Lange wirkte es, als habe Volvo Penta die Entwicklung zur Elektromobilität im Dornröschenschlaf verbracht. Doch nun steuert der schwedische Motorenbauer neue Gewässer an. Auf der boot Düsseldorf hat Volvo Penta angekündigt, gemeinsam mit dem Bootsbaukonzern Beneteau eine Motoryacht mit Hybridantrieb auszustatten. Das 11,90 Meter lange Boot soll eine Kombination aus Elektro- und Dieselmotor an Bord haben. Der Prototyp entsteht auf Basis der Familienyacht Jeanneau NC 37.

Die Elektromobilität auf dem Wasser stellt die Industrie vor ein Problem: Viele große Konzerne scheuen sich davor, nach hohem Entwicklungsaufwand ein teures Produkt auf den Markt zu bringen, von dem am Ende nur geringe Stückzahlen absetzbar sein könnten.
Das ist ein gewichtiger Grund, warum Pioniere wie der Elektromotorenbauer Torqeedo oder die Elektrobootwerft X Shore mit kleinen Stückzahlen, aber innovativen Ideen im Rampenlicht standen – und die Branchenriesen wie mit leeren Händen wirkten.
Beneteau hat sich bereits auf den Weg gemacht und kooperiert auch mit Torqeedo bei dem Projekt ProHybrid Excess 15. Doch es fehlt der Werftgruppe bisher eine hybride Inborder-Lösung für seine großen Motoryachten, die weite Strecken fahren.
Als Marinemotoren-Riese bei den Innenbordern setzte Volvo Penta 2022 den Kurs energisch Richtung Elektromobilität mit dem Hurtigruten Svalbard Projekt: Ein Tagesboot vom Typ Marell M15 wurde mit Hybridantrieb ausgestattet, um in den streng geschützten Fjorden Nordnorwegens leise und emissionsfrei operieren zu können.


Das Boot läuft dem Vernehmen nach hervorragend – in einer lebens- und batteriefeindlichen Umgebung zwischen minus 22 und plus 6 Grad Celsius. Jetzt will Volvo Penta diese Erfahrungen auf die Jeanneau-Motoryacht übertragen.
Kommt und staunt
Dazu wird die fertige Experimentalyacht in Krossholmen, dem Testzentrum von Volvo Penta, stationiert. In den kommenden Monaten soll sie dort – mitsamt dem Testzentrum – der Öffentlichkeit präsentiert werden. Das Unternehmen hebt hervor, dass es noch nie zuvor ein Vorprodukt in diesem Umfang vorgestellt und zur öffentlichen Erprobung gebracht hat wie das Hybrid-Boot.
Der Gedanke, der einem Hybridantrieb zugrunde liegt: In ökologisch sensiblen Bereichen und im Hafen läuft der kleine Elektromotor. Auf See wird auf den volumenstarken Diesel umgeschaltet, der nebenbei den Akku für die E-Maschine wieder auflädt. Vor Spitzbergen hat das Touristenboot Kvitbjoern (zu deutsch Polarbär) diesen Anwendungsfall erfolgreich in die Praxis umgesetzt.
Nahezu lautlos kann es zwölf Personen durch geschützte Fjorde nahe an Walrosse heranfahren. Zum Einsatz kommt dabei eine Hybrid-Elektrolösung auf Basis eines Volvo Penta Twin D4-320 mit DPI und Aquamatic. Die Höchstgeschwindigkeit gibt der Motorenbauer mit 30 Knoten an, die maximale Reichweite beträgt 500 Seemeilen.

Die Tour von der Basis, an der Menschen von den Hurtigruten-Kreuzfahrtschiffen umsteigen, bis zum Fjord beträgt etwa 200 Seemeilen. Mit Arbeitstempo ist der Törn an einem Tag zu schaffen. Aber nur mit Diesel, mit einem langsamen Elektroantrieb nicht.
Elektrisch kann die Kvitbjoern mit sieben Knoten etwa drei Stunden elektrisch unterwegs sein. Das genügt, um lautlos die Natur zu erkunden. So hat sich hier die Kombination aus starkem Diesel und leiser E-Maschine hervorragend bewährt. Und es dürfte auf vielen Revieren ähnliche Anforderungen geben.
Auf der Suche nach Geschäftsmodellen
Der knapp zwölf Meter lange Weekender soll „ein Testboot sein, um damit Kundeneindrücke zu sammeln“, sagte Johan Inden, Präsident von Volvo Penta Marine, auf der boot Düsseldorf. Doch mehr noch: „Wir suchen nach Geschäftsmodellen, mit denen sich dieser Antrieb bezahlt macht.“ Deutlicher geht es kaum. Ein dieselelektrischer Hybridantrieb ist nach Einschätzung von Volvo Penta offenbar so teuer, dass er unter normalen Bedingungen nicht marktfähig sei. Wie viel wird er kosten? „Das wird die Zukunft zeigen“, sagt Inden.
Volvo Penta und Beneteau wollen nicht nur einen Antrieb entwickeln, sondern auch gleich die passenden Geschäftsmodelle verkaufen, um in Großserie zu produzieren. „Wir wollen schließlich nicht nur ein paar, sondern Hunderte, wenn nicht Tausende verkaufen“, ergänzt Erik Stromberg, Beneteau-Produktdirektor für Motoryachten. Auch Miet- und Leasingmodelle sind geplant. Beide Partner gaben sich große Mühe, Zuversicht auszustrahlen.
