Mae Ya Nang dürfte zufrieden sein: Bei der Indienststellung der sieben neuen Fähren wurden der thailändischen Gottheit Opfer dargebracht, so wie es vorgeschrieben ist. Mae Ya Nang ist seit Jahrhunderten Schutzheilige aller Boote in Thailand.
Ursprünglich war sie „nur“ für Bäume zuständig – doch da Holz lange Zeit der wichtigste Baustoff für Schiffe war, blieb die thailändische Gottheit auch bei den Bäumen, nachdem sie gefällt waren und ein neues Leben als Bootsrümpfe begannen. Und obwohl die sieben neuen Fähren gar nicht mehr aus Holz, sondern aus Glasfaser verstärktem Kunststoff bestehen, wacht Mae Ya Nang treu auch über ihr Schicksal. So lassen sich in Thailand uralte Bräuche und modernste Technik reibungslos miteinander vereinen.

Dach mit Solarpaneelen
Auch der Antrieb der sieben Fähren, die zukünftig in der thailändischen Hauptstadt Bangkok Pendler und Touristen transportieren, ist hoch modern: Es handelt sich um elektrische Außenbordmotoren des deutschen Herstellers Torqeedo. Die 14,5 Meter langen Schiffe werden von je zwei 10-Kilowatt-Motoren (zusammen etwa 27 PS) auf maximal 17 km/h beschleunigt. Die Außenborder ersetzen die 205 PS starken Dieselmotoren, die bisher unter Deck brummten.
Zur E-Ausstattung von Torqeedo gehören auch zwölf Lithiumbatterien des Typs Power 24-3500 und vier Schnellladegeräte. Tagsüber laden zudem zwölf Solarpaneele auf dem Dach die Akkus kontinuierlich nach. Mit einer vollen Akkuladung können die Boote bis zu vier Stunden fahren, teilt das kommunale Verkehrsunternehmen Thanakom mit. Es hat die kleine Flotte kürzlich in Dienst gestellt.

Ringförmiger Wasserweg
Das Einsatzgebiet der surrenden Wasserbusse ist der Khlong Phadung Krung Phasem, ein rund 170 Jahre alter Kanal (thailändisch: Khlong). Man hört dabei eher den Propeller im Wasser als den Elektromotor, so leise ist Außenborder. Der ringförmige Wasserweg führt etwa 5,5 Kilometer um die historische Altstadt herum. Der Kanal wurde eigens für den Gütertransport erschaffen. Einst gab es kaum Straßen in der alten Königsstadt, zahllose Wasserwege führten durch die Viertel. Heute sind die meisten zugeschüttet.
Aber große Khlong als Erschließungswege gibt es weiterhin. Die künstliche Wasserstraße passiert unter anderem den Hauptbahnhof von Bangkok und mehrere große Märkte. Der Khlong Phadung Krung Pahsem mündet in Bangkoks Verbindung zum Meer, den großen Fluss Chao Phraya. Kein Wunder, dass die Bedeutung als Verkehrsader seit der Zeit seiner Anlage eher noch gewachsen ist.
Mit den sieben Kanalbooten hat Thanakom eine neue Schifffahrtslinie eingerichtet, die tagsüber zwischen 6 und 19 Uhr alle 15 Minuten emissionsfreien Transport bietet. Es gibt an Bord Platz für Rollstühle und Fahrräder, bis zu 30 Personen können mitfahren. Seit 2018 hat das Verkehrsunternehmen mit einem Testboot den Betrieb ausprobiert. Sie sind ebenfalls mit Torqeedo-Außenbordern bestückt.

Luftqualität in Bangkok
So wie für die lebendige Koexistenz von uralten Traditionen mit dem modernen Alltagsleben, so steht Bangkok auch für ungesunde Umweltbedingungen: Die Schadstoffbelastung ist dort sprichwörtlich atemberaubend. Die Elektrifizierung der Fährflotte ist ein bedeutsamer Schritt in dem Vorhaben, die Lebensqualität in der Acht-Millionen-Metropole zu verbessern.
„Dies ist eine wichtige Errungenschaft für die Stadt Bangkok und ein wichtiger Teil unserer Vision‚ Thailand 4.0 Smart City‘ mit einem integrierten, sauberen und umweltfreundlichen öffentlichen Verkehrssystem mit Bus, Bahn und Wasserwegen“, so Dr. Ekarin Vasanasong, der stellvertretende Geschäftsführer der Stadtverwaltung.
Für Torqeedo ist das Projekt in der thailändischen Hauptstadt Teil der eigenen Strategie, auch Kurs auf die gewerbliche Schifffahrt zu nehmen. Ausflugsschiffe und Fähren sind ein besonders interessanter Markt für elektrische Antriebe: Die Boote sind in überschaubaren Reichweiten unterwegs und können immer wieder Strom nachtanken.

Vom Projektstart bis heute sind zwei Jahre vergangen – Zeit, um Erfahrungen zu sammeln. Zwei Cruise-10-Motoren reichten mit ihren zusammen 20 kW Leistung aus, was Tempo und Schubanforderungen betrifft. „Das Deep-Blue-System mit Hochvolttechnologie wäre leistungsmäßig zu stark gewesen“, sagt Marcus Magiar. Bei Kanalbooten setzt man, der Sicherheit wegen, lieber auf eine Twin-Lösung, sodass bei Motorausfall noch immer ein zweites System verfügbar ist.
Magiar ist Chef von Torqeedo Asia Pacific. Sein Büro ist in Bangkok, Torqeedo ist also direkt vor Ort. „Auch Made in Germany spielt definitiv noch eine Rolle“, sagt Magiar im Gespräch mit float, dieser Begriff zählt hier noch etwas. „Wir unterhalten gute Beziehungen zur Stadtregierung, der Bangkok Metropolitan Authority, und haben einen sehr gut vernetzen Bootsbauer.“ Und mit einem Service-Center in Singapur kann Torqeedo in Asien auch Service anbieten, anders als viele andere.
Staus an Land abbauen
Die Verbesserung des Verkehrs und der Luftqualität sind enorme Herausforderungen für Bangkoks Behörden. Der Anbieter von Navigations-Dienstleistungen TomTom identifizierte Bangkok kürzlich zur verkehrsreichsten Stadt der Welt: Millionen von Autos, Tuk-Tuks und Motorradtaxis drängen sich auf den Straßen, und der durchschnittliche Einwohner Bangkoks verbringt mehr als 64 Stunden pro Jahr im Stau.
Durch elektrische Fähren will die Stadtverwaltung zweierlei erreichen: Pendler werden von der Straße auf den Wasserweg umgeleitet. Das reduziert Staus an Land. Außerdem wird lokal die Luft sauberer. Torqeedo hat in Bangkok zurzeit acht Fähren auf dem Wasser, zwölf weitere werden folgen. Ein weiteres Großprojekt in Bangkok wird im kommenden Jahr realisiert.
So könnte Bangkok sich wieder dem annähern, was die thailändische Hauptstadt über Jahrhunderte war: Ein Venedig des Ostens, in dem ein Großteil des Transports auf dem Wasser ablief.