrumpfen. Der Wirkungsgrad eines batterieelektrischen Autos liegt bei 70 bis 80 Prozent. Ist es da nicht Wahnsinn, den Strom für die Spritpanscherei zu verschwenden? Jein. Denn die Hersteller sagen: Wir holen uns den Strom dort, wo ihn ohnehin niemand braucht.
Ein Beispiel ist die E-Fuels-Fabrikation im südlichen Chile, die Porsche gemeinsam mit lokalen Partnern vor kurzem feierlich in Betrieb nahm. Das Kraftwerk Haru Oni unweit der Magellanstraße soll in diesem Jahr 130.000 Liter künstlichen Kraftstoff produzieren. Schon 2026 soll sich der Ausstoß auf 550 Millionen Liter erhöhen. Das wären immerhin 1,2 Prozent von dem, was 2019 in Deutschland von Pkw und Lieferwagen an Diesel- und Benzinkraftstoffen verbraucht wurde. Und weltweit sind weitere Großanlagen im Bau oder bereits in Betrieb.
Haru Oni wurde mit Bedacht am Südzipfel Südamerikas projektiert, denn dort weht der Wind statistisch an 270 Tagen im Jahr mit großer Intensität. Zugleich gibt es in der spärlich besiedelten Landschaft sehr wenig Abnehmer, sowohl für E-Fuels wie auch für den Strom. Hier kommt ein weiterer Vorteil des Electro-Fuels zum Tragen: Es lässt sich als flüssige Substanz leicht und auch über lange Distanzen transportieren.
Mit Strom ist das eher schwierig. Auch die Lagerung von Strom über längere Zeiträume ist derzeit wirtschaftlich nicht möglich. Wo wir bei einem weiteren E-Fuels-Vorteil wären, diesmal allerdings gegenüber fossilem Sprit: Aufgrund seiner hohen Reinheit besteht keine Gefahr von Dieselpest, also Verunreinigung durch Kleinstlebewesen infolge langer Lagerung.
Große Hersteller wie Volvo Penta und Yanmar haben auf die neuartigen Kraftstoffe bereits reagiert und bescheinigen für viele ihrer Motoren die Verträglichkeit. Volvo Penta weist vorsorglich darauf hin, dass vor dem Betrieb mit E-Fuels und HVO grundsätzlich Erkundigungen einzuholen sind.
Klimadiesel-Chef will Verbrennerverbot kippen
Das Engagement um die alternativen Kraftstoffe ist auch ein Kampf um Märkte, insbesondere auf der Straße. Derselbe Lorenz Kiene, der sich für Klima-Kraftstoffe stark macht, hat kürzlich eine Klage gegen die EU angekündigt. Das Verbot der Zulassung neuer Verbrennungsmotoren ab 2035 soll gekippt werden. Die Klima-Kraftstoffe GmbH ist assoziiert mit der Lühmann-Gruppe, einem mittelständischen Energieunternehmen. Es betreibt über die Tochterfirma Classic rund 190 Tankstellen in Deutschland. Kiene ist auch Geschäftsführer der Lühmann-Gruppe. Er will, dass nach 2035 weiterhin Verbrennungsmotoren neu zugelassen werden können, sofern sie mit CO2-neutralem Sprit betankt würden.
Hintergrund: Aus Sicht der EU-Kommission ist es irrelevant, woher der Treibstoff kommt, so lange aus dem Auspuff das klimaschädliche CO2 gelangt. Nur dort wird gemessen. Kiene findet diese Logik absurd. „Man sollte den CO2-Ausstoß über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs hinweg erfassen“, sagte er der Welt am Sonntag. Denn auch die Herkunft des Stroms von Elektroautos sei ja nicht zwingend CO2-neutral, sondern stamme oft aus Kohle oder Gas. Wenn aber auch Verbrennungsmotoren künftig amtlich „0 Gramm CO2“ emittieren, wäre die weitere Entwicklung der Technologie für die Hersteller attraktiv. Und es würde Classic neue Kundenstamm bringen.
Beim Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) findet man das Engagement Kienes gefährlich. „Das Narrativ von E-Fuels im Straßenverkehr droht dem Klimaschutz zu schaden“, sagt PIK-Chefwissenschaftler Falko Ueckerdt. „Denn es ist unrealistisch und verzögert die notwendige Transformation hin zu Elektroautos.“ Es werde einfach nicht genügend E-Fuels geben, um die zu erwartende Menge an Motoren zu betanken.
E-Fuels sind Thema auf der Interboot
Der Deutsche Motoryacht-Verband (DMYV) wird auf der Interboot in Friedrichshafen am Bodensee über das Thema E-Fuels informieren. Gegenüber dem DMYV-Stand in Halle A4 (Position 313) geht der Interessenverband „E-Fuels-Forum“ während der Messe vor Anker. Im E-Fuels-Forum sind mehr als 50 Mineralöl- und Energieunternehmen organisiert.
Weiter ins Detail gehen Vorträge von Lühmann-Chef Lorenz Kiene auf der Interboot. Kiene ist Geschäftsführer des E-Fuels-Forums und des Konsortiums Klima-Kraftstoffe, das das „KlimaDiesel“ genannte HVO-Produkt vertreibt, unter anderem an mehreren Classic-Tankstellen.